Aktenzeichen AN 4 K 15.01989
Leitsatz
Aus einer mehrere Jahre zurückliegenden Mitteilung eines Versorgungswerks über die Höhe eines zu erwartenden Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit kann kein Anspruch auf Bewilligung eines höheren als des mit einem Festsetzungsbescheid bewilligten Berufsunfähigkeits-Ruhegeldes hergeleitet werden, wenn das frühere Schreiben des Versorgungswerkes unmissverständlich als unverbindliche Hochrechnung und Orientierungshilfe gekennzeichnet wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass sich die maßgeblichen Faktoren tatsächlicher bzw. rechtlicher Art für die Berechnung der Höhe eines Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit für die Zukunft nicht ändern. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die – bei sachdienlicher Auslegung des Klageantrages – zulässige Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Parteien ohne (weitere) mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, ist unbegründet.
Der Klageantrag wird vom Gericht gemäß § 88 VwGO sachdienlich dahin ausgelegt, dass begehrt wird, die Beklagte – unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 2015, soweit er entgegensteht – zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit ab 1. April 2015 auf Dauer ein Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe von mehr als 277,59 EUR zu bewilligen.
Die am 23. Oktober 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben. Die zum angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2015 gehörige Rechtsbehelfsbelehrung wurde der anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers erst mit Schreiben der Beklagten vom 18. September 2015, einem Freitag, übersandt, ohne dass sich den vorgelegten Behördenakten ein Absende- bzw. Zustellungsnachweis entnehmen lässt. Der Umstand, dass das Anschreiben zur Rechtsbehelfsbelehrung vom 18. September 2015 datiert, lässt keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass dieses Schreiben noch am Tag seines Ausstellungsdatums zum Versand gelangt ist. Die Beklagtenseite erhebt auch selbst keine Einwendungen hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Klagefrist gemäß § 74 VwGO.
Der Bescheid vom 16. Juli 2015, soweit er im Rahmen des vorstehend genannten Klageantrages angefochten ist, ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt, dieser hat keinen Rechtsanspruch auf die Bewilligung eines Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit über den bewilligten Betrag hinaus (§ 113 Abs. 1 und 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Anspruch eines Pflichtmitgliedes bei der beklagten Architektenversorgung auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit ist, was den Anspruchsgrund betrifft, § 31 der Satzung der Beklagten, und zwar – gemäß § 59 Abs. 8, § 51 – in der ab 1. Januar 2015 geltenden Fassung (im Folgenden: Satzung). Nach näherer Maßgabe von § 31 der Satzung hat Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit ein Mitglied, das vor dem Zeitpunkt, zu dem es erstmals vorgezogenes Altersruhegeld beziehen kann, berufsunfähig geworden ist, Antrag auf Ruhegeld stellt und die berufliche Tätigkeit einstellt (Eintritt des Versorgungsfalles); der Anspruch besteht ab dem Ersten des Monats, der auf den Eintritt des Versorgungsfalles folgt. Berufsunfähig ist ein Mitglied, das infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit im Architektenberuf auszuüben.
Dass der Kläger nach dieser Bestimmung ab 1. April 2015 dem Grunde nach Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit hat, ist zwischen den Parteien unstreitig und bedarf hier keiner weiteren Erörterung.
Streitig zwischen den Parteien ist allein die Höhe des dem Kläger zustehenden Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit. Die Höhe dieses Ruhegeldes bemisst sich nach den Bestimmungen des § 35 einschließlich der dort in Bezug genommenen weiteren Bestimmungen der Satzung des beklagten Versorgungswerks. Letztendlich entscheidend für den vorliegenden Fall ist die in § 54 dieser Satzung aufgestellte Übergangsregelung zu § 35 der Satzung. Nach § 54 Abs. 1 der Satzung bemisst sich das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit in Versorgungsfällen, die in den ersten fünf Jahren nach einer Änderung des § 35 der Satzung eingetreten sind, nach den bis zum Änderungszeitpunkt geltenden Bestimmungen, sofern die Mitgliedschaft vor Inkrafttreten der Änderung begründet worden ist und das nach altem Recht berechnete Ruhegeld höher ist. Allerdings bestimmt § 54 Abs. 2 der Satzung, dass Abs. 1 der Satzung nur für Änderungen bis zum 1. Januar 2010 gilt und letztmalig zum 31. Dezember 2014 Anwendung findet. Ist der Versorgungsfall, wie im Falle des Klägers, erst ab dem 1. Januar 2015 eingetreten, ist für die Berechnung des Ruhegeldes § 35 der Satzung in der ab 1. Januar 2015 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. § 54 Abs. 3 der Satzung).
