Aktenzeichen 3 AZR 386/13
§ 133 BGB
§ 157 BGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Offenbach, 16. Mai 2012, Az: 5 Ca 410/11, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 6. Februar 2013, Az: 6 Sa 869/12, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Februar 2013 – 6 Sa 869/12 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Höhe der jährlichen Anpassung des betrieblichen Altersruhegelds des Klägers.
2
Der im März 1946 geborene, der Gewerkschaft ver.di angehörende Kläger war bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet. Im Vorfeld hatten die Bundesrepublik Deutschland und die Beklagte am 23. Dezember 1992 eine Rahmenvereinbarung geschlossen. Darin verpflichtete sich die Beklagte, jedem Beschäftigten der BFS ein Übernahmeangebot einschließlich einer Versorgungszusage zu unterbreiten. Die Rahmenvereinbarung bestimmt dazu in § 5 Abs. 11 auszugsweise:
„Die DFS wird grundsätzlich jedem dem Luftfahrt-Bundesamt (Abteilung Flugsicherung) angehörenden ehemaligen Beschäftigten der Bundesanstalt für Flugsicherung ein Übernahmeangebot unterbreiten. Das Angebot hat auch eine Versorgungszusage zu enthalten, welche die spätere Versorgung dieses Personals durch die DFS regelt. Diese Zusage muß dem jeweiligen Beamten und Arbeitnehmer eine Versorgung in der Höhe sicherstellen, die er zum Zeitpunkt des Überwechselns zur DFS erreicht hat; dies soll in geeigneter Form tarifvertraglich vereinbart werden.“
3
Die Beklagte schloss mit den Gewerkschaften DAG und ÖTV den Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: MTV 1993). § 42 MTV 1993 lautet:
„Die betriebliche Altersversorgung wird in einem separaten Tarifvertrag geregelt.“
4
Hierzu schlossen dieselben Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993). Dieser Tarifvertrag bestimmt ua.:
„Die nachfolgend vereinbarte Leistung, deren Finanzierung von der DFS garantiert wird, dient der Absicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei Dienstunfähigkeit sowie der Hinterbliebenen bei Tod einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters, und ersetzen die bei der BFS und dem LBA vorhandenen Versorgungssysteme. …
§ 3
Art der Versorgungsleistungen
(1)
Folgende Leistungen werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:
a)
Altersruhegeld,
…
(2)
Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem ruhegeldfähigen Jahreseinkommen (§ 4) und der anrechenbaren Beschäftigungszeit (§ 5).
§ 4
Ruhegeldfähiges Einkommen
(1)
Das ruhegeldfähige Jahreseinkommen wird aus der Vergütung im letzten Beschäftigungsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bestehend aus den Grundbeträgen nach dem VTV und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem ZTV zuzügl. des jeweiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ermittelt. …
§ 16
Anpassung
Die DFS paßt jährlich erstmals zum 1.1. des dem Rentenbeginn folgenden übernächsten Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 2 % an. Nach 3 vollen Kalenderjahren erfolgt eine Anpassung in Höhe der Steigerung der Lebenshaltungskosten eines 4-Personen-Arbeitnehmer-haushaltes mit mittlerem Einkommen (alte Bundesländer) innerhalb des jeweiligen Rentenbezugszeitraumes, wobei die zwischenzeitlichen Anpassungen angerechnet werden. Ist die Steigerung der Lebenshaltungskosten innerhalb dieses Zeitraumes niedriger als die Wirkung der jährlich vorgenommenen Anpassungen, so werden diese Teile der Anpassung im folgenden Dreijahreszeitraum angerechnet.“
5
Am 29. August/20. November 1994 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der ua. bestimmt:
„§ 1 Vertragsgegenstand
1. Herr B wird ab 01.12.1994 als Flugmeßingenieur bei SNF beschäftigt. Sein Beschäftigungsort ist K.
2. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden und an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.
