Arbeitsrecht

Auslegung eines zeitlich befristeten Ergänzungstarifvertrags – RoSi-Zulage mit einer Tariflohnerhöhung

Aktenzeichen  8 Sa 206/17

Datum:
27.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27322
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
ERA §§ 6 f.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

8 Ca 4086/15 2016-12-06 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg – Gerichtstag Ansbach – vom 06.12.2016 – Az. 8 Ca 4086/15 – wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 2 b) und Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO fristgerecht und ausreichend begründet worden.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, dass die erfolgte Anrechnung der der Klägerin nach dem 31.12.2012 verbliebenen RoSi-Zulage in Höhe von € 62,– brutto im Monat mit der Tariflohnerhöhung vom 01.07.2013 weder kollektivrechtlich noch individualrechtlich unwirksam war.
1. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung vom 01.07.2013 auf den nach dem 31.12.2012 verbliebenen Teil der RoSi-Zulage verstößt nicht gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
a) Zunächst ist die Argumentation der Klägerseite, mit der Umwandlung sei eine Ungleichbehandlung zwischen den Mitarbeitern im Zeitlohn und den Mitarbeitern im Akkordlohn und zusätzlich zwischen den Mitarbeitern im Zeitlohn mit einer hohen Leistungszulage und den Mitarbeitern mit einer geringeren Leistungszulage erfolgt, nicht nachvollziehbar.
Will die Klägerseite insoweit eine Unwirksamkeit des § 6 Ziffer 3 Abs. 2) ERTV, der die Umwandlung von maximal 10% des tariflichen Monatsentgelts ausschließlich aus dem leistungsabhängigen Anteil des Monatsentgelts (d.h. Akkordmehrverdienst, Prämienmehrverdienst oder Leistungszulage) in eine übertarifliche Zulage regelt und insoweit zusätzlich klarstellt, dass bei einem Leistungsanteil unter 10% maximal der Leistungsanteil umgewandelt werde, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht, so Artikel 3 Grundgesetz, behaupten?
aa) Zunächst ist insoweit auf die Anlage 3 zu § 6 Ziffer 3 ERTV zu verweisen. Dort heißt es explizit, dass für bisherige Akkordlohnempfänger das leistungsabhängige Entgelt bis zur Einführung eines Prämiensystems einheitlich 13,9% des tariflichen Grundentgelts beträgt. Damit ist der Akkordmehrverdienst mit einer Leistungszulage gleichgesetzt worden.
Aus diesem leistungsabhängigen Anteil des Monatsentgeltes wurden jeweils maximal 10% in eine übertarifliche Zulage umgewandelt. Inwieweit hier eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern im Zeitlohn und Arbeitnehmern im Akkordlohn vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.
Der Hinweis, dass bei einem Leistungsanteil unter 10% maximal der Leistungsanteil umgewandelt wird, hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Sofern der Leistungsanteil nicht 10% des tariflichen Monatsentgeltes erreicht, ist eine entsprechende Umwandlung in der geforderten Höhe eben nicht möglich. Insoweit werden bereits keine verschiedenen Entgeltbestandteile herausgelöst und umgewandelt.
bb) Dass Mitarbeiter mit einem höheren Leistungsanteil in der Summe einen höheren Beitrag zur Sanierung leisten als Mitarbeiter mit einem geringeren Leistungsanteil, ergibt sich per se aus der gewählten prozentualen Berechnungsmethode des ERTV. Die Klägerseite will doch nicht ernsthaft in Zweifel ziehen, dass z.B. eine prozentuale Erhöhung des Tarifentgelts gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Für die geringere Belastung der Mitarbeiter mit einem Leistungsanteil unter 10% liegen jedenfalls sachliche Gründe für die Differenzierung vor. Insoweit stellt die Klägerseite vielmehr selbst die Befugnis der Tarifvertragsparteien zu einer prozentualen Umwandlung von Tarifentgeltbestandteilen in eine übertarifliche Zulage nicht in Frage. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezüglich der Umwandlung von Tarifentgelt in eine übertarifliche Zulage und der Bestimmungen der Anrechnungsmodalitäten während der Laufzeit des ERTV ist bereits nach § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen. Der ERTV regelt die Umwandlung in eine übertarifliche Zulage und die Anrechnung mit tabellenwirksamen Tariferhöhungen ab 01.06.2008 während des Laufs des ERTV abschließend und gerade nicht betriebsvereinbarungsoffen.
b) Aber auch die Verrechnung mit der Tariflohnerhöhung 2013 ist nicht mitbestimmungswidrig erfolgt.
aa) Insoweit schränkt jedoch der ERTV ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für Anrechnungen nach Ablauf dessen Laufzeit nicht mehr ein. Eine abschließende Regelung trifft § 6 ERTV gerade nur für Anrechnungen in Höhe von 2% pro Kalenderjahr während der Laufzeit des Tarifvertrages. Für eine Anrechnungsentscheidung des Arbeitgebers nach Ablauf des ERTV liegt somit keine abschließende tarifvertragliche Regelung vor.
