Aktenzeichen 12 C 14.2069
ZPO ZPO § 115 Abs. 4
Leitsatz
1 Die gesetzlichen Vorgaben erlauben keine Berücksichtigung einer Vollkaskoversicherung, einer Risikolebensversicherungund und einer Verkehrsrechtsschutzversicherung sowie einer Auslandsreisekrankenversicherung eines volljährigen und in Ausbildung befindlichen Kindes und einer Kraftfahrthaftpflichtversicherung eines minderjährigen Kindes des Antragstellers bei der prozesskostenhilferechtlichen Einkommensberechnung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Kosten der allgemeinen Lebensführung sind prozesskostenhilferechtlich nicht abzugsfähig. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Berechnung der berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es ggf. einer Aufteilung nach Kopfteilen, wenn eine Wohnung gemeinsam mit weiteren Personen genutzt wird. (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei der Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Hinblick auf § 115 Abs. 4 ZPO gilt es zu berücksichtigen, dass Gerichtskosten in Angelegenheiten des Jugendhilferechts nach § 188 S. 2, 1 VwGO nicht anfallen. Als Gegenstandswert, der den Anwaltskosten zugrunde zu legen ist, ist nach Ziffer 21.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Streitigkeiten über einen Kostenbeitrag höchstens der Jahresbeitrag heranzuziehen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 K 14.449 2014-08-25 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin beansprucht für ihre Klage gegen die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung. Das Verwaltungsgericht hat deren Bewilligung wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten der Klage nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt. Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde.
Ungeachtet der Erfolgsaussichten der Klage hat der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedoch unter Berücksichtigung der zuletzt mit Schriftsätzen vom 28. Januar 2016 und 16. Februar 2016 mit entsprechenden Belegen eingereichten aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 115 Abs. 4 ZPO keinen Erfolg, da die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung vier von ihr aufzubringende Monatsraten nicht übersteigen.
Bei der gebotenen großzügigen Berücksichtigung der eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen ergibt sich nach § 115 ZPO eine bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der Klägerin zu erbringende Monatsrate in Höhe von 403,- EUR. Ausgangspunkt bildet hierbei ihr aus den Gehaltsabrechnungen der B. AG vom Oktober und November 2015 abgeleitetes und auf 12 Monate verteiltes Gesamteinkommen des Jahres 2015. Inwieweit die Klägerin im Jahr 2015 wie in den Vorjahren Steuererstattungen erhalten hat, die prozesskostenhilferechtlich ebenfalls als Einkommen zu berücksichtigen wären (Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 115 Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 115 Rn. 35), konnte mangels Vorlage eines entsprechenden Steuerbescheids nicht überprüft werden, bedarf indes aufgrund der Gesamtsituation im vorliegenden Fall keiner Klärung.
Hinsichtlich der Höhe der vom Einkommen monatlich in Abzug zu bringenden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hat der Senat mangels anderer, von der Klägerin vorgelegter Nachweise auf die für zutreffend erachtete Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2014 zurückgegriffen. Von den ebenfalls in Abzug zu bringenden Versicherungen in angemessener Höhe konnten die Kfz-Haftpflichtversicherung, die DAX-Rentenversicherung, die Unfallversicherung, eine kapitalbildende Lebensversicherung, die private Krankenzusatzversicherung, die Hausratversicherung, eine private Rentenversicherung und die Privathaftpflichtversicherung der Klägerin berücksichtigt werden. Demgegenüber erlauben die gesetzlichen Vorgaben keine Berücksichtigung der Vollkaskoversicherung, der Risikolebensversicherung, der Auslandsreisekrankenversicherung des volljährigen und in Ausbildung befindlichen Sohnes M., der Kraftfahrthaftpflichtversicherung des minderjährigen Sohnes F. und der Verkehrsrechtsschutzversicherung der Klägerin (vgl. Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 115 Rn. 14).
Bei den geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung gilt es zu berücksichtigen, dass in der von der Klägerin angemieteten Doppelhaushälfte zugleich auch ihr volljähriger, eigene Einkünfte erzielender Sohn M., der minderjährige Sohn F. und ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten auch der Lebensgefährte der Klägerin, Herr T., wohnen. Ungeachtet des Umstands, dass bestimmte Nebenkosten (beispielsweise Strom) nicht abzugsfähig sind, bedurfte es vorliegend der Aufteilung der Mietkosten nach der Anzahl der das Haus bewohnenden Personen (vgl. Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 115 Rn. 21 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 115 Rn. 30), so dass nur für die Klägerin und ihren minderjährigen Sohn F. die Hälfte des geltend gemachten Betrags angerechnet werden konnte.
