Arbeitsrecht

Berücksichtigung von ruhegehaltsfähiger Dienstzeiten

Aktenzeichen  B 5 K 17.946

Datum:
26.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48663
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 3

 

Leitsatz

Nach Nr. 24.3 Satz 1 BayVV-Versorgung müssen Tätigkeiten nach Art. 18 BayBeamtVG hauptberuflich ausgeübt worden sein, damit die Zeiten als Vordienstzeiten berücksichtigt werden können. Hauptberuflichkeit im Sinn dieser Vorschrift setzt nach Nr. 24.3.4 BayVV-Versorgung voraus, dass die Tätigkeit mindestens in einem Umfang ausgeübt wurde, der zur gleichen Zeit auch im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 13.07.2017 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 06.11.2017 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Zeiten vom 01.10.1981 bis 31.08.1989 hat (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung von Zeiten, die der Beamte vor seiner Ernennung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst verbracht hat, als ruhegehaltsfähig ist Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG. Nach dieser Vorschrift sollen auch Zeiten einer hauptberuflichen entgeltlichen Beschäftigung, die zur Ernennung des Beamten geführt haben, als ruhegehaltsfähig berücksichtigt werden. Nach der Legaldefinition des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG ist eine Tätigkeit dann hauptberuflich, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird, den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht und ihr Beschäftigungsumfang im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre.
Hiervon ausgehend liegt das Merkmal der Hauptberuflichkeit für die vom Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.1981 bis 31.08.1989 ausgeübte Tätigkeit nicht vor. Der Kläger war im vorgenannten Zeitraum unterhälftig und damit nicht hauptberuflich tätig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Hauptberuflichkeit einer vordienstlichen Tätigkeit voraus, dass sie nach ihrem zeitlichen Umfang auch von Beamten im Hauptamt ausgeübt und demzufolge auch ruhegehaltsfähig sein kann. Dies folgt aus dem Zweck der Abrechnungsvorschriften, Beamte mit qualifizierten Vordienstzeiten versorgungstechnisch „Nur-Beamten“ möglichst gleichzustellen. Danach kann eine vordienstliche Tätigkeit nicht hauptberuflich sein, wenn sie die Arbeitskraft eines Beamten nur nebenbei beansprucht oder von diesem neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung wahrgenommen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 24.06.2008 – 2 C 5/07 – juris, Rn. 12 zu §§ 10, 11 BeamtVG). Danach ist der zeitliche Mindestumfang der grundsätzlich allen Beamten eröffneten Teilzeitbeschäftigung die zeitliche Untergrenze für die Hauptberuflichkeit. Die Frage der Hauptberuflichkeit ist wiederum nach derjenigen Rechtslage zu beantworten, die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt (vgl. BVerwG, U.v. 24.06.2008 a.a.O. – juris, Rn. 13). Maßgeblich ist daher die am 01.08.2017 für bayerische Beamte geltende Regelung des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, nach dessen eindeutigem Wortlaut auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der jeweiligen Dienstleistung abzustellen ist.
Aufgrund der im Rahmen der sogenannten Föderalismusreform vorgenommenen Reföderalisierung des Dienstrechts (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) sind die einzelnen Bundesländer nunmehr befugt, den beamtenrechtlichen Begriff der Hauptberuflichkeit, für sich landesrechtlich selbst zu definieren (vgl. Weinbrenner/Schmalhofer, Beamtenversorgungsrecht, 95. Aufl. April 2011, § 10 BeamtVG, Rn. 42). Der bayerische Landesgesetzgeber hat hiervon durch die Aufnahme der Definition der Hauptberuflichkeit in Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG Gebrauch gemacht (vgl. § 2 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 05.08.2010, GVBl Nr. 15/2010 S. 538, in Kraft getreten am 01.01.2011). Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 26.01.2010, LT-Drs. 16/3200, S. 468) wird entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 25.05.2005 – 2 C 20.04; bestätigt mit U.v. 20.06.2008 a.a.O.) festgelegt, dass der Beschäftigungsumfang der Tätigkeit mindestens der im gleichen Zeitraum möglichen Teilzeitbeschäftigung entsprechen muss, und ferner zur Klarstellung bestimmt, dass es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge ankommt. Damit wird den im Laufe der Zeit gewandelten Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten Rechnung getragen.
Nach Nr. 24.3 Satz 1 BayVV-Versorgung müssen Tätigkeiten nach Art. 18 BayBeamtVG hauptberuflich ausgeübt worden sein, damit die Zeiten als Vordienstzeiten berücksichtigt werden können. Hauptberuflichkeit im Sinn dieser Vorschrift setzt nach Nr. 24.3.4 BayVV-Versorgung voraus, dass die Tätigkeit mindestens in einem Umfang ausgeübt wurde, der zur gleichen Zeit auch im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre. Insoweit gibt die Verwaltungsvorschrift lediglich die nach Art. 18 BayBeamtVG geltende Rechtslage sowie die in Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG enthaltene Legaldefinition der „Hauptberuflichkeit“ wieder. Zur Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehende Tätigkeit hinsichtlich ihres zeitlichen Umfangs im fraglichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre, wird in Nr. 24.3.4.1 BayVV-Versorgung der in den jeweiligen Jahren erforderliche Beschäftigungsumfang für eine hauptberufliche Tätigkeit aufgeführt. Nach Nr. 24.3.4.1 BayVV-Versorgung betrug zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers, mithin vor dem 01.07.1997, der zeitliche Mindestbeschäftigungsumfang der Hauptberuflichkeit mindestens die Hälfte der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (01.10.1974 bis 31.03.1989) bzw. 39 Stunden (01.04.1989 bis 31.03.1990). Bei Lehrkräften im Schulbereich muss nach Nr. 24.3.4.2 auf das Verhältnis der tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden gegebenenfalls zuzüglich Anrechnungsstunden zur Pflichtstundenzahl einer entsprechenden vollbeschäftigten Lehrkraft dem vorgenannten Verhältnis entsprechen. Nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 26.07.1974 (Az. II/1 – 8/46 650) – Unterrichtspflichtzeit der Lehrer an Gymnasien – beträgt die Unterrichtspflichtzeit bei Lehrern, die ausschließlich in Musik, Kunsterziehung oder Sport unterrichten 27 Wochenstunden (Nr. 2.2 der Bekanntmachung). Bei Lehrern, die sowohl in wissenschaftlichen Fächern als auch in Musik, Kunsterziehung oder Sport unterrichten, ist ebenfalls eine Unterrichtspflichtzeit von 27 Wochenstunden anzusetzen, sofern der wissenschaftliche Unterricht sich auf maximal zwei Wochenstunden beläuft (Nr. 2.3 der Bekanntmachung). Im Falle des Klägers als gymnasialem Sport- und Sozialkundelehrer ist angesichts des in Rede stehenden Verhältnisses von 10, 12 bzw. 13 Wochenunterrichtsstunden im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.1981 bis 31.08.1989 im Vergleich zu der von Beklagtenseite angesetzten, nicht bestrittenen Vollbeschäftigungsunterrichtszeit von 27 Unterrichtsstunden, eine hauptberufliche Beschäftigung nicht gegeben. Eine Anerkennung dieser Tätigkeit als hauptberuflich und damit als ruhegehaltsfähig ist daher nicht möglich.
2. Der Umstand, dass sich nach dem Bundesbeamtenversorgungsgesetz im Gegensatz zur landesrechtlichen Situation ein Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeiten als ruhegehaltsfähig ergeben würde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht gegeben. In der Regelung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG ist eine Verletzung des Gebotes, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, nicht zu erblicken. Die bayerische Definition der Hauptberuflichkeit, die abweichend von den Grundsätzen der Rechtsprechung zum Bundesbesoldungsgesetz nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand abstellt mit der Folge, dass die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, je nachdem, welchem Regelungsregime sie unterliegen, von unterschiedlicher Höhe sein können, ist Ausfluss des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland, das mit der Zuweisung der Gesetzgebungskompetenzen für das Besoldungs- und Versorgungsrecht an die Länder und dem Erlass landesspezifischer Besoldungs- und Versorgungsgesetze in diesem Bereich seinen Niederschlag gefunden hat. Es steht Bund und Ländern frei, die Alimentation ihrer Beamten in den Grenzen des Art. 33 Abs. 5 GG für ihren Bereich selbstständig zu regeln, wozu auch die Frage gehört, ob, in welcher Höhe und auf welche Art und Weise Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähig berücksichtigt werden. Es kann indes vom Bundes- bzw. den verschiedenen Landesgesetzgebern vernünftigerweise nicht erwartet werden, ihre jeweiligen Besoldungs- und Versorgungsvorschriften stets an sämtliche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland geltenden Besoldungs- und Versorgungsregelungen wechselseitig in einer Weise anzupassen, dass auch unter Berücksichtigung aller möglichen Sonderfälle und spezifischen Konstellationen in der Gesamtschau ein völlig konsistentes und widerspruchsfreies System entsteht. Dem Gesetzgeber verbleibt bei beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen ein weiter Spielraum des politischen Ermessens, innerhalb dessen er die Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsächlichen Notwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Jede gesetzliche Regelung des Versorgungsrechts muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten; sie mag für die Betroffenen insofern fragwürdig erscheinen. Sich daraus ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen jedoch in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. BVerfG, B. v. 30.09.1987 – 2 BvR 933/82 – BverfGE 76, 256ff.). Letzteres ist vorliegend der Fall. Nach den Ausführungen der Gesetzesbegründung wird zur Klarstellung in Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG ausdrücklich bestimmt, dass es für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge ankommt (vgl. LT-Drs. 16/3200, S. 468). Damit sollte letztlich den im Laufe der Zeit gewandelten Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. Die kontinuierliche Herabsetzung des Mindestbeschäftigungsumfangs in den letzten Jahren kann aber nicht dazu führen, dass früher unterhalb des für Beamte geltenden Mindestbeschäftigungsumfangs ausgeübte Vordienstzeiten nach heutigen Maßstäben als hauptberuflich aufgewertet werden und damit zu berücksichtigen wären. Früher geringfügige Beschäftigungen werden also nicht nachträglich zu einer hauptberuflichen Tätigkeit (vgl. Mohr in: Findeisen/Mohr/Müller, BayBeamtVG, PdK Bay – September 2014, Art. 24, Punkt 4). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann in dieser Entscheidung des Bayerischen Landesgesetzgebers nicht erblickt werden.
II.
Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. der Zivilprozessordnung – ZPO -. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
IV.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen, da das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 05.04.2017 – 3 B 15.238 – juris, Rn. 30) abweicht. Im Rahmen dieses Urteils stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit – entgegen Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG und ohne diese Vorschrift zu erwähnen – auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand ab.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen