Arbeitsrecht

Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung

Aktenzeichen  6 Sa 461/13

Datum:
3.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138862
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 626
BetrVG § 103

 

Leitsatz

Die Kündigung ist wirksam, da nach einer Neuorganisation die vom Kläger noch ausübbaren Tätigkeiten seine alte Eingruppierung nicht mehr rechtfertigen und die Übernahme anderer Tätigkeiten einer jahrelangen Einarbeitung des Klägers bedürfen würde. Die Änderung ist auch zumutbar, da sich aufgrund betrieblicher Regelungen die Absenkung der Eingruppierung frühestens nach 20 Jahren für den Kläger finanziell auswirken würde. (Rn. 65 und 68)

Verfahrensgang

16 Ca 6197/12 2013-07-04 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 04.07.2013, Az.: 16 Ca 6197/12, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Änderungskündigung rechtswirksam ist. Auf die Ausführungen des Erstgerichts in den Entscheidungsgründen wird ausdrücklich Bezug genommen und von deren lediglich wiederholenden Darstellung daher abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind noch folgende Ausführungen veranlasst.
Der Einwand des Klägers, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, greift nicht durch. Der Kläger selbst macht zum einen geltend, dass eine Sozialauswahl nicht zu treffen war, so dass Angaben hierzu nicht erforderlich waren, unabhängig von der subjektiven Determinierung der Kündigungsgründe. Zum anderen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.12.2013 zutreffend erläutert, dass der Wegfall der bisherigen Stelle als Systemingenieur Administration Telefon Folge der Neuorganisation der i… GmbH im Bereich der Telefonanlagen war und der entsprechende Hinweis in der Betriebsratsanhörung genügte. Denn nach den unbestrittenen Darlegungen der Beklagten war der Betriebsrat darüber informiert, inwieweit sich diese Organisationsänderung auf die Arbeitsplätze sämtlicher betreffender Mitarbeiter und damit auch des Klägers auswirkte. Die entsprechende so genannte Personalbilanz sowie die technische Umsetzung waren danach dem Betriebsrat bekannt, wie insbesondere auch der Wegfall der Tätigkeiten „Administration Telefon“ in der H…straße. Hierauf hat der Kläger nicht erwidert, so dass diese Ausführungen als zugestanden anzusehen sind. Dem Betriebsrat ist im Übrigen in der Anhörung erläutert worden, weshalb sich die Beklagte zur Änderungskündigung entschlossen hat. Als Betriebsratsmitglied wäre es dem Kläger im Übrigen auch ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, Fehler der Betriebsratsanhörung substantiiert vorzutragen, was er entgegen § 138 Abs. 1 und 4 ZPO nicht getan hat. Nach alldem war die Betriebsratsanhörung insgesamt ordnungsgemäß. Der Betriebsrat hat auch die erforderliche Zustimmung zur Änderungskündigung des Klägers ohne weitere Anforderungen von Informationen erteilt.
Ebenso geht die Annahme fehl, das Erstgericht hätte einen falschen Prüfungsmaßstab seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Das Gericht hat sehr wohl geprüft und darüber befunden, ob die gegenüber dem Kläger ergriffene Maßnahme für den Arbeitgeber unabweisbar und für den Kläger zumutbar war. Soweit der Kläger meint, aus bestimmten aus dem Zusammenhang genommenen Sätzen zur Urteilsbegründung etwas anderes herauslesen zu können, so ist das mit der gesamten Begründung der Entscheidung nicht vereinbar. Insbesondere hat das Erstgericht geprüft, ob die Änderungskündigung für die Beklagte unabweisbar ist und im Rahmen dessen auch geprüft, ob mildere Mittel, wie ein Absehen von der Änderungskündigung oder deren zeitlichen Verschiebung zur Verfügung standen. Es hat sich damit mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes beschäftigt und die Prüfung nicht nur auf die Ebene der Zumutbarkeit der angestrebten Änderung für den Kläger verlagert.