Unberücksichtigt bleiben mussten ferner die Fahrschulkosten des volljährigen Sohnes M. der Klägerin, die Kraftfahrzeugsteuer für ihren Pkw, die Lehrgangsgebühr für ihre Fortbildung zur Logistikmeisterin in Teilzeit, die Darlehensraten für das Kraftfahrzeug des volljährigen Sohns der Klägerin, die Kosten des Schulschließfachs, die Kosten des Musikunterrichts für den Sohn F., Gebühren bzw. Mitgliedsbeiträge für die Kampfkunstschule bzw. den Karateclub der Söhne der Klägerin, der Beitrag zum Verein der Freunde des Gymnasiums Z., die Darlehensrate der M.-Bank, ferner Telefonkosten und Rundfunkgebühren. Die genannten Posten rechnen, soweit sie die Klägerin und nicht ihren volljährigen Sohn M. treffen, zu den Kosten der allgemeinen Lebensführung (Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 115 Rn. 31). Die Kosten der ersten Rate des Fortbildungslehrgangs der Klägerin zur Logistikmeisterin waren durch das im Rahmen einer Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz bewilligten Darlehens der KfW-Bank (Maßnahmebeitrag) abgedeckt. Die Darlehensraten für den Erwerb eines neuen Kraftfahrzeugs konnten nicht berücksichtigt werden, da das Darlehen erst nach Stellung des Prozesskostenhilfeantrags aufgenommen wurde (vgl. Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 115 Rn. 29; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 115 Rn. 20).
Mithin ergibt die Berechnung der Prozesskostenhilfe ein von der Klägerin für die Prozessführung einzusetzendes Einkommen in Höhe 703,50 EUR und daraus abgeleitet eine monatlich aufzubringende Rate in Höhe von 403 EUR.
Bei der Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung durch die Klägerin gilt es zunächst zu berücksichtigen, dass Gerichtskosten in Angelegenheiten des Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht anfallen. Als Gegenstandswert, der den Anwaltskosten zugrunde zu legen ist, ist nach Ziffer 21.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Streitigkeiten über einen Kostenbeitrag höchstens der Jahresbeitrag heranzuziehen. Nachdem der streitgegenständliche Bescheid vom 20. August 2012 für die Klägerin einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 244,72 € festgesetzt hat, beläuft sich der Jahresbetrag und damit der Gegenstandswert auf 2.936,64 €. Für das Klageverfahren erster Instanz ergeben sich damit von der Klägerin gegebenenfalls zu leistende Anwaltsgebühren – ohne Berücksichtigung von Auslagen und Umsatzsteuer – nach Ziffer 3100 und 3104 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Verbindung mit Anlage 2 RVG in Höhe von 502,50 €. Selbst unter Hinzurechnung von Auslagen und Umsatzsteuer bleiben diese Kosten weit hinter der Summe aus vier Prozesskostenhilferaten in Höhe von 1.612,- € zurück. Damit scheidet nach § 115 Abs. 4 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus, so dass die Beschwerde aus diesem Grund zurückzuweisen war.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Kostenbeitragsbescheids jedenfalls die von der Widerspruchsbehörde praktizierte „Saldierungsmethode“, nämlich die „Aufrechnung“ eines für den Zeitraum vom 2. Juli 2012 bis einschließlich 13. Juli 2012 (Zugang der Mitteilung der Gewährung über die Leistung und Belehrung über die unterhaltsrechtlichen Folgen bei der Klägerin) nach § 92 Abs. 3 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) zu Unrecht erhobenen Kostenbeitrags mit einer angeblich insgesamt von der Höhe her zu niedrigen Kostenbeitragsfestsetzung erheblichen Bedenken begegnet. Dies wie auch die Rechtmäßigkeit der Kostenbeitragsfestsetzung im Übrigen bedarf der Prüfung im Hauptsacheverfahren.
Eine Kostenentscheidung ist vorliegend entbehrlich, da nach § 188 Satz 2, 1 VwGO in Angelegenheiten des Jugendhilferechts Gerichtskosten nicht erhoben und nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO Kosten im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.