Aktenzeichen L 6 R 168/16
FRG § 1 lit. a, § 22 Abs. 1 S. 1
SGB VI Anlage 13 und 14
BVG § 4
Äquivalenzabkommen Art. 4 Abs. 1
Leitsatz
1 Ein in Rumänien erworbener Abschluss als Subingenieur entspricht nicht den Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 zum SGB VI, weil darunter nur Hochschulabsolventen fallen, die in Form eines Studiums u.a. an einer Universität ein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben (Anschluss an BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 99/07; BeckRS 2009, 50903, BeckRS 2009, 53333). (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßgeblich für die Einstufung in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 ist die im Herkunftsgebiet erworbene Berufsausbildung unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems und daran anschließend die Übertragung auf das Bildungssystem der DDR zur Prüfung, welcher Qualifikationsgruppe diese Ausbildung entspricht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach dem anzuwendenden Äquivalenzeinkommen zwischen den damaligen Regierungen Rumäniens und der ehemaligen DDR entspricht der nach dreijährigem Studium erworbene Abschluss des rumänischen Subingenieurs dem Abschluss der Ingenieurschulen und ökonomischen Fachschulen der DDR. Eine Gleichwertigkeit mit einem vierjährigen Studium liegt nicht vor. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 6 R 1286/13 2015-09-17 Urt SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.09.2015 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 zum SGB VI. Der Rentenbescheid vom 08.07.2014, der den auf § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beruhenden Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 17.10.2005 ersetzt, ist nicht zu beanstanden. Nach Erlass des Rentenbescheides gilt dieser kraft Gesetzes als angegriffen, soweit er auf den ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. BSG, B 13 R 23/14 R). Vorliegend hat der Altersrentenbescheid vom 08.07.2014 die Feststellungen des Vormerkungsbescheides vom 17.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2006 in Bezug auf die Zuordnung der streitigen Zeiten ersetzt.
Der Kläger ist Spätaussiedler im Sinne von § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVG). Für die von ihm in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten finden daher die Vorschriften des FRG Anwendung (§ 1 Buchst. a FRG). Die Beklagte hat die hier streitigen Zeiten vom 15.07.1976 bis 02.04.1979 und vom 24.09.1979 bis 02.03.1990 als nachgewiesene bzw. glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem FRG berücksichtigt. Für diese Zeiten werden Entgeltpunkte (EP) gemäß § 256b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Sätze 2 und 9 SGB VI ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FRG). Danach werden für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittswerte berücksichtigt, die sich u.a. nach Einstufung der Beschäftigung in eine der im SGB VI, Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen ergeben.
Versicherte sind in eine dieser Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und wenn sie eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (Anlage 13 Definition der Qualifikationsgruppen Satz 1). Zur Qualifikationsgruppe I der Anlage 13 gehören Hochschulabsolventen, die in Form eines Studiums u.a. an einer Universität ein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben (Satz 1 Nr. 1).
Der Kläger, der das Diplom eines Subingenieurs erworben hat, fällt nicht unter die Hochschulabsolventen im Sinne des Satzes 1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 99/07 R; BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 5a/4 R 45/07 R und B 5a R 114/07 R) ist mit dieser Prüfung kein Hochschulstudium im Sinne der Qualifikationsgruppe I Satz 1 Nr. 1 der Anlage 13 zum SGB VI abgeschlossen. Die Einstufung von Versicherten in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 richtet sich nach folgendem Maßstab: Ausgehend von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation ist unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems zu ermitteln, welcher Qualifikationsgruppe diese berufliche Ausbildung und Qualifikation – übertragen auf die Verhältnisse der DDR – materiell entspricht. Denn die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen in der Anlage 13 zum SGB VI sind dem System der beruflichen Bildung der DDR entnommen. Der Gesetzgeber hat insoweit die vor der Wiedervereinigung maßgebende Orientierung an den Erwerbsverhältnissen der alten Bundesländer aufgegeben und stellt auf diejenigen der DDR ab. Dies vermeidet Ungleichbehandlungen der Aus- und Übersiedler mit Bewohnern des Beitrittsgebiets. Unter Berücksichtigung dieses Gedankens kann es nicht darauf ankommen, welche Bedeutung das Herkunftsgebiet der fraglichen Ausbildung beimisst. Soweit der Kläger daher vorbringt, der Subingenieur sei im Amtsblatt Rumäniens Nr. 1832 den Bauingenieuren gleichgestellt, ist dies für die vorliegende Beurteilung nicht maßgebend. Das Bundessozialgericht hat dargelegt, dass eine Orientierung an den Erwerbsverhältnissen der DDR auch deshalb sachgerecht ist, weil die Wirtschafts- und Sozialverhältnisse der Herkunftsländer in Osteuropa eher mit denen der DDR übereinstimmten als mit denen der alten Bundesländer (BSG, B 5a/4 R 45/07 R m.w.N.).