Der Arbeitgeber muss bei einem Wegfall von Aufgaben bzw. des Beschäftigungsbedarfes nicht mit einer Kündigung warten, bis die Tätigkeiten tatsächlich weggefallen sind, sondern kann kündigen, wenn der Wegfall hier aufgrund der konkreten geplanten Neuorganisation demnächst erfolgt. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (hier der sozialen Auslauffrist) sollten die Tätigkeiten auch tatsächlich in Wegfall geraten, die die Eingruppierung des Klägers rechtfertigten. Bezüglich des Wegfalls von Tätigkeiten kann auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts verwiesen werden. Die Tätigkeit hinsichtlich der Betreuung der Anlagen vom Typ 2 ist weggefallen. Damit sind 40% seiner tatsächlichen Arbeitszeit in Wegfall geraten, die gerade auch unter anderem seine Eingruppierung in Entgeltgruppe 10 gerechtfertigt haben. Soweit der Kläger meint, dass die verbleibenden 20% seiner tatsächlichen und die genannten verbleibenden Tätigkeiten für Servicetechniker ohne Änderung seines Arbeitsverhältnisses ihm hätten angetragen werden können, so berücksichtigt der Kläger nicht die Wertigkeit dieser noch verbliebenen, perspektivisch aber weiter zurückgehenden Tätigkeiten. Die Beklagte hat vorgetragen und dies gilt als vom Kläger als zugestanden, dass diese von Servicetechnikern zu verrichtenden Tätigkeiten eine Wertigkeit nur nach Entgeltgruppe 8 bedeuten, wie auch die Servicetechniker tatsächlich eingruppiert sind. Die Eingruppierung folgt aber der Tätigkeit. Somit ergibt sich hierzu, dass auch bei Übernahme der auf die Servicetechniker übertragenen Aufgaben weder ein Vollzeitarbeits Platz für den Kläger bestanden hätte (ohne Berücksichtigung der Betriebsratstätigkeit) noch, dass er diese Tätigkeit ohne Änderung seines Arbeitsvertrages hätte übernehmen können, da die Eingruppierung zwingend angepasst werden muss. Dabei verhält der Kläger sich auch widersprüchlich, wenn er im Ersturteil moniert, dass die berücksichtigungsfähige Zeit für die Betriebsratstätigkeit nicht herausgerechnet werden dürfe, er dies aber bei der Beschäftigungsmöglichkeit dagegen macht, wenn er meint, dass sechs Mal 10% der Vollarbeitszeit eines Servicetechnikers für ihn einen vollwertigen Arbeitsplatz ergäbe. Aber selbst in diesem Fall wäre der Arbeitsvertrag zwingend zu ändern, da sich die Eingruppierung ändern würde. Entscheidend wäre aber letztlich, ob ein Vollzeitarbeits Platz zur Verfügung steht oder nicht.
Soweit der Kläger meint, dass er die Tätigkeiten anderer Mitarbeiter übernehmen könnte, die benannt worden sind, nach entsprechender Einarbeitungszeit, so ist festzustellen, dass alle benannten Arbeitnehmer höher eingruppiert sind als der Kläger, nämlich nicht in Entgeltgruppe 10, sondern in Entgeltgruppe 11 oder 12. Dem Begehren des Klägers, solche Tätigkeiten zugewiesen zu bekommen, steht damit schon entscheidend entgegen, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Anhebung seiner Eingruppierung bzw. Übertragung entsprechender Tätigkeiten, sprich auf „Beförderung“ hat. Die Beklagte kann ihm per Weisungsrecht nur gleichwertige Tätigkeiten (gemessen an der Eingruppierung) zuweisen. Es besteht keine Rechtspflicht – und hierfür konnte der Kläger nichts vorbringen – ihm höherwertige Aufgaben zu übertragen. Zur Übertragung der verbliebenen Arbeiten und anderer dem Kläger möglichen Arbeiten war der Arbeitsvertrag daher zu ändern. Der Kläger konnte in keiner Weise darlegen, dass seiner Eingruppierung entsprechende gleichwertige Tätigkeiten in ausreichendem Maße verbleiben würden.
