Aktenzeichen 4 Sa 81/18
TzBfG § 14
BZRG § 32
MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1
Leitsatz
Wird ein Bewährungshelfer während der Laufzeit seines befristeten Arbeitsverhältnisses im regionalen Zuständigkeitsbereich seiner Dienststelle straffällig, kann der auf die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gerichtete Vertrag auch dann gem. § 119 Abs. 2 BGB erfolgreich angefochten werden, wenn die gegen ihn verhängte Geldstrafe die Grenze von 90 Tagessätzen (§ 32 BZRG) nicht übersteigt.
Verfahrensgang
1 Ca 452/17 2018-01-10 Endurteil AGBAYREUTH AG Bayreuth
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 10.01.2018, Az.: 1 Ca 452/17, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist nur zum Teil zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
Ausreichend begründet worden ist die Berufung nur, soweit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 21.06.2017 hinaus geltend gemacht und dies auf die Unwirksamkeit der erklärten Anfechtung des Vertrages vom 10.05.2017 gestützt wird.
Soweit die Feststellung begehrt wird, dass das Arbeitsverhältnis nicht infolge wirksamer Befristungsabrede zum 21.06.2017 beendet worden ist, enthält die Berufungsbegründung keine Angriffe gegen die Feststellungen und rechtlichen Wertungen des Ersturteils im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Befristung des Vertrages vom 13.12.2016 gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG (vgl. BAG v. 19.10.2010 – 6 AZR 118/10 – NZA 2011, 62; v. 28.05.2009 – 2 AZR 223/08 – AP Nr. 2 zu § 520 ZPO; jeweils m.w.N.).
II.
Die Berufung ist sachlich nicht begründet.
Das Erstgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen, denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete aufgrund wirksamer Befristungsabrede im Vertrag vom 13.12.2016 zum 21.06.2017 und der auf die unbefristete Weiterbeschäftigung der Klägerin gerichtete Vertrag vom 10.05.2017 ist von dem Beklagten erfolgreich gem. § 119 Abs. 2 BGB angefochten worden.
1. Die Wirksamkeit der Befristungsabrede im Vertrag vom 13.12.2016 ist vom Berufungsgericht wegen der diesbezüglichen Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu überprüfen. Damit steht rechtskräftig fest, dass das mit Vertrag vom 13.12.2016 bis 21.06.2017 verlängerte Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt rechtlich geendet hat.
2. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt der letzten Befristung hinaus wurde von den Parteien zwar mit Vertrag vom 10.05.2017 vereinbart, dieser Vertrag ist jedoch mit Schreiben vom 16.05.2017 von dem Beklagten erfolgreich angefochten und damit rechtlich wieder beseitigt worden, §§ 119 Abs. 2, 121, 143 Abs. 1, 142 BGB.
Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind nur folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
a) Der Abschluss eines Arbeitsvertrages kann von dem Arbeitgeber gemäß § 119 Absatz 2 BGB angefochten werden, wenn er sich bei Abschluss des Vertrages über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers in einem Irrtum befunden hat.
Die Eigenschaft einer Person ist dann verkehrswesentlich, wenn sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung und die zu leistende Arbeit von Bedeutung und nicht nur vorübergehender Natur ist. Sie muss sich auf die Eignung der Person für die Arbeit auswirken (vgl. BAG vom 06.09.2012 – 2 AZR 270/11 – NZA 2013, 1087,1090).
Die Eigenschaft einer Person kann auch eine Vorstrafe betreffen, die die Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Geeignetheit für die berufliche Tätigkeit betrifft. Außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers können selbst dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung erfordert eine jederzeit integre und gewissenhafte Ausübung der Tätigkeit.
Außerdienstliches strafbares Verhalten vermag die Besorgnis zu begründen, der Arbeitnehmer könne auch im dienstlichen Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben in Konflikt geraten. Dadurch wird das erforderliche Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erschüttert. Diese Besorgnis besteht dann umso mehr, wenn die Straftat im regionalen Zuständigkeitsbereich der Dienststelle begangen worden ist (vgl. BAG vom 10.04.2014 – 2 AZR 684/13 – NZA 2014, 1197, 1199; LAG Düsseldorf vom 08.03.2013 – 5 Sa 684/11 – in juris).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die von der Klägerin begangene Straftat des Betruges zum Nachteil eines staatlichen Leistungsträgers geeignet, ihre Eignung für die Tätigkeit einer Bewährungshelferin auszuschließen, denn diese Straftat betrifft unmittelbar den dienstlichen Verantwortungsbereich. Bewährungshelfer haben verurteilten Straftätern (Probanden) helfend und betreuend zur Seite zu stehen. Sie haben die Aufgabe, den Probanden Hilfestellung zur Lebensbewältigung zu geben und mit diesen an der Verhinderung neuer Straftaten zu arbeiten. Hierbei vernetzen sich die Bewährungshelfer auch mit anderen Einrichtungen und Stellen, die an der Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaften mitwirken. Im Einvernehmen mit dem Gericht überwachen die Bewährungshelfer die Erfüllung der Auflagen und Weisungen durch die Probanden. Sie berichten über die Lebensführung der Verurteilten in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche und beharrliche Verstöße gegen Bewährungsauflagen müssen sie dem Gericht unverzüglich mitteilen. Die Betreuung der Probanden und die Aufsicht über diese stehen gleichrangig gegenüber (so die Information des bayerischen Staatsministeriums der Justiz über das Berufsbild des Bewährungshelfers). Als Voraussetzung für die Einstellung als Bewährungshelfer verlangt das bayerische Staatsministerium der Justiz dessen charakterliche Eignung (keine Vorstrafen), nachgewiesen durch ein erweitertes Führungszeugnis (§ 30a BZRG).
