Arbeitsrecht

Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede – Tarifsukzession

Aktenzeichen  5 AZR 410/10

Datum:
17.11.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 18 TVöD
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Stade, 28. April 2009, Az: 2 Ca 499/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 14. Juni 2010, Az: 8 Sa 717/09, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. Juni 2010 – 8 Sa 717/09 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 28. April 2009 – 2 Ca 499/08 – teilweise abgeändert und die Klage iHv. 49,84 Euro brutto nebst hierauf entfallenden Prozesszinsen abgewiesen.
3. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über ein Leistungsentgelt und Tarifentgelterhöhungen.
2
Die Klägerin ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten als Pflegehelferin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 29. April 2003 regelt ua.:
        
„§ 1   
        
…       
        
Die Arbeiterin wird als Pflegehelferin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20,0 Stunden angestellt.
        
…       
        
§ 2     
        
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich in Anlehnung nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung, soweit in den §§ 3 und 4 nichts anderes geregelt ist.
        
§ 3     
        
Die tarifliche Weihnachtszuwendung wird der Höhe nach auf 50 % der Bruttovergütung gem. § 4 dieses Anstellungsvertrages begrenzt.
        
Beihilfen und Unterstützungen gem. § 40 BMT-G werden nicht gewährt.
        
Die Arbeiterin erhält im Krankheitsfall eine Entgeltfortzahlung von sechs Wochen. Ein hierüber hinausgehender Krankengeldzuschuß wird nicht gewährt.
        
Arbeitsbefreiung gem. § 29 Abs. 1 – 3 BMT-G und § 616 BGB wird abbedungen. Die Urlaubsvergütung wird nach den gesetzlichen Bestimmungen gezahlt. Die Regelung des § 67 Abs. 1 – 4 BMT-G findet keine Anwendung.
        
Der Ausschluß der ordentlichen Kündbarkeit gem. § 52 BMT-G entfällt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses richtet sich vielmehr nur nach den gesetzlichen Bestimmungen.
        
Die Dauer des Erholungsurlaubes beträgt 26 Arbeitstage pro Kalenderjahr bei einer 5-Tage-Woche. Ein Zusatzurlaub gem. § 42 BMT-G wird nicht gewährt.
        
§ 4     
        
Die Arbeiterin erhält einen Stundenlohn in Höhe von 8,90 €.
        
Ein Sozialzuschlag gem. § 33 BMT-G wird nicht gewährt.
        
Die Mitarbeiterin wird bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach Maßgabe der Satzung zusätzlich versichert. Sie ist verpflichtet, den auf sie entfallenden Beitrag zu zahlen.“
3
§ 1 des Zusatz-Arbeitsvertrags vom 28. Januar 2004 lautet:
        
„Mit Wirkung vom 01. März 2004 beträgt die durchschnittliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit von Frau P 20,8 Stunden. Die zusätzlichen Stunden sind befristet bis 01.03.2006. Die Erhöhung der jeweilig vereinbarten Wochenarbeitszeit erfolgt ohne Lohnausgleich.
        
Der Arbeitgeber bietet im Gegenzug bei Unterzeichnung der zu ändernden Arbeitsverträge einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen für den Zeitraum vom 01.03.2004 bis zum 01.03.2006.“
4
§ 1 des Zusatz-Arbeitsvertrags vom 1. März 2005 lautet:
        
„Frau G wird ab dem 01.04.2005 unbefristet eingestellt.
        
Die Arbeitszeit von Frau G beträgt weiterhin 20 Stunden wöchentlich.“
5
§ 1 des Zusatz-Arbeitsvertrags vom 12. Januar 2006 lautet:
        
„Ab dem 01. März 2006 beträgt die durchschnittliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden statt bisher 38,5 Stunden, daraus ergibt sich für Frau G eine durchschnittliche wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit von 20,78 Stunden.
        
Die Erhöhung der vereinbarten Wochenarbeitszeit erfolgt ohne Lohnausgleich.
        
Gleichzeitig wird der bisher vertraglich vereinbarte Jahresurlaubsanspruch der Arbeitnehmerin auf Dauer um 2 Tage pro Kalenderjahr erhöht. Im Übrigen bleiben die Regelungen aus § 3 des Arbeitsvertrages unberührt.
        
Der Arbeitgeber bietet im Gegenzug bei Unterzeichnung der zu ändernden Arbeitsverträge einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigung für den Zeitraum vom 01.03.2006 bis zum 29.02.2008.“
6
Die Beklagte erhöhte den Stundenlohn entsprechend § 4 des Monatslohntarifvertrags Nr. 28 zum BMT-G um jeweils 1 % ab dem 1. Januar 2004 und ab dem 1. April 2004. Nach der Verdienstabrechnung für Juni 2008 zahlte die Beklagte für 86,96 Stunden einen Stundenlohn von 9,08 Euro brutto.
7
Nach I. 1. a) der Tarifeinigung in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und kommunalen Arbeitgebern Teil A Gemeinsame Regelungen für Bund und VKA vom 31. März 2008 wurden die Tabellenentgelte des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) ab 1. Januar 2008 um 50,00 Euro sowie anschließend um 3,1 % und ab 1. Januar 2009 um 2,8 % erhöht. Zudem stand im Januar 2009 allen Vollzeitbeschäftigten eine einmalige Sonderzahlung von 225,00 Euro zu.
8
Mit der Klage hat die Klägerin Tarifentgelterhöhungen für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2009 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag verweise dynamisch auf den TVöD und den diesen ergänzenden Entgelttarifverträgen. Sie könne neben den prozentualen Erhöhungen auch das tarifliche Leistungsentgelt und die anteilige tarifliche Einmalzahlung beanspruchen.
9
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an sie 784,92 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der TVöD sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar. Die in § 2 des Vertrags enthaltene Ersetzungsklausel finde keine Anwendung auf die Vergütungsregelung. Der Arbeitsvertrag enthalte eine eigenständige, vom BAT abweichende Vergütungsvereinbarung.
11
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.

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