…
§ 5 Versorgung
Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.“
6
Mit Wirkung zum 30. Oktober 1995 wurde die Außenstelle „Gemeinsame Flugvermessungsstelle“ geschlossen. Aus Anlass der Betriebsstellenschließung wurde am 18. Oktober 1994 ein Interessenausgleich und Sozialplan zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat der Außenstelle geschlossen. Für die von der Personalreduzierung betroffenen Beschäftigten war ua. eine Versetzung in den Ruhestand nach Maßgabe der Tarifverträge vorgesehen. Der Sozialplan bestimmt hierzu:
„§ 6
Vorruhestand
(1)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen trotz intensiver Prüfung aller Dispositionsmöglichkeiten kein Arbeitsplatz angeboten werden kann, sind verpflichtet, sich in den Vorruhestand versetzen zu lassen, wenn sie die tariflichen Voraussetzungen dazu erfüllen.
…
(4)
Der Vorruhestand kann einvernehmlich zwischen der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter und der DFS auch mit weniger als 54 Lebensjahren beginnen. Das Vorruhestandsgeld wird dann je Monat früheren Eintretens in den Vorruhestand um 0,3 % gekürzt. Das Vorruhestandsgeld beträgt jedoch mindestens 65 % vom Bruttoarbeitsentgelt i. S. d. § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes.
…
§ 12
Schlußbestimmungen
(1)
Soweit ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung den gleichen Gegenstand wie dieser Sozialplan unterschiedlich regeln, ist die für die Beschäftigten günstigere Bestimmung maßgebend. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zum Struktur-TV vom 10. Mai 1994. …“
7
Die Parteien schlossen einvernehmlich auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 des Sozialplans einen Vertrag über Vorruhestand. Dieser lautet auszugsweise:
„§ 1
Beginn des Vorruhestandes
1.
Herr B tritt mit Wirkung vom 01.04.1996 in den Vorruhestand ein. Dieser bestimmt sich nach dem Tarifvertrag über Strukturmaßnahmen und Vorruhestand für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Struktur-TV) vom 10.5.1994.
…
§ 5
Betriebliche Altersversorgung
1.
Der Vorruhestand endet zu dem Zeitpunkt, in dem frühestens eine gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Versorgungsleistungen beansprucht werden können (§ 7 Struktur-TV).
2.
Mit dem Ende des Vorruhestandes werden die Leistungen nach dem Versorgungstarifvertrag (VersTV) fällig. Diese werden zu gegebener Zeit von der DFS bzw. der Unterstützungskasse berechnet und bekanntgegeben.“
8
Der Tarifvertrag über Strukturmaßnahmen und Vorruhestand für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Struktur-TV) vom 10. Mai 1994 bestimmt zur betrieblichen Altersversorgung:
„§ 8
Betriebliche Altersversorgung
(1)
Zeiten, in denen Vorruhestandsgeld bezogen wird, gelten als anrechenbare Beschäftigungszeiten i.S.d. Vorruhestandstarifvertrages der DFS.
(2)
Als ruhegeldfähiges Jahreseinkommen wird das vor Eintritt in den Vorruhestand bezogene ruhegeldfähige Jahreseinkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. Die Unterteilung des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens gem. § 4 Abs. 2 VersTV erfolgt auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung.
(3)
§ 7 Abs. 2 des Versorgungstarifvertrages findet keine Anwendung.“
9
Mit Wirkung ab dem 1. November 2004 vereinbarte die Beklagte erstmals einen Vergütungstarifvertrag mit der Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (im Folgenden: GdF). Seither wurden zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di keine Tarifverträge mehr geschlossen. Den VersTV 1993 hatte die Beklagte zum 31. Dezember 2004 gekündigt.
10
Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der GdF den am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Dieser Tarifvertrag trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993 und ist im Wesentlichen wortgleich mit dem VersTV 1993.
11
Der Vorruhestand des Klägers endete am 31. März 2009. Während des Vorruhestands wurden die Vorruhestandsbezüge des Klägers entsprechend den für die aktiven Arbeitnehmer der Beklagten vereinbarten Tarifsteigerungen erhöht und das zuletzt bezogene ruhegeldfähige Einkommen mit den Tariferhöhungen während des Vorruhestands dynamisiert. Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und betriebliches Altersruhegeld iHv. 1.939,23 Euro.
