Aktenzeichen AN 1 K 17.00582
VersAusglG § 27, § 32 Nr. 1, § 37
VwGO § 113 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Leitsatz
1. Bei der Begrenzung des Wegfalls der Versorgungskürzung auf Fälle des Rentenbezugs von bis zu 36 Monaten ist für die Berechnung des Bezugszeitraums alleine die Zeit des Versorgungsbezuges bis zum Tod der ausgleichsberechtigten Person maßgeblich; damit werden Zeiten, in denen keine Leistungen bezogen wurden, nicht berücksichtigt, so dass auch eine Unterbrechung denkbar ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter den Begriff der Versorgung fallen sowohl Leistungen der Altersversorgung als auch der Versorgung wegen Invalidität; ob die Versorgung als Teilrente oder nur teilweise gewährt wird, ist unerheblich. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Sachverhalt:
Der am …1953 geborene Kläger ist Beamter der Beklagten und ist am 1. Juni 2011 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten.
Mit Urteil des Amtsgerichts … vom 11. Mai 2009 wurde die Ehe des Klägers geschieden und wurden Rentenanwartschaften von monatlich 527,60 EUR zu Lasten der Versorgung des Klägers begründet.
Mit Festsetzungsbescheid vom 22. Juni 2011 wurden die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung des angepassten Kürzungsbetrages für den Versorgungsausgleich in Höhe von 557,05 EUR festgesetzt.
Die geschiedene Ehefrau des Klägers bezog im Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Oktober 2014 sowie vom 1. Dezember 2014 bis 31. Oktober 2015 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie verstarb am … 2015.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 beantragte der Kläger die Aussetzung der Kürzung im Eheversorgungsausgleich. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 31. März 2016 mit, dass die Prüfung ergeben habe, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers insgesamt 36 Monate eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen habe, so dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Kürzung nach Art. 92 BayBeamtVG nicht erfüllt seien.
Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 10. April 2016 an den Bayerischen Versorgungsverband die „Anwendung von Härteregelung aus dem Versorgungsausgleich“ und legte gleichzeitig Widerspruch gegen das Schreiben der Beklagten vom 31. März 2016 ein. Er machte geltend, dass seine verstorbene Ex-Ehefrau nur eine Teilrente erhalten habe, er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden und zudem schwerbehindert sei.
Aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses vom 15. Februar 2017 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2017, den Bevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbestätigung zugegangen am 27. Februar 2017, zurückgewiesen.
Die Bevollmächtigten des Klägers erhoben mit Schriftsatz vom 27. März 2017, beim Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax eingegangen am selben Tag, Klage mit den Anträgen:
I. Der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag des Klägers vom 28. Oktober 2015 auf Aussetzung der Kürzung wegen Eheversorgungsausgleich zuzustimmen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die verstorbene geschiedene Ehefrau des Klägers eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und damit keine Vollrente bezogen habe. Sie habe für die Dauer von 39 Monaten, allerdings nicht durchgehend, Leistungen der Deutschen Rentenversicherung bezogen. Aus Sicht des Klägers sei nicht gesichert, dass die geschiedene Ehefrau Rente aus dem übertragenen Anrecht erhalten habe und dass die Voraussetzungen der §§ 32, 37, 38 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) vorlägen. Nach Überzeugung des Klägers habe sich die Beklagte zu Unrecht darauf berufen, dass für die Prüfung der Voraussetzungen nach § 37 Abs. 2 VersAusglG nicht von Belang sei, dass die geschiedene Ehefrau lediglich eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen habe. In der Härteregelung werde auf eine Bezugsdauer einer „Vollrente“ Bezug genommen. Da die geschiedene Ehefrau des Klägers lediglich eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten habe lägen die Voraussetzungen für eine Anwendung der Härteregelung auf Absehen von der Kürzung der Versorgungsbezüge nach Art. 92 BayBeamtVG vor. Die Umsetzung der Kürzung seit der Ruhestandsversetzung zum 1. Juni 2011 bedeute für den Kläger eine erhebliche Belastung und eine besondere Härte. Der Kläger würde auf Dauer in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht werden.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017:
a) Die Klage wird abgewiesen.
b) Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung der Beklagten sei rechtmäßig, da die Voraussetzungen für die Aussetzung der Kürzung nach Art. 92 BayBeamtVG nicht vorlägen. Gemäß § 37 Abs. 1. S. 1, Abs. 2 VersAusglG werde bei Tod der ausgleichsberechtigten Person ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleiches gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen habe. Die verstorbene, geschiedene Ehefrau des Klägers habe eine Rente wegen Erwerbsminderung über einen Zeitraum von insgesamt 39 Monaten bezogen. Es sei unerheblich, dass es sich um eine Teilrente gehandelt habe, da § 37 VersAusglG nur darauf abstelle, dass es sich um ein im Versorgungsausgleich erworbenes Anrecht handele, nicht aber in welcher Höhe dieses realisiert werden müsse. Aus den Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung gehe hervor, dass es sich bei der Rente der verstorbenen geschiedenen Ehefrau des Klägers um ein im Versorgungsausgleich erworbenes Anrecht gehandelt habe. Die Rente habe sich aus insgesamt 46,0021 Entgeltpunkten berechnet, wovon 19,8645 Entgeltpunkten aus dem Versorgungsausgleich stammten. Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei unter Berücksichtigung der begründeten Anwartschaften berechnet und erst anschließend mit dem sogenannten Rentenartfaktor von 0,5 wegen der teilweisen Erwerbsminderung multipliziert worden. Für den Anteil von 19,8645 Entgeltpunkten seien auch für die Zeiträume des Rentenbezugs jährlich Erstattungsleistungen vom Bayerischen Versorgungsverband angefordert und von diesem für die Beklagte beglichen worden.
Die Schwerbehinderung des Klägers sowie seine finanzielle Situation seien keine Gründe, für die das VersAusglG eine Aussetzung der Kürzung vorsehe.
Zudem wurde die Beiladung der Bayerischen Versorgungskammer angeregt.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2017 betonten die Bevollmächtigten Klägers nochmals, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers eine Teilrente, und dies nicht ununterbrochen, bezogen habe. Auch sei es nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit die im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften bei der Bemessung der Teilrente berücksichtigt worden seien.
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 29. August 2017, dass die Regelung des § 37 Abs. 2 VersAusglG nur auf die Dauer des Rentenbezugs abstelle. Ein ununterbrochener Bezug sei danach nicht erforderlich. Sinn der Vorschrift sei, dass eine Kürzung des Ausgleichspflichtigen nicht mehr vorzunehmen sei, wenn der Berechtigte keine oder nur geringe Leistungen aus dem Anrecht bezogen habe. Bei bis zu 36 Monaten Bezugsdauer gehe man von einer solchen geringen Leistung aus.
Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises, dass bezüglich des Bayerischen Versorgungsverbandes weder ein Fall der notwendigen noch der einfachen Beiladung vorliege, verzichtete die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 2018 auf eine förmliche Entscheidung über eine Beiladung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten und wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 31. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat seinen Anpassungsantrag mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 gestellt. Daher findet hier, da der Antrag nach dem 1. September 2009 gestellt wurde, das VersAusglG Anwendung. Insoweit gilt die allgemeine Inkrafttretensregelung des Art. 23 Satz 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) zum 1. September 2009 (VG Augsburg, U.v. 9.11.2017 – Au 2 K 17.323, juris).
2. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 37 VersAusglG liegen nicht vor. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist. § 37 Abs. 2 VersAusglG enthält jedoch die Einschränkung, dass die Anpassung nach Absatz 1 nur stattfindet, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat.
Die Begrenzung des Wegfalls der Versorgungskürzung auf Fälle des Rentenbezugs von bis zu 36 Monaten ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Regelung verstößt insbesondere nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 1, oder Art. 3 Abs. 2 GG (BVerfG, U.v. 5.7.1989 – 1 BvL 11/87 u.a. – DVBl 1989, 871; OVG NW, B.v. 16.2.2016 – 1 A 304/15 – juris Rn. 7 f.; VG Saarlouis, U.v. 16.7.2015 – 2 K 17/14 – juris Rn. 30 ff.; VG Köln, U.v. 10.12.2014 – 23 K 3548/13 – juris Rn. 21 ff.; VG Ansbach, U.v. 1.2.2011 – AN 1 K 10.02237 – juris Rn. 37 ff.; VG Augsburg, a.a.O.).
Vorliegend hat die am … 2015 verstorbene frühere Ehefrau des Klägers nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 11. Dezember 2015 in der Zeit vom 1. Juli 2012 bis 31. Oktober 2014 und in der Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Oktober 2015, also 39 Monate lang, eine Rente aus dem seit 23. Juni 2009 rechtskräftigen Scheidungsurteil des Amtsgerichts … vom 11. Mai 2008 (Az. …*) geregelten Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht bezogen.
