Aktenzeichen 7 Sa 319/16
TVÜ-VKA § 14 Abs. 1
BAT § 19 Abs. 4 S. 1, Abs. 4 S. 2, § 53 Abs. 3
BGB § 242
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 1, Abs. 2 c), § 66 Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1
Leitsatz
1 Gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD genügt es nicht, dass eine Vorbeschäftigung bei irgendeinem öffentlichen Arbeitgeber vorlag. Vielmehr ist es erforderlich, dass es sich um denselben Arbeitgeber handelte. Dies ergibt sich aus der eindeutigen tarifvertraglichen Regelung. Hinter dem Wort „Beschäftigungszeit“ in § 34 Abs. 2 S. 1 TVöD ist der Klammerzusatz „Abs. 3 S. 1 und 2“ eingeschoben. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine Begriffsbestimmung vorgenommen, insbesondere im Umkehrschluss Fälle des § 34 Abs. 3 S. 3 und 4 ausgeschlossen (Fortschreibung BAG BeckRS 2015, 68086). (red. LS Thomas Ritter)
2 Der BAT regelte die Beschäftigungszeit in § 19. Dessen Absatz 1 stellt auf die Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ab. Eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber war nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dabei betrifft § 19 Abs. 4 S. 1 BAT, wonach es bei der Anrechnung von anderen Zeiten der Entscheidung u.a. der obersten Dienstbehörde bedurfte, den Bund und die Länder. Für die Kommunen galt § 19 Abs. 4 S. 2 BAT. Danach sollte die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem Wechsel zwischen der Gemeinde und ihrem in privater Rechtsform geführten Betrieb erfolgen. Eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber war somit nach dem BAT nicht vorgesehen. (red. LS Thomas Ritter)
Verfahrensgang
6 Ca 3148/15 2016-02-05 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 05.02.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.06.2016 beendet. Die Kündigung ist wirksam.
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist insbesondere nicht durch § 34 Absatz 2 TVöD ausgeschlossen. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Klägerin hatte zum Kündigungszeitpunkt zwar das erforderliche Alter, sie hat 2012 das 40. Lebensjahr vollendet.
Die Klägerin war indes nicht 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Dies ist unstreitig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begann am 01.01.2015.
Anrechenbare Vorbeschäftigungszeiten bei anderen öffentlichen Arbeitgebern bestehen nicht. Die Klägerin war zwar seit dem Ende der Ausbildungszeit, also seit 13.08.1991, ununterbrochen bei einem öffentlichen Arbeitgeber beschäftigt, nämlich zunächst bei der Stadt A… sowie anschließend bei der Stadt V….
Gemäß § 34 Absatz 2 Satz 1 TVöD genügt es indes nicht, dass eine Vorbeschäftigung bei irgendeinem öffentlichen Arbeitgeber vorlag. Vielmehr ist es erforderlich, dass es sich um denselben Arbeitgeber handelte. Dies ergibt sich aus der eindeutigen tarifvertraglichen Regelung. Hinter dem Wort „Beschäftigungszeit“ in § 34 Absatz 2 Satz 1 TVöD ist der Klammerzusatz „Absatz 3 Satz 1 und 2“ eingeschoben. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine Begriffsbestimmung vorgenommen, insbesondere im Umkehrschluss Fälle des § 34 Absatz 3 Satz 3 und 4 ausgeschlossen (vgl. auch Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 10.12.2014 ‒ 7 AZR 1002/12; juris).
Eine Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten ergibt sich auch nicht aus § 34 Absatz 2 Satz 2 TVöD.
Gemäß § 34 Absatz 2 Satz 2 TVöD bleiben die Beschäftigten, die nach den bis 30.09.2005 geltenden Bestimmungen unkündbar waren, weiterhin unkündbar.
Nach den betreffenden Bestimmungen war die Klägerin nicht unkündbar.
Maßgebend für die Unkündbarkeit eines Arbeitsverhältnisses bei einem öffentlichen Arbeitgeber war bis Ende September 2005 § 53 Absatz 3 BAT. Unabhängig von der Frage der Beschäftigungszeit hatte die Klägerin im September 2005 das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht, die ordentliche Kündigung war demgemäß nicht ausgeschlossen.
Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus § 14 Absatz 1 TVÜ-VKA.
Danach werden zwar die vor dem 01.10.2005 zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Absatz 3 TVöD berücksichtigt, aber nur, soweit sie nach Maßgabe der jeweiligen tarifrechtlichen Vorschriften anerkannt waren.
Der BAT regelte die Beschäftigungszeit in § 19. Dessen Absatz 1 stellt auf die Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ab. Eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber war nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dabei betrifft § 19 Absatz 4 Satz 1 BAT, wonach es bei der Anrechnung von anderen Zeiten der Entscheidung u.a. der obersten Dienstbehörde bedurfte, den Bund und die Länder. Für die Kommunen galt § 19 Absatz 4 Satz 2 BAT. Danach sollte die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem Wechsel zwischen der Gemeinde und ihrem in privater Rechtsform geführten Betrieb erfolgen. Eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber war somit nach dem BAT nicht vorgesehen. Es besteht daher kein Raum für den von der Klägerin geltend gemachten Bestandsschutz.
Demgegenüber sieht § 2 Absatz 4 TVöD zwingend eine Probezeit vor. Eine Ausnahme hiervon wird lediglich in dem Fall gemacht, dass sich das Arbeitsverhältnis an eine Ausbildung anschließt.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte verhalte sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes treuwidrig, § 242 BGB.
Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei nur zur Beklagten gewechselt, weil sie davon ausgegangen sei, dass sie zum einen unkündbar sei und zum anderen die Vorbeschäftigungszeiten angerechnet würden, führt dies nicht zum Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Die Klägerin macht zwar geltend, dies sei so gegenüber der Beklagten kommuniziert worden. Dies ist indes weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht, auch nicht nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis, schlüssig vorgetragen worden. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe 10, Stufe 5 eingruppiert wurde. Wie die Klägerin selbst vorträgt, ergibt sich diese Möglichkeit aus § 16 Absatz 2a TVöD in den Fällen des § 34 Absatz 3 Satz 3 und 4 TVöD.
Auch das Vorbringen der Klägerin, es sei ihr wegen der Willkür ihres Vorgesetzten verwehrt geblieben, sich ausreichend in die laufenden Verwaltungsvorgänge einzuarbeiten, ist nicht geeignet, die ordentliche Kündigung der Beklagten als treuwidrig zu bewerten. Die Klägerin hat einzelne Vorgänge, in denen sie von Herrn S… behindert oder in sonstiger Weise benachteiligt worden ist, nicht benannt. Im Übrigen ist nicht einmal ersichtlich, inwieweit Herr S… (allein) dafür zuständig war, die Klägerin einzuarbeiten bzw. sie zu unterstützen.
Es ist daher nicht feststellbar, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die Frage, wie § 14 TVÜ-VKA auszulegen ist, wurde, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden.