Aktenzeichen 9 Sa 406/17
BGB § 242, § 307 Abs. 1 S. 2
ZPO § 259
Leitsatz
Die Prämienansprüche des Klägers sind teilweise verfallen, da er sie nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Die vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte Ausschlussfrist ist nicht unwirksam, weil sie Ansprüche nach dem MiLoG nicht ausnimmt. (Rn. 29 – 33)
Verfahrensgang
3 Ca 213/17 2017-05-31 Endurteil ARBGROSENHEIM ArbG Rosenheim
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 31.05.2017, Az. 3 Ca 213/17, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger als Prämie für den Zeitraum 01.01. bis 31.03.2017 zum 31.03.2018 brutto 3.750,- € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.04.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10/21, die Beklagte zu 11/21.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist-und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist aber nur zum Teil begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Prämien für die Jahre 2014 und 2015, da die Ansprüche verfallen sind. Hinsichtlich der anteiligen Prämie für 2017 hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung ab dem Fälligkeitszeitpunkt.
1. Die Ansprüche auf Prämien für 2014 und 2015 sind nach § 14 des Arbeitsvertrages verfallen, da der Kläger sie weder schriftlich noch gerichtlich innerhalb der vereinbarten Frist von drei Monaten geltend gemacht hat.
1.1. Die Prämie für 2014 war gem. § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages am 31.03.2015 fällig, die Prämie für 2015 am 31.03.2016. Entgegen der Auffassung des Klägers regelt der Halbsatz „zahlbar bis 31.03. des jeweiligen Folgejahres“ nicht nur die Fälligkeit der für das Jahr 2013 garantierten Prämie. Das ergibt sich ohne weiteres aus der klaren Formulierung des „jeweiligen Folgejahres“. Das Wort „jeweiligen“ macht nur Sinn, wenn sich die Regelung nicht nur auf die Prämie für 2013 bezieht. Die Formulierung konnte deshalb ein objektiver Empfänger nach Treu und Glauben nur dahin verstehen, dass es sich um eine Fälligkeitsregelung nicht nur für ein Jahr, sondern auch für alle Folgejahre handelt.
1.2. Die Ausschlussfrist wurde wirksam vereinbart. Die Vereinbarung der Ausschlussfrist ist nicht unwirksam, weil sie Ansprüche nach dem MiLoG nicht ausnimmt.
Es kann hier dahinstehen, ob für nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16.08.2014 vereinbarte Ausschlussfristen eine Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz nicht ausnehmende und damit § 3 MiLoG nicht Rechnung tragende Regelung zu einer Unwirksamkeit der gesamten Klausel führt (BAG 24.08.2016 – 5 AZR 703/15 zu einer Verfallklausel, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst und deshalb im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 i. V. m. § 13 AEntG verstößt), obwohl § 3 MiLoG ausdrücklich nur die Unwirksamkeit von Vereinbarungen anordnet, „insoweit“ sie die Geltendmachung von Mindestlohnansprüchen beeinträchtigen. Jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall, in dem die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbart wurde, führt die fehlende Herausnahme der Ansprüche aus dem MiLoG nicht zu einer Unwirksamkeit der Ausschlussfrist. Nach zutreffender und wohl herrschender Meinung in der Literatur sind vor Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossene vertragliche Verfallklauseln weiterhin wirksam (MüKoBGB/Müller-Glöge, MiLoG, § 3 Rn. 3; Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; ErfK/Franzen, § 3 MiLoG, Rn. 3 a). Jedenfalls im Fall von Altverträgen führt die fehlende Herausnahme von Ansprüchen aus dem MiLoG auch nicht zu einer Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn eine zur Zeit ihrer Vereinbarung transparente AGB-Klausel verliert nicht nachträglich ihre Wirksamkeit, weil spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen (MüKoBGB/ Müller-Glöge, MiLoG, § 3 Rn. 3). Vielmehr ist eine vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte Verfallfrist ohne weiteres dahin auszulegen, dass die Regelung Ansprüche, deren Verfall aufgrund später in Kraft tretender Regelungen nicht vereinbart werden kann, nicht erfassen soll. Eine Intransparenz i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist deshalb nicht gegeben.
1.3. Der Kläger hat die Prämien nicht schriftlich bis zum jeweiligen 30.06.2015 bzw. 30.06.2016, sondern erstmals mit dem Klageschriftsatz vom 17.02.2017 geltend gemacht. Die Verfallfrist ist deshalb in beiden Fällen nicht gewahrt.
1.4. Der Beklagten ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass darin, dass der Geschäftsführer sich auf noch fehlende Umsatzzahlen berufen und den Kläger dadurch hinsichtlich der noch ausstehenden Entscheidung über die Auszahlung der Prämie vertröstet hat, ein Umstand liegt, der geeignet ist, zu einer missbräuchlichen Berufung auf die Verfallfrist zu führen, ist die Berufung auf die Verfallfrist hier nicht treuwidrig.
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem Ablauf einer Ausschlussfrist steht dem Verfall von Ansprüchen nur so lange entgegen, wie eine Partei aufgrund von rechts-missbräuchlichen Verhaltens der anderen Partei von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten wird (BAG 13.10.2010 – 5 AZR 648/09, Rn. 20). Die Berücksichtigung eines Rechtsmissbrauchs setzt voraus, dass dieser für das Untätigbleiben kausal geworden ist. Fallen die Umstände weg, die die Untätigkeit begründen, muss der Anspruch innerhalb einer kurzen, nach den Umständen des Falles sowie Treu und Glauben zu bestimmenden Frist in der gebotenen Form geltend gemacht werden (BAG 10.03.2005 – 6 AZR 217/04). Jedenfalls Letzteres hat der Kläger nicht getan.
Dem Kläger muss spätestens Ende 2015 klar gewesen sein, dass die Nichtzahlung der Prämie ihren Grund nicht in den fehlenden Umsatzzahlen hat. Gleichwohl hat er die Prämie nicht schriftlich geltend gemacht. Ebenso musste ihm vor allem auch vor dem Hintergrund des Verhaltens der Beklagten im Jahr 2015 bezüglich der Prämie für 2014 bewusst gewesen sein, dass die Zahlung der Prämie für 2015 nicht aufgrund fehlender Umsatzzahlen unterbleibt. Trotzdem hat er auch diese Prämie nicht schriftlich geltend gemacht.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Prämien nicht schriftlich geltend gemacht, weil dies den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet hätte, kann dahinstehen, ob dieser unsubstanziierte Vortrag genügt, um ein rechtsmissbräuchliches Abhalten von der schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche zu begründen. In jedem Fall konnte auch dieser Grund einer Geltendmachung der Ansprüche spätestens zu dem Zeitpunkt nicht mehr entgegenstehen, als der Kläger im Dezember 2012 seine Eigenkündigung erklärt hatte. Gleichwohl hat er die Prämien dann nicht innerhalb einer kurzen Frist, sondern erst ca. zwei Monate später geltend gemacht.
2. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der anteiligen Prämie für 2017 in Höhe von 3.750,- € brutto zum 31.03.2018.
2.1. Die Klage auf zukünftige Leistung ist nach § 259 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann eine Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich der Schuldner der Leistung entziehen werde. Zu den künftigen Leistungen i. S. v. § 259 ZPO sind auch zukünftige Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern gerechnet worden (BAG 18.12.2003 – 8 AZR 550/02, Rn. 31). Die Besorgnis, dass die Beklagte die anteilige Prämie für 2017 nicht zahlen wird, ist berechtigt. Sie hat bereits die Zahlung der Prämien für die Vorjahre nicht geleistet. Da der Prämienanspruch bereits entstanden und lediglich noch nicht fällig ist, sind auch nicht weitere Voraussetzungen des Anspruchs in den Tenor aufzunehmen.
2.2. Der Anspruch ist auch begründet. Nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger als Vergütung neben dem Jahresgehalt eine leistungsabhängige Prämie von 15.000,- € brutto.
Soweit die Beklagte die Prämienzahlung in dem unbestritten vorformulierten Arbeitsvertrag als „leistungsabhängig“ bezeichnet hat, verstößt die Vereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 01.09.2010 5 AZR 517/09, Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine derartige Gefahr ist vorliegend gegeben.
Die Klausel enthält keinerlei Hinweise darauf, auf wessen Leistung es vorliegend ankommen soll, z. B. der des Klägers, der einer Organisationseinheit, der er angehört, oder der der Beklagten selbst, wie etwa bei einer Tantieme. Genauso wenig kann festgestellt werden, auf welche Faktoren es vorliegend für die Leistungsbemessung ankommen soll: Umsatz, Gewinn oder persönliches Engagement. Die für die Leistungsbemessung erheblichen Faktoren wurden im Arbeitsverhältnis auch zu keiner Zeit konkretisiert. Unter diesen Umständen ist eine derartige Klausel geeignet, den Arbeitnehmer von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten. Da der Arbeitnehmer keine Möglichkeit hat zu erkennen, auf welche Faktoren abzustellen ist, kann er weder Erfolgsaussichten noch Risiken einer Geltendmachung abschätzen. Eine derartige Situation ist geeignet, einen Arbeitnehmer von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten.
Die Intransparenz des Leistungsbezugs der Prämienvereinbarung führt nicht zur Unwirksamkeit der Prämienvereinbarung insgesamt, sondern, da eine sinnvolle Vergütungsregelung erhalten bleibt, lediglich zur Unwirksamkeit der Leistungsabhängigkeit (blue-pencilTest).
Da das Arbeitsverhältnis im Jahr 2017 noch drei Monate bestand, schuldet die Beklagte dem Kläger eine Prämienzahlung in Höhe von % aus 15.000,- € brutto, somit 3.750,- € brutto.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung weiterer 216,24 € brutto wegen entgangener Nutzung des Firmenwagens.
Für die Zeit, in der ihm der auch zur privaten Nutzung überlassene Dienstwagen nicht mehr zur Verfügung stand, hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Nutzungsausfallentschädigung bereits im beantragten Umfang zugesprochen. Soweit er nun Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit begehrt, in der ihm der Pkw noch zur Verfügung stand, kann der Anspruch nicht nachvollzogen werden. Er hat in diesem Zeitraum die Nutzung des Pkw als Sachleistung erhalten. Der Anspruch wurde insoweit von der Beklagten erfüllt. Für eine Nutzungsausfallentschädigung ist deshalb kein Raum.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.