Aus dem inhaltlich insoweit nicht angegriffenen Sachverständigengutachten ergibt sich auch, dass die neuere Anlage Anforderungen an ihre Betreuung stellt, die der Kläger bisher nicht erfüllt. Lediglich administrative Tätigkeiten können vom Kläger in diesem Zusammenhang erledigt werden mit seinem Kenntnisstand, die aber wiederum Servicetechnikern mit der anderen Eingruppierung übertragen werden. Es ergibt sich daraus keine Tätigkeit für den Kläger mit der Wertigkeit der Entgeltgruppe 10.
Unbehelflich ist die Einlassung des Klägers, dass er nach kurzer Einarbeitungszeit (drei Monate) die von den genannten Mitarbeitern ausgeübten Tätigkeiten an der neueren Anlage oder die anderen genannten Tätigkeiten in dieser Zeit übernehmen könnte. Soweit der Kläger auf kaufmännische Kenntnisse als Meister abstellt, ist dem entgegenzuhalten, dass die entsprechende Ausbildung schon sehr lange her ist und der Kläger auf keinerlei praktische Erfahrung in diesen Dingen verweisen kann. Im Übrigen hat das eingeholte Sachverständigengutachten für die neue Anlage die Auffassung der Beklagten bestätigt, dass es jeweils mit einer kurzen Einarbeitungsphase an dieser Anlage nicht getan wäre, wenn eine solche überhaupt erfolgreich sein könnte. Vielmehr wäre danach eine langfristige und intensive Weiterbildung und Einarbeitung nötig, die sich zeitlich auch über Jahre hinwegziehen kann. Dementsprechend hatten die aktuellen Stelleninhaber eine jahrlange Einarbeitungszeit einhergehend mit der Entwicklung der Technik erfahren. Dabei spielt es für die Entscheidung des Gerichts keine Rolle, dass der Gutachter die Sinnhaftigkeit einer solchen Weiterbildung und Einarbeitung aufgrund der Tätigkeit des Klägers im Betriebsrat mit dem entsprechenden Zeitanteil bezweifelt. Es wäre jedenfalls eine langwierige Weiterbildung und Einarbeitung des Klägers nötig, um die Änderungskündigung zu vermeiden. Diese Dauer wäre noch deutlich länger, wenn der Kläger, wie von ihm angesprochen, daneben noch mit verbleibenden bisherigen Tätigkeiten beschäftigt würde. Eine solche sich über wenige Jahre ziehende, wenig produktive Beschäftigung des Klägers ist aber erforderlich und dem Arbeitgeber nicht zumutbar, um das Arbeitsverhältnis nicht anpassen zu müssen. Dabei ist auch zu sehen, dass das Arbeitsverhältnis sich letztlich nur hinsichtlich der aktuellen Eingruppierung des Klägers ändert, dem Kläger aber über viele Jahre hinweg keinerlei finanzielle Einbußen dadurch entstehen. Eine mehr als ein Jahr nicht produktive Beschäftigung des Klägers führt zu einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis, das der Beklagten zur Vermeidung einer Kündigung nicht aufgezwungen werden kann. Im Übrigen ist für die Tätigkeit mit der neuen Anlage auf die Ausführungen des Erstgerichts zu verweisen. Administrative Tätigkeiten an der neuen Anlage können, wie bereits dargelegt, die Eingruppierung des Klägers in Entgeltgruppe 10 nicht rechtfertigen.