Von diesen Vorgaben des Ministeriums hat sich der Präsident des Landgerichts A-Stadt bei seiner Anfechtungserklärung vom 16.05.2017 leiten lassen, und zwar unabhängig von dem zu erwartenden und später verhängten Strafmaß. Er geht nämlich zutreffend davon aus, dass die Begehung einer Straftat dann, wenn diese unmittelbaren Bezug zu der geschuldeten Tätigkeit des Bewährungshelfers hat, dessen Eignung ausschließt. Er bietet dann nämlich nicht die Gewähr dafür, den verurteilten Straftätern zuverlässig und glaubwürdig die Unterstützung geben zu können, die erforderlich ist, um sie zu einem künftig straffreien Leben anzuhalten. Insofern sind die Glaubwürdigkeit des Bewährungshelfers und seine persönliche Integrität in Bezug auf die Abstinenz strafbaren Verhaltens berührt. Dies gilt auch für die Einschätzung der Zuverlässigkeit des Bewährungshelfers bei der Unterstützung der Probanden im Umgang mit staatlichen Leistungsträgern, da die Straftat der Klägerin gerade in diesem Bereich von ihr begangen worden ist.
Die fehlende Eignung ergibt sich im vorliegenden Fall insbesondere daraus, dass die Straftat im regionalen Zuständigkeitsbereich der Dienststelle der Klägerin begangen worden ist, durch das das durchgeführte Strafverfahren in Beziehung zu der örtlichen Strafgerichtsbarkeit ebenso empfindlich beeinträchtigt worden ist wie zu den lokalen Trägern staatlicher Leistungsverwaltung. Die Tätigkeit der Klägerin als Bewährungshelferin setzt sowohl ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zu den örtlichen Strafrichtern voraus als auch den Sachbearbeitern der staatlichen Leistungsverwaltung, mit denen die Klägerin bei ihrer Dienstausübung unmittelbar zu tun hat.
Unter Berücksichtigung dieser konkreten Umstände kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, wegen der Höhe der verhängten Geldstrafe würde ihre Verurteilung nicht in ein erweitertes Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG Eingang finde, wäre sie berechtigt gewesen, auf Nachfrage ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren oder eine bereits verhängte Vorstrafe zu verschweigen. Die Anfechtung wird demnach nicht auf eine arglistige Täuschung der Klägerin gemäß § 123 Absatz 1 BGB gestützt, sondern ausweislich des Inhalts der Anfechtungserklärung ausdrücklich auf einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Rahmen des § 119 Absatz 2 BGB. Insoweit kann eine begangene Straftat auch dann die fehlende Eignung eines Bewährungshelfers begründen, wenn eine geringere als die in § 32 Absatz 2 genannte Geldstrafe von 90 Tagessätzen verhängt worden ist.
Der Präsident des Landgerichts A-Stadt hat sich darauf berufen, bei Abschluss des Vertrages vom 10.05.2017 keine Kenntnis von der Straffälligkeit der Klägerin und dem laufenden Ermittlungsverfahren gehabt zu haben. Ihm sind von der Klägerin keine konkreten Gegentatsachen entgegengehalten worden, weshalb der Sachvortrag des § 138 Absatz 3 ZPO als zugestanden gilt.
Die Anfechtungserklärung vom 16.05.2017 wurde der Klägerin gegenüber innerhalb der Frist des § 121 BGB abgegeben und hat mit Zugang den Vertrag vom 10.05.2017 wieder rechtswirksam beseitigt, §§ 142, 143 Absatz 1 BGB.
III.
1. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird, ob eine begangene Straftat der Beschäftigung als Bewährungshelfer auch dann entgegensteht, wenn sie wegen der Höhe der verhängten Geldstrafe nicht in ein erweitertes Führungszeugnis aufzunehmen ist.