Aktenzeichen B 13 R 2/20 R
Verfahrensgang
vorgehend SG Mainz, 23. Februar 2017, Az: S 1 R 513/14, Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 17. Oktober 2018, Az: L 4 R 177/17, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf höhere Altersrente hat, weil auch die von ihm nach dem 31.12.1990 zurückgelegten, nach polnischem Rentenversicherungsrecht versicherten Beschäftigungszeiten noch unter Anwendung des deutsch-polnischen Abkommens über Renten- und Unfallversicherung von 1975 (RV/UVAbk POL 1975) zu berücksichtigen sind.
2
Der 1948 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Für seinen polnischen Arbeitgeber war er – mit wenigen Unterbrechungen – vom 3.9.1971 bis zum 28.2.2007 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. 1989 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland, wo er seither wohnt. Die Beklagte bewilligte ihm ab dem 1.1.2014 Regelaltersrente. Die Berücksichtigung der nach polnischem Recht versicherten Zeiten der Beschäftigung bei seinem polnischen Arbeitgeber lehnte sie ab, da der Kläger nicht zum Personenkreis nach § 1 Fremdrentengesetz (FRG) gehöre (Bescheid vom 11.3.2014). Den Widerspruch wies sie zurück, weil auch das RV/UVAbk POL 1975 nicht anzuwenden sei, denn eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei erst 1995 erteilt worden (Widerspruchsbescheid vom 5.9.2014).
3
Das SG hat die Beklagte verurteilt, “die in Polen zurückgelegten Beschäftigungen vom 24.10.1965 bis 28.2.2007 bei der Berechnung der Regelaltersrente des Klägers zu berücksichtigen” (Urteil vom 23.2.2007). Die hiergegen eingelegte Berufung hat die Beklagte auf Zeiten ab dem 1.1.1991 beschränkt. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 1.1.1991 bis zum 28.2.2007 nach dem RV/UVAbk POL 1975 zu gewähren und die Klage insoweit abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das RV/UVAbk POL 1975 finde nur auf bis zum 31.12.1990 zurückgelegte Versicherungszeiten Anwendung. Dies folge aus der Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich in Art 27 des Nachfolgeabkommens vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit (SozSichAbk POL 1990). Danach gelte das neue Abkommen für alle Ansprüche aus nach dem 31.12.1990 zurückgelegten Versicherungszeiten, während auf die bis dahin bereits erworbenen Ansprüche weiterhin das RV/UVAbk POL 1975 anzuwenden sei, solange die Berechtigten ihren Wohnort im Hoheitsgebiet des jeweiligen Vertragsstaats beibehielten. Dieser Besitzschutz der aufgrund des RV/UVAbk POL 1975 bis zum 31.12.1990 erworbenen Ansprüche und Anwartschaften habe auch nach dem EU-Beitritt Polens zum 1.5.2004 Bestand. Jedoch gelte für Zeiten ab dem 1.1.1991 die Verordnung (EG) Nr 883/2004 (EGV 883/2004), wonach für die polnischen Zeiten der polnische Versicherungsträger leistungspflichtig sei.
4
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von Art 27 SozSichAbk POL 1990. Er vertritt die Auffassung, dass nach dieser Klausel die vor dem 1.1.1991 in einem Vertragsstaat nach dem RV/UVAbk POL 1975 erworbenen Ansprüche durch das neue Abkommen nicht berührt werden sollten, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehielten. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass nur Rentenansprüche bis zum 31.12.1990 unberührt blieben. Entscheidend für die Weiteranwendung des RV/UVAbk POL 1975 sei, dass die Personen bis zum 31.12.1990 in Deutschland gewohnt und nach diesem Tag ihren Wohnsitz nicht gewechselt hätten. Etwas anderes könne entgegen der Ansicht des LSG auch nicht Art 27 Abs 4 SozSichAbk Polen 1990 entnommen werden.
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Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.10.2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23.02.2017 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Ansicht, für die Auslegung des SozSichAbk POL 1990 sei auch die Wiener Vertragsrechtskonvention heranzuziehen. Danach sei neben dem in der Denkschrift zum SozSichAbk POL 1990 niedergelegten Ziel und Zweck des Abkommens für dessen Auslegung auch die spätere Übung bei Anwendung des Vertrags zu berücksichtigen. Hierfür stehe eine im Rahmen deutsch-polnischer Arbeitsgespräche 1994 erzielte Einigung zu einem vergleichbaren Fall, mit der übereinstimmend die auf Zeiträume bis zum 31.12.1990 beschränkte Anwendung des RV/UVAbk POL 1975 festgestellt worden sei.
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