Soweit die Klagepartei Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters hegt im Hinblick auf dessen Äußerung, dass wegen der Beanspruchung des Klägers durch Betriebsratstätigkeit fraglich sei, ob eine Weiterbildung und Einarbeitung überhaupt sinnvoll sei, so mag dies aus Sicht des Gutachters, dass dadurch die Zeitspanne für die Schulung und Einarbeitung sich erheblich verlängert, nachvollziehbar sein. Dies spielt aber für die Entscheidung und die rechtlichen Gesichtspunkte keine Rolle, wie dargelegt. Es ergibt sich daraus allerdings, dass die Übertragung der Betreuung vom Anlagentyp 1 und daneben die Qualifikation auf den Anlagentyp 3 außerhalb deren Administration, wie vom Kläger bezeichnet, ebenso keinen Sinn machen würde bzw. zu einer deutlich längeren Phase der Einarbeitung führen würde.
Ein Ergänzungsgutachten ist entgegen der Ansicht des Klägers mit den angegebenen Fragestellungen nicht einzuholen. Die Fragen betreffen weder das Beweisthema oder sind nicht entscheidungsrelevant. Die Vorgaben für VOIP-Anlagen hat der Gutachter beschrieben. Die zweite Frage ist rechtlich nicht von Bedeutung, da es nicht darauf ankommt, inwieweit die Typ 3-Anlage bei Ausspruch der Kündigung oder Ablauf der Kündigungsfrist integriert war, sondern was bei Ausspruch der Kündigung geplant war und ob mit dessen Umsetzung begonnen war. Weiter käme es allenfalls noch auf den Betrieb alter Anlagen an, aber nicht, ob solche überhaupt noch existieren. Die weitere Frage, ob eine Fortbzw. Weiterbildung im Bereich VOIP-Anlagen-Technik (Typ 3) unter Berücksichtigung einer Arbeitserbringung von 100% realisierbar sei, hat der Gutachter bereits beantwortet, indem er dies grundsätzlich bejaht, aber auf die notwendige jahrelange Weiterbildung und Einarbeitung verweist und darüber hinaus aufgrund der Betriebsratstätigkeit dies aber für nicht zielführend erachtet. Es bedurfte hinsichtlich der konkreten Fragen daher auch keiner entsprechenden mündlichen Befragung des Sachverständigen gemäß §§ 397, 402 ZPO. Im Übrigen ist auf die inhaltlich nicht angegriffene Aussage der Zeugin C… zu verweisen, die sich aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichts ergibt.
Es ist daher festzuhalten, dass nach der Neuorganisation kein Arbeitsplatz mit den bisherigen Tätigkeiten des Klägers verbleibt und noch zu erledigende Tätigkeiten oder dem Kläger übertragbare Aufgaben nicht mehr der Entgeltgruppe 10 des Klägers entsprechen. Die Beklagte war daher gezwungen, dem Kläger Tätigkeiten zu übertragen, die dieser zumindest nach kurzer Einarbeitungszeit erledigen kann und die Eingruppierung des Klägers diesen Tätigkeiten anzupassen. Für die vom Kläger angeführten Tätigkeiten, die er zusätzlich erledigen könnte, wäre jedenfalls eine unzumutbare jahrelange Weiterbildung und Einarbeitung notwendig. Die Änderungskündigung war daher für die Beklagte unabweisbar. Diese war, wie vom Erstgericht ausgeführt, für den Kläger aufgrund der betrieblichen Regelung zur Lohnsicherung auch zumutbar. Finanziell wirkt sich die Änderungskündigung für den Kläger erst nach vielen Jahren aus. Die Beklagte hat sich mit der Änderungskündigung auch auf das unbedingt erforderliche Maß der Änderung beschränkt.
Das Änderungsangebot ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger zwei Möglichkeiten zur Lohnsicherung angeboten hat. Dies macht das Angebot nicht unklar, sondern war zwingend erforderlich, da nur der Kläger die Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten der Lohnsicherung ausüben kann.
Nach alldem hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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