Arbeitsrecht

Auslegung einer Versorgungsordnung

Aktenzeichen  3 AZR 577/10

Datum:
13.11.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 24. Februar 2009, Az: 5 Ca 427/08 B, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 5. August 2010, Az: 4 Sa 642/09 B, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. August 2010 – 4 Sa 642/09 B – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Versorgungsfall beim Kläger mit Vollendung des 60. Lebensjahres eintreten kann.
2
Der 1965 geborene Kläger war zunächst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags seit dem 17. Januar 1994 bei der Deutschen Postgewerkschaft (im Folgenden: DPG) beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom 12. Juni 1995 wurde das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt. Dieser Vertrag bestimmt auszugsweise:
        
„1.     
Herr H wird mit Wirkung ab 01. Juli 1995 in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis als Abteilungssekretär bei der Hauptverwaltung der Deutschen Postgewerkschaft übernommen.
        
…       
        
        
4.    
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
        
…“    
        
3
Die vom Hauptvorstand der DPG erlassene „Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft“ (im Folgenden: TR-DPG) lautet auszugsweise:
        
„§ 26 
        
Versorgung der Beschäftigten
        
1.    
Zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung treten Versorgungsbezüge nach den Bestimmungen der Unterstützungskasse des DGB; für Einstellungen bis 31.12.1982 im Rahmen der Unterstützungsrichtlinien 1988, für Einstellungen ab 1.1.1983 im Rahmen der Unterstützungsrichtlinien 1983, für Einstellungen ab 1.1.2000 im Rahmen der Versorgungsordnung 1995.
        
2.    
Die Beschäftigten der DPG sind nach ihrer Festanstellung (Ablauf der vereinbarten Probezeit) bei der Unterstützungskasse des DGB, und zwar rückwirkend auf den Tag ihrer Arbeitsaufnahme, anzumelden. Über die erfolgte Anmeldung ist den Beschäftigten eine entsprechende schriftliche Mitteilung zu geben.
        
3.    
Die DPG trägt die Beiträge zur Unterstützungskasse des Deutschen Gewerkschaftsbundes in voller Höhe.
        
Hinweis für Gewerkschaftssekretäre/innen: Rechtsstandswahrungen siehe Anhang II“
4
Der Anhang II (im Folgenden: Anhang II TR-DPG) lautet auszugsweise:
        
„Rechtsstandswahrungen
        
…       
        
§ 26   
        
Versorgung der Beschäftigten
        
Die nachfolgende Regelung gilt für die bis 31.08.1995 eingestellten Beschäftigten.
        
I. Gewerkschaftssekretäre/innen
        
1.    
Der Versorgungsfall tritt ein, wenn die/der Beschäftigte
        
        
a)    
berufsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung oder
        
        
b)    
erwerbsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung wird oder
        
        
c)    
Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält;
        
        
d)    
ferner tritt der Versorgungsfall für Wahlangestellte sowie Sekretäre/innen des Hauptvorstandes und der Bezirksvorstände ein, wenn sie unkündbar sind und das 60. Lebensjahr vollendet haben, jedoch nur auf eigenen Antrag.
        
…       
        
        
4.    
Im Falle der Ziffer 1. d) ist die/der Beschäftigte verpflichtet, dies 6 Monate vor ihrem/seinem beabsichtigten Ausscheiden dem Hauptvorstand anzuzeigen und unverzüglich den Rentenantrag zu stellen. Wird der Antrag rechtskräftig abgelehnt, so ist die Antragsstellung zum nächstmöglichen Zeitpunkt erneut vorzunehmen. Nach Eintritt des Versorgungsfalls werden die Bezüge so lange weitergezahlt, bis einer der Fälle der Ziffer 1. a) – c) eintritt. Ab dem Monat, in dem der Rentenfall eingetreten ist, wird die Vergütung als Vorschuss auf die Rentenansprüche gezahlt.
        
…“    
        
5
Unter dem 29. März 2001 wandte sich der Hauptvorstand der DPG unter dem Betreff „Deine Höhergruppierung“ mit folgendem Schreiben an den Kläger:
        
„Lieber H,
        
mit Wirkung vom 01.04.2001 wirst du vom Abteilungssekretär zum Sachgebietsleiter umgruppiert und zeitgleich in die Vergütungsgruppe 5 b höhergruppiert. Dies geschieht aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Bewerbern, die sich auf die 20 zusätzlichen Stellen für BezirkssekretärInnen beworben haben und als BezirkssekretärInnen angestellt werden, im Hinblick auf deine beabsichtigte Versetzung in den zukünftigen ver.di-Bezirk N.
        
…“    
6
Am 2. Juli 2001 wurde die DPG auf die Beklagte verschmolzen.
7
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass für ihn nach § 26 Anhang II TR-DPG bei Vollendung des 60. Lebensjahres der Versorgungsfall eintreten wird.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 26 Anhang II TR-DPG finde auf ihn Anwendung. Die Regelung gelte für die bis zum 31. August 1995 bei der DPG eingestellten Gewerkschaftssekretäre. Es sei nicht erforderlich, dass die Funktion als Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands bereits am 31. August 1995 ausgeübt worden sei. Vielmehr genüge es, dass einem vor dem 31. August 1995 eingestellten Gewerkschaftssekretär zu einem späteren Zeitpunkt eine solche Funktion übertragen wurde. Durch das Schreiben vom 29. März 2001 sei er einem Sekretär des Bezirksvorstands gleichgestellt worden, weshalb er die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG erfülle.
9
Der Kläger hat beantragt
        
festzustellen, dass für ihn bei Erreichen des 60. Lebensjahres der Versorgungsfall nach § 26 Abs. 1 Ziff. d der Tarifregelung für die Beschäftigten der ehemaligen DPG eintritt.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 26 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d Anhang II TR-DPG gelte für den Kläger nicht. Dieser sei am Stichtag 31. August 1995 weder Wahlangestellter noch Sekretär des Haupt- oder eines Betriebsvorstands gewesen. Die vorzeitige Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung setze voraus, dass bereits am 31. August 1995 eine Beschäftigung als Wahlangestellter bzw. Vorstandssekretär erfolgt sei. Der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Sekretär des Haupt- oder eines Bezirksvorstands gewesen. Durch das Schreiben vom 29. März 2001 sei er lediglich hinsichtlich der Vergütung den damals neu eingestellten Bezirkssekretären gleichgestellt worden.
11
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

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