Arbeitsrecht

Berücksichtigung von Vordienstzeiten für die Bemessung des Ruhegehalts

Aktenzeichen  M 21 K 14.213

Datum:
26.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137124
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 10 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 2 S. 2
BBG § 17 Abs. 4 Nr. 1
LAP-gntDBWVV § 4
BeamtVGVwV Tz. 1.8.2

 

Leitsatz

1. Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst können nur dann nach § 10 S. 2 BeamtVG als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, wenn zwischen der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis und der Ernennung ein funktioneller Zusammenhang besteht, welcher gegeben ist, wenn die Ernennung wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen ist, die der Beamte durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat. Das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs zwischen vordienstlicher Tätigkeit und Ernennung umfasst die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass es sich dabei um eine für die Laufbahn des Beamten förderliche Tätigkeit gehandelt haben muss. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus diesem funktionellen Zusammenhang folgt, dass unter „Ernennung“ im Sinne des § 10 BeamtVG die Entscheidung zu verstehen ist, durch die ein Beamtenverhältnis auf Probe begründet wird. Die Ernennung zum Beamtenanwärter unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf wird von § 10 BeamtVG nicht erfasst. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine dem mittleren Dienst vergleichbare Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst ist dann keine förderliche und damit ruhegehaltfähige Vordienstzeit im Sinne des § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG, wenn die Anforderungen an die Ernennung des Beamten in der Laufbahn des gehobenen Dienstes im Wesentlichen durch die Ableistung des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen der Laufbahnprüfung erfüllt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Vortätigkeit im Funktionszusammenhang allein mit dem – für eine Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit gemäß § 10 BeamtVG nicht ausreichenden – Zugang zum Vorbereitungsdienst steht, nicht jedoch mit der Ernennung zum Beamten. (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner im Zeitraum vom 25. Februar 2000 bis zum 30. September 2009 zurückgelegten Beschäftigungszeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 11. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des BAPersBw vom 20. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Ob Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen sind, soll nach § 49 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BeamtVG in der Regel bei der Berufung in das Beamtenverhältnis entschieden werden. Ein solcher Verwaltungsakt kann mit der auf Anerkennung weiterer ruhegehaltfähiger Dienstzeiten gerichteten Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO angegriffen werden.
1.2 Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt ausschließlich § 10 BeamtVG in Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sollen auch Zeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, in denen ein Beamter nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von ihm zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat. Dabei kann es sich nach § 10 Satz 2 BeamtVG entweder um Zeiten einer hauptberuflichen, in der Regel einem Beamten obliegenden oder später einem Beamten übertragenen entgeltlichen Beschäftigung oder um Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit handeln.
1.2.1 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dazu geklärt, dass zwischen der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis und der Ernennung ein funktioneller Zusammenhang bestehen muss, welcher gegeben ist, wenn die Ernennung wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen ist, die der Beamte durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat. Diese Tätigkeit stellt einen wesentlichen Grund für die Ernennung dar, wenn sie die spätere Dienstausübung als Beamter entweder ermöglicht oder doch erleichtert und verbessert hat. Das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs zwischen vordienstlicher Tätigkeit und Ernennung umfasst die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass es sich dabei um eine für die Laufbahn des Beamten förderliche Tätigkeit gehandelt haben muss (st. Rspr., z.B. BVerwG vom 05.12.2011 – 2 B 103.11 – juris; vom 19.02.1998 – 2 C 12.97 – DVBl 1998, 641 = DokBer B 1998, 211 = ZTR 1998, 382 = ZBR 1998, 313 = NVwZ-RR 1998, 575 = IÖD 1998, 273 = DÖD 1999, 30 = Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 12; vom 14.03.2002 – 2 C 4.01 – DokBer 2002, 179 = ZTR 2002, 400 = IÖD 2002, 210 = NVwZ-RR 2002, 667 = DVBl 2002, 1222 = DÖV 2002, 828 = ZBR 2003, 47 = RiA 2003, 189 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/C II 1.1.2 Nr. 35 = Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 14).
Aus diesem funktionellen Zusammenhang folgt, dass unter „Ernennung“ im Sinne des § 10 BeamtVG die Entscheidung zu verstehen ist, durch die ein Beamtenverhältnis auf Probe begründet wird (BVerwG vom 05.12.2011, a.a.O.). Denn erst in einem solchen Beamtenverhältnis nimmt der Beamte dienstliche Aufgaben wahr, für deren Erledigung ihm die Kenntnisse und Erfahrungen zugutekommen, die er durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat. Die Ernennung etwa zum Beamtenanwärter unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf wird von § 10 BeamtVG nicht erfasst, weil dieses Beamtenverhältnis seit jeher der Ausbildung in einem Vorbereitungsdienst dient. Dieser soll den Beamtenanwärtern die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Dienstausübung erst vermitteln, die für die Wahrnehmung eines Amtes der jeweiligen Laufbahn erforderlich sind. Dementsprechend endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf kraft Gesetzes mit dem Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der abschließenden Laufbahnprüfung (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 2 BBG).
1.2.2 Somit kommt es hier ausschließlich darauf an, ob zwischen der von dem Kläger ausgeübten langjährigen Tätigkeit als Tarifbeschäftigter und seiner Ernennung zum … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe der o.g. funktionelle Zusammenhang besteht. Diese Frage ist zu verneinen.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass eine dem mittleren Dienst vergleichbare Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst dann keine förderliche und damit ruhegehaltfähige Vordienstzeit im Sinne des § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG sein kann, wenn die Anforderungen an die Ernennung des Beamten in der Laufbahn des gehobenen Dienstes im Wesentlichen durch die Ableistung des Vorbereitungsdienstes und das Bestehen der Laufbahnprüfung erfüllt werden (OVG Münster vom 09.05.2011 – 1 A 88/08 – juris). Insoweit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse vollumfänglich und in ausreichendem Maße im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten dann regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst (OVG Münster vom 09.05.2011, a.a.O.; VGH Kassel vom 06.11.1996 – 1 UE 327/95 – juris). Steht die Zulassung zum beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst allen Bewerbern offen, die die sonstigen Voraussetzungen dafür erfüllen, so kann im allgemeinen davon ausgegangen werden, dass für die der Ableistung des Vorbereitungsdienstes folgende Anstellung des Beamten im funktionellen Sinn die während des Vorbereitungsdienstes erworbenen und durch die Anstellungsprüfung nachgewiesenen Fähigkeiten und Kenntnisse allein ausreichend und ausschlaggebend sind (BayVGH vom 11.05.1998 – 3 ZB 98.642 – juris).
1.2.3 Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Vortätigkeit gewissermaßen eine Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist. Dies soll nach der Rechtsprechung etwa dann der Fall sein, wenn der Vorbereitungsdienst vornehmlich Angehörigen des öffentlichen Dienstes offen steht, die als Angestellte über bestimmte Vorerfahrungen verfügen (OVG Münster vom 09.05.2011, a.a.O.; VGH Kassel vom 06.11.1996, a.a.O.). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Die betreffende Formulierung darf nicht in dem von dem Kläger in Anspruch genommenen Sinne missverstanden werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt entgegen seiner Auffassung nicht schon dann vor, wenn die Tätigkeit als Tarifbeschäftigter des Bundes irgendeine, auch nur mittelbare Bedeutung für die spätere Ernennung zum … erlangt hat. Die Bedeutung der Tätigkeit als Tarifbeschäftigter liegt im vorliegenden Fall darin, dass sie dem Kläger dazu verholfen hat, den Nachweis der allgemeinen Bildungsvoraussetzungen für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zu führen, also die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Nr. 1 BBG i.V.m. § 4 der Verordnung über die Laufbahn, Ausbildung und Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung (LAPgntDBWVV) vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 779), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 20 der Verordnung vom 12. Februar 2009 (BGBl. I S.320) zu erfüllen. Nur aufgrund seiner hauptberuflichen Tätigkeit in einer dem mittleren Dienst entsprechenden Funktion, die er als nichtbeamteter Tarifbeschäftigter wahrgenommen hat, gehörte er dem Personenkreis an, der zu einem Aufstiegsverfahren für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zugelassen werden konnte, obwohl er die dafür eigentlich erforderliche Fachhochschulreife nicht mitbrachte. Somit steht die Vortätigkeit hier im Funktionszusammenhang allein mit dem – für eine Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit gemäß § 10 BeamtVG nicht ausreichenden – Zugang zum Vorbereitungsdienst, nicht jedoch – wie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. oben) nötig – mit der Ernennung zum Beamten.
Insoweit gilt für eine praktische Tätigkeit, die den Zugang zum Aufstiegsverfahren eröffnet hat, nichts anderes als für eine praktische Ausbildung. Eine praktische Ausbildung, die als solche nicht vorgeschrieben ist und die an die Stelle des erforderlichen allgemeinen Schulabschlusses tritt, um – wie hier – Bewerbern, die nicht über einen solchen Schulabschluss verfügen, die Aufnahme der Ausbildung im Vorbereitungsdienst zu ermöglichen, kann nicht als ruhegehaltfähig anerkannt werden (BVerwG vom 05.12.2011, a.a.O., Leitsatz 3, Rn. 12).
Dass § 10 Satz 1 BeamtVG Vordienstzeiten, die an die Stelle einer nicht vorhandenen Schulbildung treten, nicht erfasst, ergibt sich auch aus der systematischen Erwägung, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BeamtVG solche Vordiensttätigkeiten, welche die an sich erforderliche allgemeine Schulbildung ersetzen, ebenfalls nicht gelten lässt (OVG Münster vom 09.05.2011, a.a.O.). Was aber nach vorgenannter Vorschrift ausgeschlossen ist, kann nicht nach § 10 Satz 1 BeamtVG doch noch zur Anerkennung als ruhegehaltfähig führen.
2. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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