Aktenzeichen 10 AZR 96/10
§ 157 BGB
§ 133 BGB
§ 305 Abs 1 S 1 BGB
§ 305c Abs 2 BGB
§ 1 Abs 1 TVG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Frankfurt, 3. März 2009, Az: 12/18 Ca 5762/08, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 16. November 2009, Az: 17 Sa 664/09, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. November 2009 – 17 Sa 664/09 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2009 – 12/18 Ca 5762/08 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Vordienstzeiten der Klägerin bei der Fluggesellschaft EuroBerlin (künftig: EE) bei der Berechnung von Leistungen nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter.
2
Die 1963 geborene Klägerin ist seit dem 30. Oktober 1994 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Zuvor war sie in gleicher Funktion vom 19. November 1990 bis zum 29. Oktober 1994 bei der EE tätig.
3
Die Beklagte war Minderheitsgesellschafterin bei der EE, die im Zuge der deutschen Wiedervereinigung aufgelöst wurde. Nach vorangegangenen Verhandlungen mit der damaligen Gewerkschaft ÖTV und dem Betriebsrat der EE stellte die Beklagte zeitlich gestaffelt einen Teil der Kabinendienstmitarbeiter der EE, darunter auch die Klägerin, ein. Anlässlich dieser Verhandlungen hat der Mitarbeiter G der Beklagten am 26. Mai 1993 einen Vermerk verfasst, der auszugsweise wie folgt lautet:
„Im o. g. Gespräch wurde auf Grundlage des Entwurfes ‚Regelungspunkte zur Einstellung der EuroBerlin-Kabinen-Mitarbeiter bei der DLH’ vom 10.11.1992 Einigkeit über folgende Punkte herbeigeführt:
…
3.
Vordienstzeiten werden zu 100 % angerechnet. Bezüglich der Seniorität wurde keine Einigkeit erreicht.“
4
In dem abschließend durch die Beklagte und die ÖTV erstellten „Ergebnisprotokoll zur Einstellung der EuroBerlin-Kabinenmitarbeiter bei der DLH“ vom 22. Juni 1993 heißt es auszugsweise:
„I.
Regelungen zur Einstellung
…
3.
Der Eintritt bei der DLH erfolgt ohne Probezeit und Eignungsuntersuchung. Die Mitarbeiter werden nach dem sogenannten ‚Ready-Entry-Prinzip’ umgeschult.
4.
Die Vergütung des Kabinenpersonals (CdC und FB) bei Einstellung richtet sich nach der Lufthansa Express-Vergütungstabelle. Die Mitarbeiter werden entsprechend der Anzahl ihrer vollendeten Dienstjahre eingestuft, maximal jedoch in Stufe vier.
5.
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der ersten Einstellung eines EE-Mitarbeiters bei der DLH tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis bei der EE standen, aber später bei der DLH eintreten, erhalten über Ziffer 4 hinaus bei ihrer Einstufung das Datum der ersten Einstellung eines EE-Mitarbeiters bei der DLH (technisches Einstellungsdatum) zugrunde gelegt. Das technische Einstellungsdatum gilt für die zu diesem Zeitpunkt eingestellten Mitarbeiter sowie die im obigen Sinne kollektiv Gleichbehandelten, also folgende Tatbestände:
a)
Stufensteigerungen
b)
Seniorität
c)
Krankengeldzahlungsfristen
d)
Kündigungsfristen
e)
Jubiläen
Für alle übrigen Tatbestände gilt das arbeitsrechtliche Eintrittsdatum, d. h., dass z. B. der Zuschlag zum Urlaubsgeld und das 13. Gehalt nach Einstellung bei der DLH anteilig berechnet werden.
6.
Vordienstzeiten bei der EE werden den Mitarbeitern bezüglich folgender Tatbestände angerechnet:
a)
Krankengeldzahlungsfristen
b)
Kündigungsfristen
c)
Jubiläen
d)
Seniorität
Bis zur Einstellung des letzten EE-Mitarbeiters bei der DLH werden vorher eingestellte EE-Mitarbeiter der Senioritätsliste nicht zugeordnet, sondern erhalten eine vorläufige technische Lehrgangsnummer.
Die Tarifpartner sind sich darüber einig, dass hinsichtlich Ziffer 5 b) und Ziffer 6 d) eine Regelung im Tarifvertrag Förderungsaufstieg vom 9. Februar bzw. 10. April 1979 notwendig ist und insoweit eine redaktionelle Umsetzung erfolgen muss.“
5
Im Folgenden schlossen die Parteien den von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten und gestellten Arbeitsvertrag vom 26. Oktober 1994, der auszugsweise lautet:
„2. Rechte und Pflichten
(1)
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für Lufthansa Express geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung, sowie aus den für Lufthansa Express gültigen Dienstvorschriften und Arbeitsanweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.
…
4. Vergütung
(1)
Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit und unter Anrechnung der bei der EuroBerlin Fluggesellschaft vollendeten Dienstjahre wird Frau P in die Beschäftigungsgruppe der Stewardessen/Stewards/Luft-hansa Express Stufe 04 des Vergütungstarifvertrages eingruppiert.
…
5. Zusätzliche Altersversorgung
Lufthansa hat für die Mitarbeiter der Division Lufthansa Express eine Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) geschaffen. Der entsprechende Versorgungstarifvertrag und die VBL-Satzung finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
6. Sonstiges
(1)
Vordienstzeiten bei der EuroBerlin Fluggesellschaft werden für die Berechnung
–
der Dauer der Zahlung von Krankenbezügen gemäß MTV
–
von Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen
–
der Seniorität
–
der Kündigungsfrist
–
hinsichtlich der Gewährung von Flugpreisermäßigungen (ohne Rechtsanspruch)
in vollem Umfang angerechnet.
Maßgeblich ist das Eintrittsdatum bei der EuroBerlin Fluggesellschaft, also der 19.11.1990.
(2)
Maßgebend für die Festlegung des Datums für Stufensteigerungen gemäß VTV Bord (max. Stufe 4) ist das Datum der ersten Einstellung eines EuroBerlin-Mitarbeiters bei der Deutschen Lufthansa, also der 01.01.1994.“
6
Der bei der Beklagten zur Anwendung gelangende Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter in der Neufassung vom 1. Juli 2003 (künftig: TV ÜV 2003) regelt ua.:
„§ 2
Firmenrente
(1) Flugbegleiter haben einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente haben.
(2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr.
…
(3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt nach einer Gesamtbeschäftigungszeit von 23 Jahren** 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen und mit dem Umstellungsfaktor 0,9717 (100 : 95 : 13 x 12) multiplizierten Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage).
** Siehe Protokollnotiz II
…
(4) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn der/die Flugbegleiter(in) nach dem vollendeten 45. Lebensjahr dauernd flugdienstuntauglich im Sinne von § 20 MTV Kabine geworden ist. Die Zahlung der Firmenrente beginnt am Ersten des Monats nach Beendigung des fliegerischen Arbeitsverhältnisses.“
7
Die Protokollnotiz II zum TV ÜV 2003 lautet auszugsweise:
„(2) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wiedereinstellung das 32. Lebensjahr vollendet hatten, gilt § 2 Abs. (3) mit folgender Maßgabe:
Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. (3) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt.“
8
Der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin bei der Beklagten geltende Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter idF vom 31. August 1992 (TV ÜV 1992) hatte in Auszügen folgenden Inhalt:
„§ 1
Geltungsbereich und Gegenstand
…
(2) Leistungen aus diesem Tarifvertrag werden gewährt als:
a)
Firmenrente
b)
Versichertenrente
c)
Leistungen aus der Berufsuntauglichkeitsversicherung
Die Vorschriften über die Firmenrente und die Versichertenrente (§ 2 ff.) gelten nur für Flugbegleiter, die das 32. Lebensjahr vollendet haben und in einem ungekündigten fliegerischen Arbeitsverhältnis stehen. Die Zusage der Firmenrente gilt von dem Zeitpunkt an, in dem der Flugbegleiter vom Geltungsbereich des Satzes 2 erfasst wird.
…
§ 2
Firmenrente
(1) Der Flugbegleiter hat einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass er bereits Anspruch auf Versorgungsleistungen der VBL/AV hat.
…
(3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage).
…
(5) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis nach vollendetem 45. Lebensjahr deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter dauernd fluguntauglich im Sinne von § 20 Abs. (1) a) und b) MTV BO geworden ist. Der Anspruch auf Firmenrente entsteht jedoch nicht, wenn die Fluguntauglichkeit zugleich Versorgungsleistungen der VBL/AV auslöst.
…
Protokollnotiz IV
(1) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wiedereinstellung das 32. Lebensjahr vollendet hatten, gilt § 2 Abs. (3) mit folgender Maßgabe:
Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. (3) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt.“
9
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre bei der EE verbrachten Beschäftigungsjahre seien bei der Berechnung Firmenrente nach dem TV ÜV 2003 zu berücksichtigen. Dies folge aus Ziff. 6 Abs. 1 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ihres Arbeitsvertrags („Fristen für Firmenleistungen“).
10
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass hinsichtlich der Berechnung ihrer Ansprüche auf Zahlung der Firmenrente gemäß §§ 2, 3 des Tarifvertrags Übergangsversorgung für Flugbegleiter in der Neufassung vom 1. Juli 2003 die seitens der Klägerin bei der Fluggesellschaft EuroBerlin verbrachten Vordienstzeiten seit dem 19. November 1990 anzurechnen sind.
11
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Meinung, der Formulierung im Arbeitsvertrag der Parteien sei auch unter Beachtung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht die ihr durch die Klägerin gegebene Bedeutung beizumessen. Aus der Systematik des Arbeitsvertrags und der Zusammenfassung der Begriffe „Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen“ folge, dass mit den Firmenleistungen nur untergeordnete und mit Jubiläumszuwendungen vergleichbare Leistungen gemeint sein könnten. Die Übergangsversorgung werde wegen ihrer besonderen finanziellen Bedeutung hiervon nicht erfasst.
12
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.