Eine Entscheidung des Arbeitgebers, Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen anzurechnen, unterliegt jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG GS v. 03.12.1991, Az. GS 1/90) dann nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, wenn eine volle und gleichmäßige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulage aller Arbeitnehmer erfolgt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen besteht dann, wenn sich dadurch die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern, also die verschiedenen Zulagenbeiträge im Verhältnis zueinander. Weitere Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist, dass für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht. Deshalb ist die Anrechnung mitbestimmungsfrei, wenn sie das Zulagenvolumen völlig aufzehrt. Dasselbe gilt, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf übertarifliche Zulagen angerechnet wird.
bb) Das Erstgericht hat das Vorliegen dieser, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ausschließenden Voraussetzungen zu Recht bejaht. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung vom 01.07.2013 in Höhe von 3,4% hat das Zulagenvolumen der RoSi-Zulage völlig aufgezehrt. Kein Arbeitnehmer erhält nunmehr noch eine RoSi-Zulage. Eine Änderung der bestehenden Verteilungsrelationen ist gerade mit der vollen und gleichmäßigen Anrechnung der 3,4-prozentigen Tariflohnerhöhung auf die noch bestehende RoSi-Zulage nicht erfolgt. Das Verhältnis der unterschiedlichen Zulagenbeträge zueinander hat sich gerade nicht geändert. Bei allen Arbeitnehmern ist vielmehr die RoSi-Zulage nunmehr völlig entfallen.
2. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung vom 01.07.2013 in Höhe von 3,4% auf die verbleibende RoSi-Zulage und damit deren vollständiger Wegfall war der Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt verwehrt.
Unabhängig von der Frage, ob und wenn ja, wann die Anwendung der §§ 6 ff. des ERA-Tarifvertrages zum leistungsabhängigen Entgelt Auswirkungen auf die RoSi-Zulagen hätte entfalten können, ist diese bereits durch die berechtigte Anrechnung mit der Tariflohnerhöhung zum 01.07.2013 in vollem Umfang entfallen. Das Erstgericht hat zu Recht erkannt, dass die Anrechnungsmöglichkeit gerade nicht mit dem Ende der Laufzeit des ERTV weggefallen ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich weder aus dem Wortlaut des ERTV noch aufgrund dessen Auslegung der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer Rückumwandlung des bis 31.12.2012 noch nicht verbrauchten Teils der RoSi-Zulage im Tarifentgelt. Der Anspruch auf Weiterzahlung der restlichen RoSi-Zulage kann auch nicht mit einer entsprechenden konstitutiven Zusage der Beklagten an die Arbeitnehmer begründet werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG, Urteil v. 26.04.2017, Az. 10 AZR 589/15 mit weit. Hinw.; in juris recherchiert).
aa) Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen.
Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil v. 02.11.2016, Az. 10 AZR 615/15, mit weit. Hinw.; in juris recherchiert).
bb) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (BAG, Urteil v. 02.11.2016, a.a.O.).
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die RoSi-Zulage als übertarifliche Zulage nach Ablauf des ERTV nach den allgemeinen Grundsätzen auf Tariflohnerhöhungen voll anrechenbar.
aa) Die Tarifvertragsparteien verwendeten mit dem Begriff „übertarifliche Zulage“ einen feststehenden Rechtsbegriff. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass ein Arbeitgeber übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich individualrechtlich auf den Tariflohn anrechnen kann, es sei denn, dass dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll (BAG, Urteil v. 25.06.2002, Az. 3 AZR 167/01, mit weit. Hinw.; in juris recherchiert). Eine derartige Zusage an die Arbeitnehmer behauptet die Klägerin selbst nicht. Angebliche Äußerungen des Geschäftsführers im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen gegenüber Betriebsratsmitgliedern oder der IG Metall stellen aber keine derartige Zusage an die Arbeitnehmer dar.
