Arbeitsrecht

Bestand eines Arbeitsverhältnisses nach dem Betriebsübergang

Aktenzeichen  7 Sa 206/18

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2019, 1511
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 613 a Abs. 4, § 626 Abs. 1
KSchG § 1
SGB V § 103 Abs. 4
BetrVG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Werden unterschiedliche Arztpraxen aufgrund einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft gemeinschaftlich verwaltet, koordiniert und organisiert, bilden sie einen Betrieb im Sinne des § 613 a BGB. Wird die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft aufgelöst, führt dies zu einer Stilllegung des bisherigen Betriebs. Werden Praxen lediglich einzeln durch einen der bereits tätigen Ärzte oder eine neue überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft fortgeführt, liegt darin kein (Teil-)Betriebsübergang. (Rn. 53 – 55 und ) (Rn. 71)

Verfahrensgang

4 Ca 932/17 2018-05-03 Endurteil ARBGBAYREUTH ArbG Bayreuth

Tenor

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth – Kammer Hof – vom 03.05.2018 wird abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2017 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, sondern darüber hinaus bis 30.06.2018 zu unveränderten Bedingungen fortbestanden hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 1/3, die Klägerin trägt 2/3.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG.
Die Berufung ist nur teilweise begründet.
Dem Arbeitsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 wirksam abgeschlossen worden ist. Zweifel hieran bestehen deshalb, weil eine wirksame Vertretung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft möglicherweise nicht vorlag. Der Arbeitsvertrag wurde zwischen der Klägerin und der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft geschlossen. Letztere war dabei durch Herrn Dr. A. vertreten. Gemäß § 7 des Vertrags über die Errichtung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft vom 14.11.2013 erfolgte die rechtsgeschäftliche Vertretung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft durch alle drei Gesellschafter gemeinsam.
Durch den Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 wurde ein Arbeitsverhältnis indes nicht begründet. Ein Arbeitsverhältnis mit Herrn Dr. A. bestand mindestens seit 01.01.1995. Dies ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag vom 25.10.2005, den die Klägerin vorgelegt hat. Nach den ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Arbeitsverträgen vom 18.07.2011 und 28.03.2013 erfolgte ihre Beschäftigung ab 16.07.2011 als Managerin des Landarztzentrums.
Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und Herrn Dr. A. ist zum 01.01.2014 auf die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft übergegangen. Dies ergibt sich bereits aus § 4 des Vertrags über die Errichtung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft vom 14.11.2013. Danach trat die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft in alle am 01.01.2014 für die Einzelpraxis laufenden Verträge ein. Hierunter fallen auch die Arbeitsverträge.
Eine Anfechtung des Arbeitsvertrags würde somit nicht dazu führen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stünde. Ob die darin vereinbarte Vergütung für die Beklagte bindend, insbesondere angemessen ist, war hier nicht zu entscheiden.
Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden. Es liegen keine Tatsachen vor, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist als für die Beklagte unzumutbar erscheinen lassen, § 626 Absatz 1 BGB. Insbesondere hat die Beklagte derartige Tatsachen nicht vorgetragen. Soweit sie sich auf betriebsbedingte Gründe beruft, können diese eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist allerdings durch die ordentliche, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung vom 27.11.2017 beendet worden, § 620 Absatz 2 BGB.
Die Kündigung ist wirksam.
Sie verstößt nicht gegen § 613 a Absatz 4 BGB. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung der Klägerin weder ein Übergang des gesamten Betriebs noch eines Teils des Betriebs vor.
Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 693/10; juris).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs, der das erkennende Gericht folgt, liegt ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSd § 613 a Absatz 1 vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge. Fehlten nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte oder wurden sie nicht übernommen, so ist von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit dann auszugehen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl. Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 19.03.2015 ‒ 8 AZR 150/14; juris). Nur wenn vor einem behaupteten Übergang eine wirtschaftliche Einheit besteht, stellt sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs(teil)überganges. Auch für eine zutreffende Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Identität einer gegebenenfalls bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu bestimmen. Die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern beeinflussen sich wechselseitig (vgl. Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 22.01.2015 ‒ 8 AZR 139/14; juris).
Gemessen an diesen Kriterien hat vorliegend ein Betriebsübergang nicht stattgefunden.
Die Klägerin ist für die Tatsachen, die einen Betriebsübergang begründen, darlegungs- und beweispflichtig.
Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergibt sich bereits nicht, inwiefern ein Betrieb als Ganzes oder ein Teilbetrieb auf welchen Erwerber übergegangen sein soll. So macht die Klägerin sowohl geltend, der ursprüngliche Betrieb sei übergegangen, als sie sich auch darauf beruft, es habe einen Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter Dr. B. und einen Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter C. gegeben, wobei der Betriebsteil C. in dessen neuer GbR mit Frau Dr. X. aufgegangen sei. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich indes weder, dass überhaupt Teilbetriebe vorgelegen haben, noch, welchem Teilbetrieb sie zuzuordnen war.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts gab es einen Betrieb. Dieser bestand aus den Betriebsstätten S-Stadt, E-Stadt und F-Stadt. Dagegen gab es keine Teilbetriebe.
Ein Teilbetrieb setzt in Anlehnung an § 4 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 2 BetrVG eine selbständige abtrennbare organisatorische Einheit voraus, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzweckes ein Teilzweck verfolgt wird.
Zweck der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft war die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an unterschiedlichen Vertragsarztsitzen. Zu diesem Zweck wurde die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft gegründet, wie sich aus dem Genehmigungsbeschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken vom 26.02.2014 (Bl. 209 d.A.) ergibt.
Zwar erfolgte die Betreuung der Patienten, bedingt durch den räumlichen Abstand der Praxen, eher ortsbezogen. Insofern kann ein Teilzweck angenommen werden. Die einzelnen Praxen bildeten indes keine eigene organisatorische Einheit.
Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten befand sich der Hauptbetriebssitz der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft in S-Stadt. Dies wird im Übrigen durch den o.g. Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken bestätigt, wonach der Vertragsarztsitz S-Stadt als Hauptbetriebsstätte gewählt worden sei. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass vom Hauptbetriebssitz aus Steuerung, Organisation und Verwaltung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft erfolgten und Ärzte und sonstiges Praxispersonal an den einzelnen Standorten in wechselnder Zusammensetzung zum Einsatz gekommen seien. Vielmehr führt sie selbst aus, sie sei für das Personal in allen drei Betriebsstätten zuständig gewesen, habe in E-Stadt und in S-Stadt Tätigkeiten erbracht und sei in allen Praxen vertretungsweise bei Krankheit und Urlaub der Mitarbeiterinnen zum Einsatz gekommen.
Es ist somit nicht feststellbar, dass es sich bei den einzelnen Praxen in S-Stadt, E-Stadt und F-Stadt um abtrennbare organisatorische Einheiten handelte.
Selbst wenn es sich bei den drei Praxen um drei Teilbetriebe gehandelt hätte, wäre die Kündigung der Klägerin nicht nach § 613 a Absatz 4 BGB unwirksam. Die Klägerin wäre keinem der drei Praxen zuzuordnen. Eine solche Zuordnung könnte allenfalls zum Hauptsitz S-Stadt angenommen werden. Diese Praxis ist indes unstreitig zum 31.12.2017 stillgelegt worden und wird nicht fortgeführt.
Der ursprüngliche Betrieb ist stillgelegt.
Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, mit der mehrere Ärzte gemeinsam vertragsärztliche Tätigkeiten ausüben, stellt einen betriebsmittelarmen Betrieb dar.
Eine Arztpraxis ist darauf gerichtet, Patienten medizinisch zu versorgen. Hierzu bedarf es neben der im Vordergrund stehenden ärztlichen Leistung einer Organisation. So sind Mitarbeiter erforderlich, die medizinisch-technische wie auch verwaltungsmäßige Aufgaben erledigen. Ferner sind bestimmte Räumlichkeiten wie Wartezimmer, Untersuchungszimmer, Behandlungsräume, Labor erforderlich. Daneben gehören zu einer Arztpraxis medizinische Geräte, die der Untersuchung und Behandlung dienen. Schließlich bedarf der Betrieb einer Arztpraxis einer Büroausstattung, mit der die verwaltungstechnische Abwicklung der Behandlungen erfolgen kann.
Im Mittelpunkt einer Arztpraxis steht die Betreuung der Patienten durch die Ärzte und die nichtärztlichen medizinischen Mitarbeiter. Gerade wie im vorliegenden Fall kommt dazu, dass, anders als beispielsweise in einer Universitätsklinik, der persönliche Bezug zwischen Patient und Arzt groß ist und das Verhältnis Arzt-Patient von einem besonderen Vertrauen geprägt ist.
Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22.06.2012 (8 AZR 107/10; juris) ausführt, kann dies zwar anders sein, wenn die Praxis vor allem wegen der medizinischen Untersuchungs- bzw. Behandlungsgeräte aufgesucht wird. Eine solche Praxis hat die Beklagte indes nicht betrieben.
Danach setzt ein Betriebsübergang voraus, dass eine Fortführung der Arztpraxen mit einem wesentlichen Teil des Personals erfolgt.
Dies ist nicht der Fall.
Von den ursprünglich drei Praxen werden lediglich zwei fortgeführt, die in E-Stadt und die in F-Stadt. Dies erfolgt indes nicht durch die beklagten Ärzte. Vielmehr führt Dr. B. die Praxis in F-Stadt allein fort, Herr C. die Praxis in E-Stadt in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Frau Dr. X..
Dies ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten, den die Klägerin nicht bestreitet.
Das nichtärztliche Personal ist von keinem der beiden Ärzte überwiegend übernommen worden.
Nach dem Vorbringen der Klägerin beschäftigte die Beklagte über 10 Mitarbeiter. Die Beklagte hat ausgeführt, zum Zeitpunkt der Kündigung seien neben der Klägerin 10 Arbeitnehmer und vier Auszubildende beschäftigt gewesen.
Von diesen wird nach dem Vorbringen der Klägerin Frau O. beschäftigt, allerdings nicht von den Beklagten, sondern von Herrn Dr. B. allein.
Die Klägerin trägt darüber hinaus vor, Frau K., Frau N., Frau Q. und Frau W. würden von Herrn C. in der Praxis in Berg beschäftigt.
Die Beklagte führt selbst aus, dass Frau K. und Frau N. in der neuen überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft angestellt seien. Aus seinem Sachvortrag ergibt sich außerdem, dass Frau W. weiter ausgebildet wird. Zu dem Vorbringen, es sei auch Frau Q. übernommen worden, hat sich die Beklagte nicht geäußert, der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin gilt daher als zugestanden, § 138 Absatz 4 ZPO.
Auch wenn man danach davon ausgeht, dass in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Herrn C. und Frau Dr. X. drei der ehemaligen Mitarbeiter und eine Auszubildende weiterbeschäftigt werden, genügt dies nicht, um einen Betriebsübergang zu begründen.
Soweit sich die Klägerin auf den Praxisübernahmevertrag zwischen Herrn Dr. A. und Herrn C. vom 18.05.2017 beruft, kann dies einen Betriebsübergang nicht begründen.
Die Beklagte wendet hiergegen ein, der Praxisübernahmevertrag sei nie umgesetzt worden. Die Klägerin ist diesem Sachvortrag nicht entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass es eine Anlage im Sinne der Ziffer 7.1 des Übernahmevertrags gegeben habe, in der ihr Arbeitsverhältnis aufgeführt gewesen sei.
Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Absatz 1 BGB hätte es aufgrund des Übernahmevertrags nicht ohne ausdrückliche Regelung der Übernahme der Arbeitsverhältnisse gegeben. Der Vertrag diente ersichtlich dazu, Herrn C. unter sozialrechtlichen Gesichtspunkten die Weiterführung der Praxis als Nachfolger von Herrn Dr. A. zu ermöglichen. Dies ergibt sich aus den Ziffern 11.2 und 11.3 des Vertrags. Herr Dr. A. hatte seine Zulassung zurückgegeben. Es war daher ein Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Absatz 4 SGB V durchzuführen. In diesen Fällen führt der Verkauf einer Praxis nicht zu einem Betriebsübergang (Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 22.06.2011 – 8 AZR 107/10; juris).
Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, § 1 Absatz 1 KSchG. Es liegen dringende betriebliche Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG.
Der Betrieb der Beklagten, so wie er sich nach den obigen Ausführungen darstellt, ist zum 31.12.2017 stillgelegt worden.
Auch wenn sowohl Herr Dr. B. als auch Herr C. weiterhin als Ärzte tätig sind, geschieht dies dennoch nicht im Rahmen des bisherigen Betriebs.
Infolge der Stilllegung des Betriebs ist der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entfallen.
Die Klägerin war, wie sich aus den von ihr vorgelegten Arbeitsverträgen vom 18.07.2011, 28.03.2013 und 01.04.2016 ergibt, ab 16.07.2011 als Managerin des Landarztzentrums beschäftigt. Mit dem Wegfall der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft entfiel auch die Notwendigkeit, die verschiedenen Praxen zu organisieren und zu koordinieren.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Beklagte habe eine soziale Auswahl vornehmen müssen, ist dem zwar im Grundsatz zuzustimmen, wie sich aus § 1 Absatz 3 KSchG ergibt. Zum einen hat die Beklagte indes allen Arbeitnehmern gekündigt, zum anderen hätte die Klägerin vortragen müssen, wer mit ihr vergleichbar war und wer vor ihr hätte gekündigt werden müssen.
Die Kündigung erweist sich somit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten als wirksam.
Aufgrund der seit mindestens 01.01.1995 bestehenden Beschäftigungsdauer beträgt die Kündigungsfrist sieben Monate zum Monatsende, § 622 Absatz 2 Ziffer 7 BGB.
Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin im November 2017 zu. Die Klägerin macht zwar geltend, der Zugang der Kündigung sei erst im Dezember 2017 gewesen.
Dem kann indes nicht gefolgt werden.
Die Beklagte führt aus, Herr C. habe das Kündigungsschreiben im Beisein von Frau W. am 27.11.2017 in den zur Wohnanschrift der Klägerin gehörenden Briefkasten eingeworfen. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Die Klägerin hat hierzu lediglich ausgeführt, das Kündigungsschreiben habe am 02.12.2017 im Briefkasten gelegen. Dies schließt nicht aus, dass das Schreiben am 27.11.2017 eingeworfen wurde. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass die Klägerin den Briefkasten vor dem 02.02.2017 kontrollierte und ein Brief der Beklagten nicht vorhanden war.
Das Arbeitsverhältnis endete somit mit Ablauf des 30.06.2018.
Insoweit war das Ersturteil abzuändern und die Klage teilweise abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO.
Die Klägerin kann gegen dieses Urteil Revision einlegen. Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der Frage, wie der Betriebsbegriff in Fällen der vorliegenden Art (ärztliche überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft) zu definieren ist, zugelassen.

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