Aktenzeichen 33 Ca 11011/19
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 77,90%, der Kläger zu 22,10%.
4. Der Streitwert wird auf € 215.309,32 festgesetzt.
Gründe
Weder Klage noch Widerklage haben Erfolg.
A.
Die Klage ist teils unzulässig, im Übrigen unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist infolge der Kündigung vom 27.09.2019 außerordentlich fristlos beendet worden.
I.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, § 2 Abs. 1 Nr. 3a), b) ArbGG.
II.
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München ergibt sich aus § 48 Abs. 1a ArbGG.
III.
Der Klageantrag zu 3. ist unzulässig, denn ihm fehlt das Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO. Über die streitgegenständliche Kündigung hinaus sind keine weiteren Beendigungstatbestände im Verlaufe des Rechtsstreits zwischen den Parteien streitig oder auch nur ersichtlich geworden, so dass ein Interesse des Klägers fehlt, den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Übrigen, das heißt abgesehen von der streitgegenständlichen Kündigung vom 27.09.2019, durch das Arbeitsgericht feststellen zu lassen. Hierauf ist der Kläger auch hingewiesen worden. Im Übrigen bestehen an der Zulässigkeit der weiteren Anträge keine Bedenken, insbesondere hat der Kläger mit den Klageanträgen zu 1. und zu 2. jeweils einen besonderen Feststellungsantrag nach §§ 4, 7 KSchG gestellt, für den ohne Weiteres ein Feststellungsinteresse besteht.
IV.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.
1. Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis infolge der außerordentlichen Kündigung vom 27.09.2019 mit deren Zugang am 28.09.2019 beendet ist.
a) Die außerordentliche Kündigung vom 27.09.2019 gilt nicht bereits gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 2, 4 S. 1, 7 KSchG als wirksam. Die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG ist auch bei außerordentlichen Kündigungen einzuhalten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da der Kläger weit länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG bei der Beklagten tätig ist und diese mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Der Kläger hat gegen die ihm am 28.09.2019 zugegangene Kündigung mit bei Gericht am 09.10.2019 eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben. Die Kündigungsschutzklage ist der Beklagten am 16.10.2019 zugestellt worden. Damit hat der Kläger die nach §§ 4, 7 KSchG erforderliche dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt.
b) Die außerordentliche Kündigung vom 27.09.2019 ist wirksam. Es liegen hinreichende Gründe iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor.
aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zu prüfen ist zunächst, ob der Sachverhalt „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Auf einer zweiten Stufe erfolgt die Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles (st. Rspr., vgl. etwa BAG vom 16.12.2010 – 2 AZR 485/08).
bb) Auch Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund iSv § 626 Abs. BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG vom 25.04.2018 – 2 AZR 611/17 Rn. 43, 44). Zu den Nebenpflichten gehört auch die Schadensabwendungspflicht, nach welcher der Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. In Zusammenhang damit steht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bemerkbare oder voraussehbare Schäden oder Gefahren dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. Verstößt der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt (BAG vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 Rn. 43).
cc) Als Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243). Eine solche Verdachtskündigung ist nur dann wirksam, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die einen verständigen Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden. Die Verdachtsmomente müssen geeignet sein, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (st. Rspr., vgl. nur BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 Rn 51 mwN.). Es muss sich um Tatsachen handeln, die eine außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Der Verdacht muss sich auf eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beziehen, folglich auf eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Vertragsverletzung (BAG vom 27.11.2008 – 2 AZR 98/07). Die strafrechtliche Bewertung der Handlung ist allenfalls sekundär, maßgeblich ist auf die Intensität des Verstoßes gegen die vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten abzustellen (BAG vom 25.11.2010 – 2 AZR 801/09). Die Verdachtskündigung ist weiter nichts als ein Anwendungsfall des Rechtssatzes, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung immer dann vorliegt, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für vorübergehende Zeit unter Berücksichtigung der Interessen des einen Vertragsteiles dem anderen Vertragsteil nicht mehr zuzumuten ist. Nicht nur die erwiesene Tat, die von der Rechtsordnung missbilligt wird, sondern auch schon der dringende Verdacht, eine solche Tat begangen zu haben, kann einem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entziehen oder das Arbeitsverhältnis unerträglich belasten (BAG vom 04.06.1964 – 2 AZR 310/63). Wird die Kündigung von Arbeitgeberseite zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Handels begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts (bspw. aufgrund einer Beweisaufnahme) die Pflichtwidrigkeit fest, so lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung aus materiellrechtlichen Gründen unberührt. Das Gericht ist nicht gehindert, die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund anzuerkennen. Hat der Arbeitgeber lediglich eine Verdachtskündigung ausgesprochen und auch im Kündigungsschutzprozess keine Tatkündigung nachgeschoben, so kann das Gericht trotzdem sein Urteil darauf stützen, dass sich der Verdacht als Kündigungsgrund in seiner schärfsten Form erwiesen hat, dass nämlich das Gericht von der Tatbegehung überzeugt ist (BAG vom 03.07.2003 – 2 AZR 437/02).
