Arbeitsrecht

Auslegung eines Tarifsozialplans – Sozialplanabfindung

Aktenzeichen  2 Ca 1220/17

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41095
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 613 a
BetrVG § 112 Abs. 1, § 112 a Abs. 2
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 46 Abs. 2, § 48 Abs. 1a S. 1

 

Leitsatz

Erfolgt ein Teilbetriebsübergang, so ist der Rechtszustand zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Dabei kann durch Protokollnotiz zum Sozialplan geregelt werden, dass nicht alle Betriebsübergänge bzw. Teilbetriebsübergänge gleich zu behandeln und Abfindungsansprüche für die einzelnen Teilbetriebsübergänge unterschiedlich ausgestaltet sind. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 124.448,39 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die geltend gemachte Abfindung.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
I.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Das Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – ist gemäß § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Für den geltend gemachten Abfindungsanspruch fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1. Aus C 5.4.3. des Tarifsozialplans in der Fassung vom 01.06.2016 lässt sich kein Abfindungsanspruch ableiten. Der Kläger hat keine „neue Stelle“ angetreten. Es erfolgte keine „maßgebliche Vermittlung von …“ und der Kläger ist auch nicht bei … ausgeschieden. Vielmehr ist sein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auf den Teilbetriebserwerber gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen.
2. Zutreffend ist, dass der Wortlaut der Authentischen Interpretation vom 21.07. / 05.08.2016 unter Ziffer 9 den Abfindungsanspruch durchaus stützen könnte. Hiernach finden die Regelungen unter C 5.4.3. des Sozialplans bezüglich des gekürzten Abfindungsanspruchs Anwendung für Beschäftigte, die in Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf einen Erwerber außerhalb … übergehen. Dies trifft auf den Kläger durchaus zu.
3. Allerdings ist der Abfindungsanspruch für den Kläger durch die Protokollnotiz vom 30.09.2016 ausgeschlossen.
Da der Teilbetriebsübergang zum 01.04.2017 erfolgte, ist der Rechtszustand zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Es gelten nicht nur der Tarifsozialplan vom 01.06.2016 und die Authentische Interpretation vom 21.07. / 05.08.2016, sondern auch die Protokollnotiz vom 30.09.2016.
In Ziffer 2 dieser Protokollnotiz wird klargestellt, dass nicht alle Betriebsübergänge bzw. Teilbetriebsübergänge gleich zu behandeln sind. Nur für Maßnahmen, die im Rahmen von WCP (und damit innerhalb des Rahmeninteressenausgleichs vom 01.06.2016) erfolgen, gilt gemäß Ziffer 2 a der geminderte Abfindungsanspruch unter C 5.4.3. für Beschäftigte, die im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf einen Erwerber außerhalb … übergehen. Die Maßnahme, von der der Kläger betroffen ist, fällt unstreitig nicht unter das WCP – Programm. Für andere Teilbetriebsübergänge … also auch den Teilbetriebsübergang, von dem der Kläger betroffen ist – gilt gemäß Ziffer 2 b der Protokollnotiz grundsätzlich die Regelung des § 613 a BGB. Ein Abfindungsanspruch besteht für die anderen Teilbetriebsübergänge gemäß Ziffer 2 b. bb. nur, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Monaten nach dem Zeitpunkt des Auslaufens des Sozialplans arbeitgeberseitig betriebsbedingt beendet wird.
Damit besteht für den von einem anderen Teilbetriebsübergang betroffenen Kläger kein Abfindungsanspruch.
Die Regelungen in der Protokollnotiz vom 30.09.2016 sind wirksam.
Ob der Vertreter der IG Metall bevollmächtigt war, die Protokollnotiz zu unterzeichnen, kann dahingestellt bleiben. Zumindest wurde die Zeichnung der Protokollnotiz im Nachhinein genehmigt, da unter dem 01.12.2017 der Tarifvertrag inklusive Protokollnotiz bis 31.07.2019 verlängert wurde und dieser Verlängerung eine Sitzung und entsprechende Beschlussfassung der Tarifkommission vorausging.
Zu Unrecht meint der Kläger, die Entscheidung, ob eine Maßnahme Teil des WCP – Programmes sei, stehe im Ermessen der Beklagten und diese habe es in der Hand letztendlich zu bestimmen, welche Arbeitnehmergruppe eine Abfindung bekomme und welche nicht. Maßnahmen, die im Rahmen von WCP erfolgen, sind nur solche innerhalb des Rahmeninteressenausgleichs vom 01.06.2016. Dieser Rahmeninteressenausgleich stellt keine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers dar.
Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Die Differenzierung zwischen Maßnahmen im Rahmen von WCP und anderen Teilbetriebsübergängen ist sachlich gerechtfertigt. Die potenziellen Nachteile, die Mitarbeiter erleiden, deren Arbeitsverhältnis im Rahmen von WCP auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, sind anders zu beurteilen als die potenziellen Nachteile für Mitarbeiter, die von anderen Teilbetriebsübergängen betroffen sind. Für den von einem anderen Betriebsübergang betroffenen Kläger gilt unter anderem gemäß C.1.2.(4) des Interessenausgleichs vom 23.02.2017, dass die Tarifverträge – dynamisch – weiter gelten sollen durch Eintritt des aufnehmenden Unternehmens in den Tarifträgerverband der M+E-Industrie. Außerdem wurde das Sozialplanprivileg des § 112 a Abs. 2 BetrVG als nicht greifend vereinbart (D. 1. des Interessenausgleichs vom 23.02.2017). Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen der Beklagten zum Thema „Gleichbehandlungsgrundsatz“ im Schriftsatz vom 22.02.2018 in vollem Umfang an.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung (§ 61 Abs. 1 ArbGG) ergibt sich aus der Höhe der eingeklagten Hauptforderung.

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