Aktenzeichen 2 AZR 593/14
§ 613a Abs 1 BGB
§ 626 Abs 1 BGB
§ 102 BetrVG
§ 4 S 1 KSchG
§ 7 KSchG
§ 85 SGB 9
§ 59 ZPO
§ 60 ZPO
§ 62 ZPO
§ 138 ZPO
§ 268 ZPO
§ 286 Abs 1 ZPO
§ 533 ZPO
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Erfurt, 26. November 2010, Az: 8 Ca 482/10, Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 23. Juli 2014, Az: 6 Sa 200/13, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. Juli 2014 – 6 Sa 200/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Die 1962 geborene Klägerin wurde 1982 von der D T AG eingestellt. Ihr Arbeitsverhältnis, das nach § 10 UTV iVm. § 7 TV Sonderregelungen iVm. § 26 MTV DT AG betriebsbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, ging zum 1. Mai 2007 auf die Beklagte zu 2. über.
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Die Beklagte zu 2. beschäftigte die Klägerin als Call-Center-Agentin zu den bei ihrer Betriebsvorgängerin geltenden Bedingungen weiter. Mit neu eingestellten Arbeitnehmern vereinbarte sie deutlich schlechtere Konditionen. Im Juli 2008 bot sie den übernommenen Mitarbeitern an, mit Wirkung zum 1. Januar 2009 neue Arbeitsverträge abzuschließen. Darin waren eine Verlängerung der Arbeitszeit, der Wegfall sämtlicher Sonderzahlungen und eine Absenkung der Vergütung bei Zahlung einer Besitzstandszulage bis zum Jahr 2012 vorgesehen. Das Angebot wurde von 44 Arbeitnehmern – unter ihnen die Klägerin – abgelehnt (sog. Nein-Sager).
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Bis mindestens zum Sommer 2009 konnten alle Mitarbeiter von ihren Arbeitsplätzen aus sowohl Backoffice-Tätigkeiten als auch Call-Center-Arbeiten verrichten. Sodann wurden die „Nein-Sager“ einem Bereich zugeordnet, in dem sie ausschließlich Backoffice-Tätigkeiten in Gleitzeit von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr im Zweischichtmodell auszuüben hatten. Im Call-Center-Bereich wurden in einem Großraumbüro mit Telefontätigkeiten im 24-Stunden-Takt die neu eingestellten Mitarbeiter sowie diejenigen übernommenen Arbeitnehmer beschäftigt, die sich mit der Änderung der Arbeitsverträge einverstanden erklärt hatten (sog. Ja-Sager).
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Im Oktober 2009 entschied die Beklagte zu 2., ihren Betrieb zum 7. Dezember 2009 in diese beiden Bereiche förmlich aufzuspalten und die damit entstehenden eigenständigen Betriebe zum 1. Januar 2010 an die Beklagte zu 1. (Call-Center) und eine andere Gesellschaft (Backoffice) zu verpachten. In einer Betriebsvereinbarung verzichteten die künftigen Pächterinnen bis zum 31. Dezember 2010 darauf, betriebsbedingte Kündigungen gegenüber den von der Aufspaltung und Verpachtung betroffenen Arbeitnehmern zu erklären. Für die „Ja-Sager“ galt der Kündigungsverzicht bis zum 30. April 2012.
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Mit Schreiben von Ende Dezember 2009 widersprach die Klägerin – als eine von insgesamt elf Arbeitnehmern – dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Pächterin des Betriebs Backoffice und bot ihre Arbeitsleistung für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 der Beklagten zu 1. an.
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Mit E-Mail vom 20. Januar 2010 hörte die Beklagte zu 2. den nach den Betriebsübergängen bei der Beklagten zu 1. amtierenden Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin betriebsbedingt außerordentlich mit Auslauffrist, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat nahm die E-Mail am 21. Januar 2010 zur Kenntnis. Er gab keine Stellungnahme ab.
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Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 kündigte die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wie geplant jeweils zum 30. September 2010.
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Im Januar und März 2011 nahm die Pächterin des Betriebs Backoffice an zwei Ausschreibungen großer Unternehmen teil. Zum 31. Dezember 2012 legte sie ihren Betrieb still.
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Im hiesigen Rechtsstreit hat die Klägerin vorrangig ua. die Feststellung begehrt, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 1. seit dem 1. Januar 2010 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag hat sie feststellen lassen wollen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. durch deren Kündigungen vom 17. Februar 2010 nicht aufgelöst worden sei. Zur Begründung des Kündigungsschutzantrags hat sie gemeint, die Beklagte zu 2. habe den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs missbräuchlich herbeigeführt. Dazu hat sie behauptet, diese habe ihren Betrieb nur aufgespalten, um im weiteren Fortgang den „Nein-Sagern“ kündigen zu können. Deren Zusammenfassung in einem – anschließend verselbständigten – Bereich sei nicht durch unterschiedliche Arbeitsbedingungen gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte zu 2. habe von Anfang an beabsichtigt, den nach ihrer Ansicht unrentablen Betrieb Backoffice auf eine andere Gesellschaft zu übertragen und von dieser stilllegen zu lassen. Ihr damaliger Geschäftsführer habe erklärt, man wolle sich von den „Nein-Sagern“ trennen und wisse, wie man dies tun könne, obwohl sie besonderen Kündigungsschutz genössen. Selbst wenn die von der Beklagten getroffenen Organisationsentscheidungen hinzunehmen sein sollten, sei sie wegen der „konzernrechtlichen Strukturen“ auf einem freien Arbeitsplatz bei der Beklagten zu 1. weiterzubeschäftigen. Zudem sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Die Klägerin hat – soweit noch streitgegenständlich – beantragt
festzustellen, dass die Kündigungen der Beklagten zu 2. vom 17. Februar 2010 das zwischen ihr und der Beklagten zu 2. bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30. September 2010 beendet haben.
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Die Beklagte zu 2. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, Betriebsaufspaltung und Verpachtungsentscheidung seien rechtlich nicht zu beanstanden. Dazu hat sie behauptet, die Änderungsangebote seien unterbreitet worden, weil die Vergütung und die sonstigen Arbeitsbedingungen der übernommenen Arbeitnehmer sich als nicht marktgerecht erwiesen hätten. Die „Nein-Sager“ seien in einem eigenen Arbeitsbereich „gebündelt“ und von den anderen Mitarbeitern getrennt eingesetzt worden, damit der Betriebsfrieden nicht beeinträchtigt werde. Den bei der Beklagten zu 1. residierenden Betriebsrat habe sie vor Ausspruch der Kündigungen – vorsorglich – ordnungsgemäß angehört.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Hauptanträgen stattgegeben. Auf die Revisionen beider Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2013 (- 8 AZR 879/11 -) das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Hauptanträge wiederhergestellt. Bezüglich des hilfsweise gestellten Kündigungsschutzantrags hat es den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung nach neuer Verhandlung und Entscheidung auch insoweit zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Kündigungsschutzantrag weiter.