dd) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 Rn. 17).
ee) Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die die Kündigung rechtfertigen. Ihn trifft auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei braucht der Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungsund Beweislast gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung für sein Verhalten herleitet, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber die Überprüfung der Angaben und im Falle, dass er sie für unrichtig hält, auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht (BAG, Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 15/07, NZA 2009, 193 Rn 23).
ff) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist das Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall an sich und auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
(1) Auf Basis des beiderseitigen Vortrags ergibt sich, dass der Kläger seine ihm gegenüber der Beklagten obliegenden Rücksichtnahme- und Treuepflichten bei der Ausübung seiner Tätigkeit erheblich verletzt hat, sodass der damit einhergehende Vertrauensverlust eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Der Kläger als verantwortlicher Projektleiter hat seine Arbeitsleistung nicht lauter erbracht und hat derartiges Verhalten der ihm fachlich unterstellten Mitarbeiter nicht unterbunden. Dadurch hat er die Beklagte der Gefahr ausgesetzt, allein aufgrund dieses Verhaltens nicht im Rahmen einer Ausschreibung berücksichtigt zu werden, was zu hohe wirtschaftlichen Schäden führen kann.
Das unlautere Handeln des Klägers liegt in der Verwendung der streitgegenständlichen FFF-Dokumente. Dabei handelt sich unstreitig um interne Dokumente des potentiellen Kunden Bundeswehr, die nicht zur Kenntnisnahme außerhalb der befassten Behörden bestimmt sind. Der Kläger kannte den Beschaffungsprozess, wie sich aus seinen ausführlichen Darstellungen im Prozess ergibt. Er wusste, dass die ihm zugewiesenen Projekte sich in der Analysephase befanden. Er kannte die Regeln des CMP und die Bedeutung eines FFF-Dokuments. Er wusste, dass es sich um ein internes Papier der Bundeswehr aus der Analysephase handelt und dass erst der ausgewählte Lösungsvorschlag bekannt gegeben wird. Er wusste, dass die Beklagte bei den konkreten Projekten nicht zum Besitz der FFF-Dokumente berechtigt war, denn ihm war bekannt, dass die Beklagte nicht offiziell im Rahmen einer Industriebeteiligung mit der Bundeswehr bzw. den verantwortlichen Behörden zusammenarbeitete. Die Beklagte hat dies entsprechend vorgetragen. Der Kläger hat dies nicht erheblich bestreiten können. Im Gegenteil hat er selbst in der Kammerverhandlung vorgetragen, dass in der Analysephase (um die es hier geht) auch die Fachbereiche der Bundeswehr beteiligt waren und er mit seinem Team in die Dialoge mit diesen Bereichen eingebunden war. Jegliche offizielle Beteiligung der Beklagten, sei als Teil des IPT, sei es im Rahmen von Studien wäre ihm daher bekannt gewesen.