Für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe I Satz 1 Nr. 1 ist daher maßgeblich, ob das Niveau des beruflichen Bildungsabschlusses im Herkunftsgebiet materiell dem eines Hochschulabschlusses in der DDR entspricht (BSG, Urteil vom 17.04.2008, B 13 R 99/07 R). Handelt es sich um eine in Rumänien absolvierte Ausbildung, lässt sich dies unter Zugrundelegung des Abkommens der Regierung der DDR und der Regierung der Sozialistischen Republik Rumänien über die Äquivalenz der Dokumente der verschiedenen Bildungsstufen und der akademischen Grade (Äquivalenzabkommen) vom 10.04.1986 beurteilen. Das BSG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Abkommen als Quelle für die Beurteilung herangezogen werden kann, welche rumänischen Bildungsabschlüsse im Niveau mit welchen Bildungsabschlüssen in der DDR vergleichbar sind. Denn den damaligen Regierungen dieser Staaten waren die Qualität und der Standard ihrer jeweiligen Ausbildungsgänge bekannt, so dass sie am besten deren Vergleichbarkeit beurteilen konnten.
Nach Art. 4 Abs. 1 des Äquivalenzabkommens werden der akademische Grad „Diplom“ eines Wirtschaftszweiges, der von den Universitäten und Hochschulen der DDR nach mindestens vierjährigem Studium verliehen wird und das Diplom über den Hochschulabschluss, das von den Universitäten und Hochschulen der Sozialistischen Republik Rumänien nach mindestens vierjährigem Studium verliehen wird, gegenseitig als gleichwertig anerkannt. Art. 3 des Abkommens bestimmt hingegen, dass das Abschlusszeugnis der Ingenieurschulen und ökonomischen Fachschulen der DDR, das nach mindestens dreijährigem Studium vergeben wird und das Abschlusszeugnis als Subingenieur sowie die Zeugnisse anderer Studienrichtungen der Universitäten und Hochschulen der Sozialistischen Republik Rumänien, die nach mindestens dreijährigem Studium erworben werden, gegenseitig als gleichwertig anerkannt werden. Ausweislich dieser Normen steht das Abschlusszeugnis als Subingenieur gerade nicht einem Hochschulabschluss der DDR gleich, sondern ist vielmehr ausdrücklich einem Abschlusszeugnis an Schulen der DDR gleichgestellt, die kein Universitäts- oder Hochschulniveau erreichen.
Das BSG hat auch überzeugend dargelegt, dass eine Einstufung der Tätigkeit als Subingenieur in die Qualifikationsgruppe I sich auch nicht unter Berücksichtigung des Satzes 2 der Bestimmungen zur Qualifikationsgruppe I rechtfertigt. Danach zählen nicht zu den Hochschulabsolventen im Sinne von Satz 1 Teilnehmer an einem verkürzten Sonderstudium, das nicht mit dem Erwerb eines Diploms oder Staatsexamens abschloss. Daraus ist nichts zugunsten des Klägers abzuleiten, weil lediglich geregelt wird, wer nicht zum Personenkreis der Qualifikationsgruppe gehört. Die Vorschrift trifft keine (positive) Aussage dazu, wer außer den in Satz 1 genannten Versicherten ebenfalls als Hochschulabsolvent anzuerkennen ist. Auch die Tatsache, dass der Kläger in der Bundesrepublik den Titel eines Diplom-Ingenieurs mit Fachhochschulausbildung führen darf, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil diese Genehmigung ohne Bezug zu den Verhältnissen in der DDR ist (BSG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O.).
Soweit der Kläger auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 07.10.2003, L 13 RA 4254/00, verweist, betrifft diese Entscheidung nicht die Einstufung eines Subingenieurs. Zu dieser Problematik bestätigt das LSG vielmehr ebenfalls die Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.02.2007, L 13 R 2185/03).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.