(1) Mit der Verwendung des Begriffs „übertarifliche Zulage“ ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemeinen üblichen Sinn verbinden wollten. Es ergeben sich aus dem Tarifvertrag auch keine sicheren Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung dieses Fachbegriffes. Damit ist aber ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien mit der rechtlichen Charakterisierung der RoSi-Zulage als übertarifliche Zulage von einer grundsätzlichen und zunächst unbeschränkten Anrechnungsmöglichkeit mit Tariflohnerhöhungen ausgegangen sind. Der Klägerin ist zwar insoweit Recht zu geben, dass der ERTV erst durch die Umwandlung von Tarifentgelt in eine übertarifliche Zulage eine Anrechnungsmöglichkeit geschaffen hat. Dies ist zunächst nur der erste Schritt, der durch den ERTV erfolgt ist. In einem zweiten Schritt wird dann die Anrechnungsmöglichkeit für die Laufzeit des ERTV, d.h. bis 31.12.2012, dahingehend beschränkt, dass eine Anrechnung mit einer Tariflohnerhöhung nur in Höhe von 2% der übertariflichen Zulage pro Kalenderjahr erfolgen darf. Den Fall, dass während der fünfjährigen Laufzeit und einer Anrechnung von maximal 2% pro Kalenderjahr tatsächlich eine Verrechnung der RoSi-Zulage in voller Höhe nicht erfolgen wird, regeln die Tarifvertragsparteien im ERTV nicht ausdrücklich, obwohl zuletzt bei Abschluss des ERTV den Tarifvertragsparteien bereits bekannt gewesen ist, dass im Jahr 2008 lediglich eine Tariflohnerhöhung von 1,7% erfolgen wird. Insbesondere sieht der ERTV für diesen Fall eine Rückumwandlung der verbleibenden RoSi-Zulage wieder in Tarifentgelt nicht vor. Dagegen haben die Tarifvertragsparteien unter § 7 Ziffer 4 b) des ERTV ausdrücklich für den Fall, dass die Entscheidung über die Herdplattform Ap… nicht zugunsten des Standortes Ro… ausfällt oder eine zunächst für Ro… erfolgte Entscheidung rückgängig gemacht wird, geregelt, dass die Umwandlung/Verrechnung gemäß § 6 Ziffer 3 Abs. 2 rückwirkend zum 01.01.2008 entfällt. Das heißt, eine „Rückumwandlung“ ist für diesen konkreten Fall explizit vorgesehen, nicht jedoch für den Fall, dass es nicht zu einer vollständigen Verrechnung während der Laufzeit des ERTV kommt. Für diesen Fall soll sich jedoch gerade der rechtliche Charakter der RoSi-Zulage als übertarifliche Zulage nicht ändern.
(2) Wäre eine Rückumwandlung in Tarifentgelt tatsächlich gewollt gewesen, hätte, wie das Erstgericht zu Recht ausgeführt hat, dies gerade – wie auch im Falle des § 7 Ziff. 4 b) geschehen – ausdrücklich geregelt werden müssen. Auch aus der fünfjährigen Laufzeit des Tarifvertrages und dessen Beendigung nach Ablauf ohne Nachwirkung ergibt sich gerade keine Rückumwandlung der übertariflichen Zulage in Tarifentgelt. Der rechtliche Charakter als übertarifliche Zulage wird durch die Beendigung des ERTV gerade nicht berührt und zwar unabhängig davon, dass die Nachwirkung des ERTV ausgeschlossen wurde. Die ausdrückliche Umwandlung von Tarifentgelt in eine übertarifliche Zulage hat – entgegen der Ansicht der Klägerin – sehr wohl die Änderung des rechtlichen Charakters dieses Entgeltbestandteiles zur Folge. Die Umwandlung hat ihre Rechtsgrundlage im ERTV. Der Ausschluss der Nachwirkung betrifft vielmehr die Beschränkung der Anrechenbarkeit auf 2% pro Kalenderjahr. Nach Ablauf des ERTV und Wegfall der Anrechnungsbeschränkung konnten spätere Tariflohnerhöhungen wieder in voller Höhe mit der RoSi-Zulage als übertarifliche Zulage verrechnet werden.
bb) Sinn und Zweck der tariflichen Regelung bestätigt dieses Auslegungsergebnis.
Bei der RoSi-Zulage handelt es sich um einen Arbeitnehmerbeitrag zur langfristigen und nachhaltigen Sicherung des Werkes Ro… und der dort bestehenden Arbeitsplätze. Im Gegenzug erfolgten Zusagen der Arbeitgeberin hinsichtlich der Produktion und einer Beschäftigungssicherung. Der Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer erfolgte durch eine Reduzierung des leistungsabhängigen Tarifanteils in einer bestimmten Höhe, nämlich in Höhe von maximal 10%. Die Arbeitnehmer sollten diesen Beitrag jedoch nicht sogleich in voller Höhe leisten, die finanzielle Belastung sollte zunächst vielmehr auf 5 Jahre verteilt werden. Dies ergibt sich aus der Kombination der Laufzeit des Tarifvertrages und der Verrechnungsmöglichkeit von jeweils maximal 2%.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Tarifvertragsparteien ursprünglich davon ausgegangen sind, dass unter normalen Umständen eine vollständige Anrechnung des Solidarbeitrages rechnerisch in 5 Jahren eintreten werde. Daraus ergibt sich eindeutig der Wille der Tarifvertragsparteien, dass die RoSi-Zulage vollständig verrechnet werde und der Solidarbeitrag der Arbeitnehmer unter anderem in Form der gesamten übertariflichen RoSi-Zulage bestand. Insoweit ergibt sich tatsächlich im Ergebnis ein Verzicht der Arbeitnehmer in Höhe der RoSi-Zulage.
cc) Angesichts des nach Wortlaut, Systematik und Zweck der tariflichen Regelung klaren Auslegungsergebnisses kommt es auf die Entstehungsgeschichte, die dieses jedoch bestätigen würde, nicht weiter an. Weder aus den Textierungen noch aus dem Verhandlungsergebnis vom 26.09.2007 ergibt sich der Wille der Tarifvertragsparteien, dass eine Rückumwandlung der übertariflichen Zulage in Tarifentgelt nach Ablauf des ERTV gewollt war. Vielmehr regelt Ziffer 3 c) des Verhandlungsergebnisses vom 26.09.2007 ausdrücklich die Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulagen über die Laufzeit bis zur vollständigen Abschmelzung. Zwar ist diese Regelung nicht im ERTV übernommen worden. Dafür ist jedoch zu beachten, dass Ziffer 3 c) des Verhandlungsergebnisses ausdrücklich eine Verrechnung mit den Tariferhöhungen 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 vorsah. Damit beinhaltet diese Regelung zunächst nicht nur eine Einschränkung der Anrechnung der Höhe nach auf 2%, sondern auch eine konkrete zeitliche Begrenzung auf bestimmte Jahre. Ohne eine Regelung einer weiteren Anrechenbarkeit hätte nach dem Wortlaut der Ziffer 3 c) des Verhandlungsergebnisses tatsächlich eine Anrechnung im Jahr 2013 nicht erfolgen können. Im ERTV fehlt jedoch diese zeitliche Begrenzung einer Anrechnungsmöglichkeit auf die Jahre 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012. Somit bestand keine Veranlassung mehr, die weitere Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage bis zur vollständigen Abschmelzung ausdrücklich in Ziffer 3 Abs. 2 des ERTV aufzunehmen. Dort heißt es dagegen nur noch, dass der durch Umwandlung entstehende Betrag mit den tabellenwirksamen Tariferhöhungen beginnend ab 01.06.2008 verrechnet wird, maximal jedoch in Höhe von 2% pro Kalenderjahr. Das heißt, der ERTV schränkt die Anrechnung während seiner Laufzeit lediglich in der Höhe ein. Nachdem gerade diese zeitliche Begrenzung auf die konkret genannten Jahre in der Formulierung des ERTV fehlte, bedurfte es damit aufgrund der grundsätzlich unbeschränkten Anrechnung einer übertariflichen Zulage mit Tariflohnerhöhungen keines weiteren Hinweises auf die Anrechenbarkeit über die Laufzeit hinaus.
Die beanstandeten und im Laufe der Verhandlungen erfolgten Änderungen der Textierung betrafen gerade diesen Themenkomplex nicht. Aus dem Verlauf der Textierung kann somit gerade nicht entnommen werden, dass die Rückumwandlung der nach 5 Jahren Laufzeit noch verbliebenen RoSi-Zulage in anrechnungsfestes Tarifentgelt dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien entsprach.
c) Es liegt auch keine konstitutive Zusage der Beklagten auf Weiterzahlung der RoSi-Zulage vor.
Insbesondere können die angeblichen Äußerungen des Geschäftsführers – diese selbst als wahr unterstellt -, der Ausfall von Tariferhöhungen sei das Problem des Arbeitgebers, das nehme er auf seine Kappe, die insoweit keinen Niederschlag im ERTV gefunden haben, bereits nicht ausschließlich dahin verstanden werden, dass eine verbleibende RoSi-Zulage nach Ablauf des ERTV wieder in Tarifentgelt rückumgewandelt werden soll. Es ist der Ansicht der Beklagten zu folgen, dass die Beendigung eines Tarifvertrages ohne Nachwirkung aufgrund Fristablaufes eben keine ex-tunc-Wirkung entfaltet. Gleichermaßen kann auch lediglich eine Bestätigung des Geschäftsführers dahingehend gewollt gewesen sein, dass die Anrechnungsbeschränkung dazu führt, dass in einem Kalenderjahr ohne Tariferhöhung oder mit einer die 2-prozentige Grenze unterschreitenden Tariferhöhung der Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer zunächst ganz oder teilweise ausfällt. Dies liegt nach dem ERTV tatsächlich ausschließlich in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Die eingeschränkte Anrechnungsmöglichkeit kann aber auch dahingehend verstanden werden, dass sich die Anrechnung eben zu Lasten des Arbeitgebers entsprechend zeitlich verzögert.
Aus alledem war ein Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung der RoSi-Zulage nicht gegeben und die Berufung daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
IV.
Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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