Als unlauter erweist sich das beschriebene Verhalten, weil es zu einem Mitwirkungs- bzw. Bewerbungsverbot der Beklagten wegen einer Vorbefassung hätte führen können. Das kann sich aus den allgemeinen aus § 97 GWB resultierenden Grundsätzen, insbesondere dem Wettbewerbsgebot und dem Gleichbehandlungsgebot, ergeben. Wer als potentieller Auftragnehmer ein internes Planungsdokument – noch vor den Mitbewerbern – in Händen hält, verschafft sich einen Wissensvorsprung, den das Vergaberecht als problematisch ansieht. Insoweit kommt – entgegen der Ansicht des Klägers – auch einem FFF-Dokument wettbewerbliche Relevanz zu. Dass der Kläger diese grundlegenden Prinzipien einer Ausschreibung als der für die Auftragsgewinnung zuständige Projektleiter nicht kennt, erscheint nicht plausibel. Dabei spielt es keine Rolle, dass er erst im Juli 2017 in den Verteidigungsbereich der Beklagten gewechselt ist, denn diese Problematik besteht in allen Bereichen der öffentlichen Auftragsvergabe, auch im Bereich Raumfahrt, in dem der Kläger zuvor tätig gewesen ist. Zudem entsprach das Handeln nicht den bei der Beklagten geltenden Compliance-Regeln, hier konkret niedergelegt in der Richtlinie „Competitive Intelligence“, Stand Juli 2017. Sie galt also im streitgegenständlichen Zeitraum und es ist von einer Kenntnis des Klägers hiervon auszugehen. Die Ausführungen des Klägers, eine Zustellung bzw. zur Kenntnisbringung der Richtlinien an ihn habe die Beklagte an keiner Stelle nachgewiesen, stehen nicht entgegen. Ausreichend ist, dass – wie von der Beklagten vorgetrageneine Veröffentlichung im Intranet erfolgt ist und sich die Verbindlichkeit aus der Regelung selbst ergibt, was vorliegend der Fall ist (siehe Präambel: „Die vorliegenden Guidelines […] enthalten Informationen dazu, wie sich Mitarbeiter […] verhalten müssen…“). In Ziffer 3. der Richtlinie heißt es ausdrücklich, dass geschützte Informationen Dritter, z.B. zu technischen Daten oder Preisangaben, nicht angenommen werden dürfen, wenn der Eigentümer der Freigabe nicht zugestimmt hat. Daraus ergibt sich nochmal ganz klar, dass ein internes FFF-Dokument, das derartige geschätzte Informationen enthält, nämlich zum festgestellten Bedarf sowie Angaben zu den Kosten bzw. dem Finanzbedarf des jeweiligen Vorhabens, darunterfällt. Eine Freigabe im Sinne der Richtlinie ist nur bei einer offiziellen Industriebeteiligung anzunehmen. Diese gab es bei den fraglichen Beschaffungsprojekten in Bezug auf die Beklagte aber nicht.
Dass der Kläger sich hier rechtswidrig verhielt, geht auch aus seiner Kommunikation gemäß den Findings hervor. Zwar mag die FFF+ MoTaKo, die der Kläger am 25.07.2017 von Herrn G erhielt, noch Wasserzeichen der Beklagten aufgewiesen haben, sodass eine Freigabe durch den Kunden zumindest möglich erschien. Allerdings findet sich dieses Wasserzeichen unstreitig nicht auf dem FFFDokument MoTIV. Dieses hat der Kläger, wie sich aus seiner Mail vom 19.12.2017 ergibt, von seinem KAM Herrn Kl erhalten, wobei er es als „Umschlag“ bezeichnet. Herr Kl hatte zuvor angekündigt, eine derartige „Hardcopy“, also ein Dokument in Papierform, an Herrn Gr zu geben. Wenn Herr Kl hier nun schreibt, die Kopie solle „gaaaaanz tief in der Schublade“ verschwinden, zeigt das im Kontext, dass der KAM Herr Kl sehr genau wusste, dass er das Dokument nicht hätte haben dürfen. Er teilt diese Einschätzung auch ganz offen mit Herrn Gr, an den die Mail adressiert ist, und dem Kläger, der sie in „cc“ erhält; zudem wird der Kläger in der Mail noch direkt angesprochen („bekommt Anfang der Woche von mir die FFF MoTIV in Hardcopy…“). Dass er sie nicht gelesen haben will, erscheint als Schutzbehauptung, denn in der Mail vom 19.12.2017 nimmt der Kläger genau auf den angekündigten Ablauf Bezug („Du hattest mir vor kurzem einen Umschlag mitgebracht bzgl. MoTIV.“). Bezogen auf die FFF SATCOMBw3 ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier weist der Kläger in der E-Mail vom 06.03.2018 an sein Team darauf hin, dass ein Zugang zum FFF schwierig sei, fordert aber z.B. den ihm fachlich unterstellten Mitarbeiter Herrn Kr auf, Augen und Ohren offen zu halten. Diese Aufforderung wäre überflüssig, wenn es einen offiziellen Weg gegeben hätte, das Dokument von der Bundeswehr bzw. vom BMVg zu erhalten. Der Kläger erweist sich nicht nur – wie von ihm dargestellt – als „passiver“ nichts ahnender Empfänger von Dokumenten, sondern wie gezeigt, war er sich der Bedeutung, aber auch der Brisanz der Dokumente bewusst. Spätestens am 01.12.2017 hätte der Kläger als Projektleiter jedoch bgzl. des FFF MoTIV zumindest Anlass zur Nachfrage gehabt, um was für Dokumente es sich handelt und ob seine Teammitglieder berechtigter Weise in deren Besitz sind, denn er wusste, dass es bei einer offiziellen Beteiligung der Beklagten keinen Grund gegeben hätte, Dokumente der Bundeswehr „gaaaaaanz unten“ in der Schublade verschwinden zu lassen. Dessen ungeachtet hat der Kläger sie in seinem Team weiter verteilt, z.B. per E-Mail vom 07.12.2017 den Entwurf der FFF MoTIV, z.B. durch die Aufforderung an Herrn Ka am 25.04.2018, die FFF MoTIV an alle zu verteilen.
Nicht gehört werden kann der Kläger mit seinem Einwand, am 02.10.2018 sei betreffend das Projekt „D-LBO“ eine Auswahlentscheidung zugunsten des Lösungsvorschlags der Firma b getroffen worden, sodass die Einstufung der FFF-Dokumente MoTIV und MoTaKo als VS-Sache nachträglich obsolet geworden sei. Das dem Kläger hier vorzuwerfende Verhalten spielt sich vor dem 02.10.2018 ab. Soweit der Kläger sich darauf beruft, Inhalte des FFF SAT- COMBw3 seien auf einer Konferenz im November 2017 vorgestellt worden, ist schon nicht ersichtlich, um welche Inhalte genau es sich handeln soll, sodass der Kläger seiner sekundären Vortragslast nicht genügt. Auch der weitere Einwand des Klägers, er habe alle Regeln in Bezug auf den Umgang mit Verschlusssachen beachtet, greift nicht durch. Es geht nicht um seinen Umgang mit VS-Sachen allgemein, sondern konkret um seinen Umgang mit den fraglichen FFF-Dokumenten. Deren Brisanz im vorliegenden Fall besteht unabhängig von einer generellen Einstufung als „VS-NfD“ vor allem darin, dass es sich um interne Papiere eines möglichen Kunden handelt. Es ist zwar nicht in Abrede zu stellen, dass der Kläger nach den arbeitsvertraglichen Regelungen ermächtigt war, als „VS-NfD“ gekennzeichnete FFF-Dokumente zu erhalten und ggf. intern weiterzugeben. Dies konnte aber berechtigter Weise erst ab dem Zeitpunkt der Freigabe des Dokuments durch den jeweiligen Ersteller gelten.
(2) Die Beklagte war nicht darauf beschränkt, dem Kläger eine Abmah nung zu erteilen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16). Vorliegend geht es um einen Compliance-Verstoß in Bezug auf die Erbringung der Hauptleistungspflicht und nicht etwa nur in Bezug auf eine korrekte Reisekostenabrechnung. Der Kläger konnte nicht annehmen, dass die Beklagte die begehrten Aufträge von der Bundeswehr unter rechtswidrigen Bedingungen erlangen wollte, die letztlich zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren hätten führen können und damit das Hauptgeschäft der Beklagte beeinträchtigen. Dabei kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass hier in Rede stehende Verhalten sei der Beklagten bekannt und von ihr gebilligt worden. Zwar kann in einem Fall, in dem etwa der Arbeitgeber selbst (durch Vorstandsentscheidung) mehrfach von einer internen Richtlinie auf Vorschlag des betroffenen Arbeitnehmers abweicht, der Arbeitnehmer erwarten, in der Folge für einen eigenen Verstoß (ohne Zustimmung des Vorstands) zunächst abgemahnt zu werden (ArbG Mannheim vom 09.11.2017 – 8 Ca 121/17 mit Anm. Mengel CCZ 2018, 236 ff.). Derartiges ist aber vorliegend nicht konkret ersichtlich. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte selbst derartiges Verhalten geduldet oder gar initiiert hätte, was eine auf das Verhalten gestützte Kündigung treuwidrig, weil widersprüchlich erscheinen lassen könnte (dazu ArbG München vom 02.10.2008 – 13 Ca 17197/07), liegen nicht vor. Eine ausdrückliche darauf gerichtete Erklärung der Beklagten behauptet der Kläger selbst nicht. Sein Vortrag enthält aber auch keine Tatsachen, die den Schluss zulassen, die Beklagte dulde und/oder billige dies. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass Entscheidungsträger der Beklagten Kenntnis davon gehabt hätten, der Kläger verwende für seine Arbeit die FFFDokumente des Kunden, und nicht nur die vom Kunden etwa in offiziellen Tagungen und Kontakten hieraus preisgegebenen Inhalte (zumal nach der Einschätzung des Klägers hatten seine unmittelbaren Vorgesetzten ohnehin nicht die nötige Kenntnis, um eine etwaige Brisanz von FFF-Dokumenten zu erkennen…). Dies ergibt sich auch nicht aus der sonstigen streitgegenständlichen E-Mail-Korrespondenz.
(3) Im Rahmen der Interessenabwägung sprechen zugunsten des Klä gers die Dauer der Beschäftigung, die bestehenden Unterhaltspflichten sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis bisher offensichtlich beanstandungsfrei verlief. Zu seinen Gunsten ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger sich nicht – unmittelbar – persönlich bereichern wollte, es also nicht um Bestechlichkeit geht (möglicherweise aber um ein Präsentieren als besonders guter Arbeitnehmer). Das Lebensalter des Klägers schlägt weder zur einen noch zur anderen Seite aus. Insgesamt überwiegen die Interessen der Beklagten an der Vertragsbeendigung. Dabei spielen etwaig drohende Sanktionen für die Arbeitgeberin eine Rolle, selbst wenn sich diese (noch) nicht verwirklicht haben (Dzida NZA 2012, 881 unter Verweis auf LAG Hessen vom 25.01.2010 – 17 Sa 21/09). Die Beklagte war vorliegend durch das Verhalten des Klägers dem Risiko ausgesetzt, aus Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden und damit wichtige Aufträge nicht generieren zu können. Dies ist eine ernsthafte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten. Auch ist das Interesse des Arbeitgebers, durch eine Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers seine vergaberechtliche Zuverlässigkeit wieder zu erlangen, zu Gunsten des Arbeitgebers und zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (Dzida NZA 2012, 881, 885).
c) Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten aa) § 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ziel der Norm ist es, für den Kündigungsempfänger rasch Klarheit zu schaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken. Der zeitliche Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB soll den Kündigungsberechtigten weder zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben, noch ihn veranlassen, ohne eine genügende Prüfung des Sachverhalts oder vorhandener Beweismittel voreilig zu kündigen. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an. Es spielt keine Rolle, ob die Ermittlungsmaßnahmen etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis überflüssig waren. Es besteht aber für weitere Ermittlungen kein Anlass mehr, wenn der Sachverhalt bereits geklärt ist oder der Gekündigte ihn sogar zugestanden hat (BAG vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06).
bb) Die sehr lange Dauer von über einem Jahr erklärt sich aber vorliegend zum einen aus dem sehr großen Umfang auszuwertender Daten, nämlich 1 Mio. Datensätze bei zunächst 89 betroffenen Mitarbeitern (vgl. BAG vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06: Der Vortrag des kündigungsberechtigten Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12 000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt bereits auf Grund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen; Dzida/Förster NZA-RR 2015, 561, 564: je nach Menge der auszuwertenden Dokumente und E-Mails können auch Ermittlungen für ein oder sogar mehrere Jahre angemessen sein). Zum anderen ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die hierzu durchzuführenden Verfahren auf Basis der anwendbaren Konzernbetriebsvereinbarungen bereits mehrere Monate in Anspruch nahmen. Es gehört nämlich zu den vom Kündigungsberechtigten zu ergründenden maßgeblichen Umständen, mögliche Beweismittel für eine ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern (LAG Hamm vom 15.07.2014 – 7 Sa 94/14). Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe in diesem Zeitraum nicht die gebotene Eile an den Tag gelegt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Die Betriebsratsanhörung ist ordnungsgemäß erfolgt. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm – dem Arbeitgeber – bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können. Diese Grundsätze hat die Beklagte beachtet. Die Mitteilung der Beklagten an den Betriebsrat, dass der Kläger „die tatsächlichen Vorwürfe eingeräumt“ habe, macht die Anhörung nicht unrichtig. Das war ersichtlich die Schlussfolgerung der Beklagten, die sie berechtigt ist, dem Betriebsrat zu unterbreiten, solang sie ihm alle zugrundeliegenden Informationen mitteilt, was vorliegend der Fall war, denn die fragliche Stellungnahme des Klägers lag dem an den Betriebsrat gerichtete Anhörungsschreiben als Anlage 2 bei.
e) Die im Rahmen der Auswertung des PCs des Klägers gefundenen E-Mails und Dokumente, welche zu den Findings führten, unterliegen auch keinem Beweisverwertungsverbot, weder aufgrund eines etwaigen Verstoßes gegen die genannten Konzernbetriebsvereinbarungen noch aus sonstigen Gründen. Die Kammer schließt sich in diesem Punkt den Ausführungen der 25. Kammer des Arbeitsgericht München in einem Parallelfall an und macht sich diese zu eigen (vgl. 25 Ca 11433/19 vom 04.06.2020).
aa) Etwaige Verletzungen von Bestimmungen in Konzernbetriebsvereinbarungen durch die Beklagten hinderten die Verwertung der von der Beklagten im Rahmen der Untersuchung des Computers des Klägers erhobenen Daten nicht. Eventuelle in den Betriebsvereinbarungen zum Ausdruck kommende eigenständige Verwertungsverbote bei Verstößen gegen die in den Betriebsvereinbarungen zur Auswertung und Erhebung von Daten befindlichen Regelungen begründen kein gerichtliches Verwertungsverbot oder eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) durch das Gericht. Die Betriebsparteien können gegenüber der Rechtspflege, zu denen u.a. die Gerichte berufen sind, mangels Regelungskompetenz keine über die Gesetze hinausgehenden Verwertungsverbote schaffen (in diesem Sinne wohl auch BAG vom 22.09.2016 – 2 AZR 848/15). Auch eine Umdeutung eines in einer Betriebsvereinbarung geregelten Verwertungsverbots in einen Prozessvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dem Sinne, dass der Arbeitgeber sich auf Sachvortrag, der auf einem Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung beruht, redlicherweise nicht berufen darf, ist nicht möglich (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 06.06.2018 – 21 Sa 48/17 Rn. 148).
bb) Es kann dahingestellt bleiben, aufgrund welchen konkreten Anfangsverdachts die Beklagte die Auswertung der Daten vorgenommen habe. Ein Verwertungsverbot liegt nicht vor. Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ging mit der Auswertung der Daten nicht einher. Vorliegend überwiegt das Interesse an der Funktionsfähigkeit einer Rechtspflege das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Entscheidend dabei ist, dass die Durchsuchung nicht heimlich erfolgte, sich auf dienstlichen Daten erstreckte und konzernbetriebsvereinbarungsgemäß in Kenntnis des Betriebsrats und des Datenschutzbeauftragten erfolgte.
f) Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht erkennbar, so dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.09.2019, dem Tag des Zugangs der außerordentlichen Kündigung endete.
2. Der Antrag zu 2. ist damit unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr bestand.
3. Der Antrag 3 ist nicht zur Entscheidung angefallen
B.