Dabei zählt das zu Gunsten der früheren Ehefrau des Klägers begründete Anwartschaftsrecht auch zu den anpassungsfähigen Anrechten im Sinne des § 32 Nr. 1 VersAusglG. Das bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründete Anrecht, aus dem nach der mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 erteilten Auskunft 39 Monate (Erwerbsminderungs-)Rentenleistungen von der früheren Ehefrau des Klägers bezogen wurden, zählt jedenfalls zu den Regelungssicherungssystemen und fällt damit unter § 32 Nr. 1 VersAusglG (s. hierzu BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12 u.a. – NJW 2014 – 2093; BVerwG, B.v. 31.5.2012 – 8 B 6.12 – FamRZ 2012, 1565; VG Augsburg, a.a.O.; Norpoth/Sasse, in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 27 VersAusglG Rn. 2).
Für die Berechnung des Bezugszeitraums ist alleine die Zeit des Versorgungsbezuges bis zu deren Tod maßgeblich. Zeiten, in denen keine Leistungen bezogen wurden, werden nicht berücksichtigt. Insoweit ist auch eine Unterbrechung – wie vorliegend – denkbar (Münchener Kommentar/Siede, 7. Auflage 2017, VersAusglG § 37 Rn. 8, 10).
Auch fallen unter den Begriff der Versorgung sowohl Leistungen der Altersversorgung als auch der Versorgung wegen Invalidität. Ob die Versorgung als Teilrente oder nur teilweise gewährt wird, ist unerheblich (Münchener Kommentar, a.a.O., VersAusglG § 37 Rn. 8).
Damit scheidet die vom Kläger mit Schreiben vom 28.Oktober 2015 beantragte Anpassung der Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen des über den Zeitraum von 36 Monate hinaus erfolgten Rentenbezugs der ausgleichsberechtigten früheren Ehefrau grundsätzlich aus.
Ein Anspruch auf Anpassung der Kürzung der Versorgungsbezüge wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG) oder aus Gründen einer in der Person des Klägers liegenden besonderen Härte, besteht nicht. Die weiterhin erfolgende Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers trotz des Versterbens seiner früheren Ehefrau und des damit verbundenen Wegfalls der Leistungspflicht der Deutschen Rentenversicherung Bund aus dem aufgrund des Versorgungsausgleichs zugunsten der früheren Ehefrau dort begründeten Anwartschaftsrecht ist weder verfassungswidrig, noch stellt sie sich als unzulässige Rechtsausübung durch die Beklagte dar.
Aus systematischen Gründen ist eine Härtefallregelung im Einzelfall neben § 37 VersAusglG nicht möglich, da der Gesetzgeber in dieser Bestimmung die Auswirkungen des Todes des Ausgleichsberechtigten für den Versorgungsausgleich ausdrücklich (abschließend) geregelt hat. Liegen die in § 37 Abs. 2 VersAusglG normierten zeitlichen Voraussetzungen für eine Anpassung nicht vor, kann ein Anspruch auf Anpassung auch nicht auf § 27 VersAusglG gestützt werden (vgl. z.B. OVG NW, B.v. 16.2.2016 – 1 A 304/15 – juris Rn. 6; VG Köln, U.v. 10.12.2014 – 23 K 3548/13 – juris Rn. 19; VG Neustadt (Weinstraße), U.v. 12.3.2014 – 1 K 600/13.NW – juris Rn. 20; VG Düsseldorf, B.v. 28.12.2012 – 23 K 6741/11 – juris; VG Augsburg, a.a.O; Breuers in jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 37 VersAusglG Rn. 19). Im Übrigen wäre § 27 VersAusglG auf den nachträglichen Eintritt von Härtegründen nicht anwendbar (vgl. z.B. BGH, B.v. 11.10.2006 – XII ZB 39/03 – NJW 2007, 433 m.w.N.; Norpoth/Sasse, a.a.O., Rn. 3). Damit scheidet in diesen Fällen auch die Anwendung von Generalklauseln, wie § 242 BGB, aus. Ausgeschlossen ist damit die Berücksichtigung der Schwerbehinderung und der mit der vorzeitigen Ruhestandsversetzung verbundenen finanziellen Einbußen bei den Ruhestandsbezügen als besondere persönliche Härte (vgl. zu allem VG Augsburg, a.a.O).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO).