Arbeitsrecht

Bestimmung eines Vergleichsmehrwerts

Aktenzeichen  24 W 278/19

Datum:
15.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
JurBüro – 2019, 368
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3 f., § 9
GKG § 68 Abs. 3

 

Leitsatz

§ 9 ZPO (in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) findet auf die Bestimmung eines Vergleichsmehrwerts Anwendung, wenn die Parteien sich über nicht rechtshängig gewesene wiederkehrende Leistungen verglichen haben.

Verfahrensgang

33 O 1435/12 2019-01-02 Bes LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

1. Auf die Streitwertbeschwerde des Klägers vom 18.01.2019 wird Nr. II des Beschlusses des Landgerichts Memmingen vom 02.01.2019, Az. 33 O 1435/12, dahingehend abgeändert, dass der Vergleichsmehrwert auf 226.041,00 € festgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
1. Die Parteien stritten vor dem Landgericht um Schadensersatz für bereits eingetretenen Verdienstausfall und bereits fällig gewordene Versicherungsbeiträge (vgl. die Klageanträge aus dem Schriftsatz vom 28.06.2016 [Bl. 220 f. d. A.], die in der letzten mündlichen Verhandlung vom 28.08.2018 [Protokoll Bl. 283/285 d. A.] gestellt worden sind).
2. Mit Beschluss vom 02.01.2019 (Bl. 301/304 d. A.), den Klägervertretern zugestellt am 08.01.2019, stellte das Landgericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs fest. Durch diesen Vergleich wurden nicht nur die streitgegenständlichen Forderungen erledigt, sondern auch nicht rechtshängig gewesene Ansprüche des Klägers auf Ersatz künftigen Verdienstausfalls und künftiger Krankenversicherungsbeiträge sowie auf Ersatz einer Steuerbelastung aus der im Vergleich vereinbarten Abfindungszahlung und diesbezüglicher Steuerberaterkosten.
3. Einem Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 17.12.2018 (Bl. 299 f. d. A.) folgend, setze das Landgericht in der angegriffenen Nr. II des Beschlusses vom 02.01.2019 den Vergleichsmehrwert auf 798.841,00 € fest. Dieser berechnete sich aus einem künftigen Verdienstausfall bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres des Klägers in Höhe von 520.000,- € (400 Monate à 1.300,00 €), bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 120.000,00 € (400 Monate à 300,00 €), einer angenommenen Steuerbelastung des Klägers aus der vereinbarten Abfindung in Höhe von 153.841,00 € sowie angenommenen diesbezüglichen Steuerberaterkosten in Höhe von 5.000,00 €.
4. Hiergegen richtet sich die am 18.01.2019 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers vom selben Tag (Bl. 307 d. A.), mit welcher dieser geltend macht, gemäß § 9 ZPO sei für künftigen Verdienstentgang und künftige Krankenversicherungsbeiträge jeweils nur der 42-fache Monatsbeitrag anzusetzen; die Steuerbelastung durch die Abfindungszahlung sei mit 70.000,00 € anzusetzen.
5. Die Beklagtenvertreter äußerten sich zur sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 25.02.2019 (Bl. 312 f. d. A.), mit dem sie im Wesentlichen geltend machten, eine Anwendung des § 9 ZPO käme nur in Betracht bezüglich geltend gemachter wiederkehrender Leistungen; es sei jedoch weder eine künftige Rentenzahlung beantragt noch ein diesbezüglicher Feststellungsantrag gestellt worden.
6. Mit Beschluss vom 28.02.2019 (Bl. 314 f. d. A.) half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.
II.
Die zulässige Streitwertbeschwerde ist hinsichtlich des Wertansatzes für künftigen Verdienstausfall und für künftige Krankenversicherungsbeiträge begründet, im Übrigen unbegründet.
1. Der Umstand, dass die oben zu Nr. I. 3 genannten klägerischen Ansprüche vor Abschluss des Vergleichs nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren, ist Voraussetzung dafür, dass der Vergleich überhaupt einen Mehrwert gegenüber dem Streitwert hat (OLG Rostock vom 08.11.2018 – 4 W 27/18 – juris Rn. 19 m. w. N.; OLG Stuttgart vom 03.08.2009 – 7 W 48/09 – juris Rn. 9; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl. 2016, Rn. 5473), besagt aber noch nichts über die zur Bestimmung dieses Mehrwerts anwendbaren Vorschriften.
2. Die Bemessung des Vergleichs(mehr) werts richtet sich nicht danach, worauf sich die Parteien geeinigt haben, sondern danach, worüber sie sich geeinigt haben (vgl. nur OLG Karlsruhe vom 31.03.2015 – 12 W 7/15 – juris Rn. 7; Kurpat, a. a. O., Rn. 5485). Der Umstand, dass die Parteien hinsichtlich des künftigen Verdienstentgangs und der künftigen Krankenversicherungsbeiträge eine Einmalzahlung vereinbart haben, ist daher (entgegen dem Nichtabhilfebeschluss vom 28.02.2019) für die Bemessung des Vergleichswerts, insbesondere für die Frage der Anwendbarkeit des § 9 ZPO, ohne Bedeutung. Relevant ist also, dass die Parteien sich über künftige wiederkehrende Leistungen geeinigt haben, die weder über einen Leistungs- noch über einen Feststellungsantrag Gegenstand des Rechtsstreits waren.
3. Werden solche künftigen wiederkehrenden Leistungen rechtshängig gemacht, werden sie im Rahmen der Streitwertfestsetzung gemäß § 9 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag (entspricht dem zweiundvierzigfachen Monatsbetrag) bewertet. Es gibt keinen Grund dafür, diese Bestimmungen im Rahmen der Festsetzung eines Vergleichs(mehr) wertes nicht anzuwenden. Dem entsprechend herrscht auch (soweit ersichtlich) Einigkeit darüber, dass bei der Bemessung eines Vergleichs(mehr) werts die allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO (einschließlich § 9 ZPO) Anwendung finden (vgl. OLG Düsseldorf vom 11.05.2009 – I-24 W 16/09 – juris Rn. 10; OLG Karlsruhe vom 31.03.2015 – 12 W 7/15 – juris Rn. 11; vom 21.10.2014 – 9 W 33/14 – juris Rn. 12; Kurpat, a. a. O., Rn. 5483 und 5522). Damit sind für die Einigung über den künftigen Verdienstausfall 42 Monatsbeträge à 1.300,00 €, insgesamt also 54.600,00 €, und für die Einigung über die künftigen Krankenversicherungsbeiträge 42 Monatsbeträge à 300,00 €, insgesamt also 12.600,00 €, anzusetzen.
4. Hinsichtlich der voraussichtlichen Steuerbelastung des Klägers aus der vereinbarten Abfindung und der diesbezüglichen voraussichtlichen Steuerberaterkosten verbleibt es hingegen bei den vom Landgericht vorgenommenen Ansätzen. In der sofortigen Beschwerde wird nicht ansatzweise dargelegt, weshalb diese unzutreffend sein sollten.
5. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 68 Abs. 3 GKG).

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