Auf der Grundlage dieser letztgenannten Bestimmungen errechnet sich mit Wirkung ab 1. April 2015 (Eintritt des Versorgungsfalls) lediglich das bewilligte Ruhegeld in Höhe von 277,79 EUR (vorbehaltlich nachfolgender Anpassungen). Einwendungen gegen die sachliche und rechnerische Richtigkeit dieser Bemessung werden von Klägerseite in keiner Weise – konkret und substantiiert – erhoben und sind auch nicht ersichtlich.
Die Einwendungen von Klägerseite werden vielmehr letztlich ausschließlich darauf gestützt, dass die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit ein wesentlich höheres zu erwartendes Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit mitgeteilt hat. So bezifferte das beklagte Versorgungswerk mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 gegenüber dem Kläger das von diesem zu erwartende Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit auf „ca. 1.473,00 EUR“. Hieraus kann der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Bewilligung eines höheren als des mit dem streitgegenständlichen Bescheid bewilligten Berufsunfähigkeits-Ruhegeldes herleiten. Bei dem genannten Schreiben des beklagten Versorgungswerkes handelt es sich nämlich, wie sich klar und eindeutig mehrfach aus dessen Text ergibt, nur um eine als unverbindlich gekennzeichnete Hochrechnung und Orientierungshilfe. Ausdrücklich wird in dem genannten Schreiben vom 9. Dezember 2008 ausgeführt, dass der Hochrechnung Prognosen zugrunde lägen, die mit den tatsächlichen zukünftigen Verläufen nicht unbedingt übereinstimmen müssten und dass aus der unverbindlich durchgeführten Hochrechnung rechtliche Ansprüche nicht abgeleitet werden könnten.
Darauf, dass sich die maßgeblichen Faktoren tatsächlicher bzw. rechtlicher Art für die Berechnung der Höhe des Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit für die Zukunft nicht ändern, hatte und hat der Kläger keinen Rechtsanspruch, dem Kläger ist keine rechtlich geschützte Vertrauensposition erwachsen. Insbesondere ist nichts dafür dargetan bzw. ersichtlich, dass die Neuregelung der Ruhegeldberechnung, was die Höhe betrifft, etwa aus sachfremden, willkürlichen Gründen erfolgt wäre. Vielmehr hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2016 konkret und nachvollziehbar dargelegt, dass und aus welchen Gründen es in den vergangenen Jahren vier einschneidende Rechtsänderungen gegeben habe, die sich auf die versorgungsrechtliche Lage des Klägers, zumal in der Gesamtwirkung, sehr nachteilig ausgewirkt hätten. Zum 1. Januar 2006 sei durch eine Satzungsänderung, veranlasst durch eine EU-Verordnung, das sogenannte pro-rata-Prinzip eingeführt worden. Dies sei insbesondere auch deshalb für den Kläger nachteilig gewesen, weil dieser erst im Alter von rund 36 Jahren Mitglied des Versorgungswerkes geworden sei. Im Jahr 2006 seien die Regelungen zum Zurechnungsbeitrag (vgl. § 35 Abs. 3 der Satzung) abgeändert worden. Im Jahr 2010 sei der Verrechnungszins von 3,25% auf 2,25% abgesenkt worden. Schließlich habe die Einführung der Regelaltersrente mit 67 Jahren zu einem erhöhten versicherungstechnischen Abschlag bei der Berufsunfähigkeitsrente geführt. Dies alles zusammengenommen habe im Fall des Klägers dazu geführt, dass sich im Jahr 2015 nur eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 277,59 EUR monatlich errechnet habe, gegenüber der früheren unverbindlichen Hochrechnung aus dem Jahr 2008 in Höhe von 1.437,00 EUR monatlich.
Diesen Ausführungen ist die Klägerseite, obwohl ihr antragsgemäß ausdrücklich Schriftsatzfrist bis 6. Mai 2016 eingeräumt worden ist, nicht entgegengetreten. Nach alledem erübrigen sich weitere Ausführungen.
Die Klage ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Das Gericht legt – zugunsten des nach dem vorstehenden Urteil kostenpflichtigen Klägers – den Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zugrunde. Für eine Ermittlung des Streitwertes nach § 52 Abs. 1 bzw. 3 GKG i. V. m. Ziffer 14.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wo auf den dreifachen Jahresbetrag der Rente abgestellt wird, fehlt es an hinreichend konkreten Anhaltspunkten im Klageantrag bzw. im diesbezüglichen Klagevorbringen. Dieses lässt insbesondere nicht einmal erkennen, welchen monatlichen Ruhegeldbetrag der Kläger auch nur ungefähr für rechtmäßig im Sinne des gestellten Klageantrages erachtet.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.