Die Widerklage bleibt erfolglos.
I.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist auch für die Widerklage eröffnet, § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG.
II.
Der Widerklageantrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet. Mit ihm verlangt die Beklagte einen Zahlungsbetrag für aufgewendete Rechtsanwaltskosten. Jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, wie sich der von der Beklagten genannten Betrag von über 3 Mio. € auf den Kläger und die weiteren in die Untersuchung einbezogenen Mitarbeiter verteilt. Es ist nicht schlüssig, dem Kläger einfach einen an seinem Jahresgehalt ausgerichteten Betrag aufzuerlegen.
III.
Bezogen auf den Antrag zu 2. bestehen bereits Bedenken an der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Haftungsfeststellungsklage im Arbeitsverhältnis. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Arbeitnehmer zum Ersatz verpflichtet ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung auf Basis einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Primär ist auf den Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Versicherbarkeit des Risikos, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe seines Arbeitsentgelts sowie die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers, wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse sowie das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen (st. Rspr., vgl. BAG vom 15.11.2012 – 8 AZR 705/11 Rn. 25 ff. mwN.). Unter Berücksichtigung, dass auch die Höhe des Schadens für den Umfang der Schadensersatzverpflichtung Bedeutung hat, erscheint es durchaus zweifelhaft, die Schadenshaftung des Arbeitnehmers bereits im Wege des Feststellungsantrages verfolgen zu können, wenn der konkrete Schaden noch nicht umrissen und bezifferbar und deshalb die Abwägung der weiteren Umstände nicht möglich ist. Würde man einen Feststellungsantrag, der sich nur auf die Feststellung einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung als solchem erstreckt für zulässig erachten, so wäre es gleichwohl möglich, dass der Arbeitnehmer trotz Unterliegens in diesem ersten Prozess letztlich nichts bezahlen muss, da sich auf Grund des oben dargestellten Abwägungsprozesses das Verschulden auch auf den konkreten Schadenseintritt beziehen muss und die Haftungserleichterung danach vorzunehmen ist, ob der konkrete eingetretene Schaden vorsätzlich gewollt war oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Ist die Schadenshöhe nicht feststehend, erscheint eine Aussage darüber, ob ein Arbeitnehmer gerade diesen Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich vorausgesehen und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen hat oder ob die Schadensverursachung lediglich grob fahrlässig einschließlich der erforderlichen subjektiven Umstände herbeigeführt wurde, nicht möglich. Im Fall leichtester Fahrlässigkeit hinsichtlich des Schadenseintritts wäre damit z.B. selbst bei vorsätzlicher Missachtung von Arbeitsanweisungen eine Haftung ausgeschlossen und der zuvor geführte Feststellungsprozess nutzlos gewesen (LAG Köln vom 22.11.2004 – 2 Sa 491/04).
Unabhängig davon ist der Antrag aber ohnehin unbegründet. Zum einen fehlt es schon an hinreichendem Vortrag, dass ein weiterer Schaden überhaupt wahrscheinlich ist. Weitere Rechtsanwaltskosten sind nicht ersichtlich. Und es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte tatsächlich in den fraglichen Beschaffungsprojekten auch nach nunmehriger Aufdeckung und Selbstbereinigung noch vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden könnte. Zum anderen kommt ein Schaden nur dann in Betracht, wenn sich das Verschulden des Arbeitnehmers auch auf den konkreten Schadenseintritt bezieht (doppelter Vorsatz, st. Rspr. vgl. BAG vom 28.10.2010- 8 AZR 418/09 Rn. 20: Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei sowohl auf die pflichtverletzende Handlung als auch auf den Eintritt des Schadens beziehen. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinem Willen aufgenommen haben, das heißt im Falle des bedingten Vorsatzes, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Das ist vorliegend nicht ersichtlich, zumal durchaus davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger durchaus der Ansicht war, im Interesse der Beklagten zu handeln.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
Die Voraussetzungen für eine gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung können beide Parteien nach Maßgabe der folgenden RechtsmittelbelehrungBerufung zum Landesarbeitsgericht München einlegen.