12
Am 21. August 2009 schlossen die Beklagte und die GdF den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009). Dieser bestimmt ua.:
„Präambel
Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.
Dieser Tarifvertrag schafft gleichzeitig in Teil B für die betriebliche Altersversorgung der DFS ein neues, am Einkommen über die gesamte Beschäftigungszeit ausgerichtetes System. Es gilt für alle Neueintritte ab dem Jahr 2005 und tritt für diese Personengruppe an die Stelle des Tarifvertrags vom 29. September 2006 (VersTV 2005).
Die Allgemeinen und Schlussbestimmungen (Teil C) gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Teil A
§ 1
Geltungsbereich
(1)
Die §§ 1 bis 17 (Teil A) dieses Tarifvertrags gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und am 1. Januar 2009 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen oder die sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen oder FDB befanden.
(2)
Die §§ 1 bis 17 (Teil A) gelten nicht für
a)
Beschäftigte, die gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Leistungen beziehen,
b)
Beschäftigte, die eine Alterspension als Beamter oder als Soldat beziehen,
c)
zur DFS beurlaubte Soldatinnen und Soldaten.
…
§ 16
Anpassung
Die DFS passt jährlich erstmals zum 1. Januar des dem Rentenbeginn folgenden übernächsten Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 1,25 % an. Sind während eines Kalenderjahres die Lebenshaltungskosten entsprechend dem vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verbraucherpreisindex um mehr als 2,75 % gestiegen, wird die Anpassung zum 1. Januar des Folgejahres nachträglich um die über 1,25 % hinausgehende Steigerungsrate erhöht.
…
Teil B
§ 1
Geltungsbereich
(1)
Die §§ 1 bis 17 (Teil B) gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach dem 31. Dezember 2004 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages (MTV) in der jeweils geltenden Fassung fallen und nicht vor dem 1. Januar 2009 ausgeschieden waren.
(2)
Die §§ 1 bis 17 (Teil B) gelten nicht für
a)
Beschäftigte, die gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Leistungen beziehen,
b)
Beschäftigte, die eine Alterspension als Beamter oder als Soldat beziehen,
c)
zur DFS beurlaubte Soldatinnen und Soldaten.
…
Teil C
Allgemeine und Schlussbestimmungen
…
§ 24
Inkrafttreten und Laufzeit
(1)
Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B rückwirkend zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. Abweichend davon tritt der jeweilige § 16 zum 1. Januar 2010 in Kraft.
(2)
Teil A dieses Tarifvertrags tritt für den Personenkreis nach § 1 A an die Stelle des nachwirkenden Versorgungstarifvertrages vom 26. September 2006 (VersTV 2005). Teil B tritt für den Personenkreis nach § 1 B an die Stelle der Geltung des VersTV 2005.
(3)
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag – unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts – für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.“
13
Die Beklagte passte das Altersruhegeld des Klägers zum 1. Januar 2011 nach § 16 VersTV 2009 um 1,25 vH auf 1.963,47 Euro an.
14
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Klage gewandt und die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach § 16 VersTV 1993 zur Anpassung des Altersruhegelds um 2 vH jährlich verpflichtet. § 5 des Arbeitsvertrags enthalte keine dynamische Bezugnahme auf den Versorgungstarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung, sondern eine statische Bezugnahme auf den VersTV 1993. Folglich sei zum 1. Januar 2011 sein Altersruhegeld um 2 vH anzupassen und die Beklagte zur Zahlung weiterer 14,54 Euro monatlich, für den Zeitraum von Januar 2011 bis April 2012 daher iHv. insgesamt 232,64 Euro, verpflichtet.
15
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 232,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 14,54 Euro seit dem 1. Februar 2011, 1. März 2011, 1. April 2011, 1. Mai 2011, 1. Juni 2011, 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012, 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012 und 1. Mai 2012 zu zahlen.
16
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
17
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seinen Anspruch auf Anpassung des Altersruhegelds nach § 16 VersTV 1993 erstmals auf eine Weitergeltung des VersTV 1993 nach § 4 Abs. 5 TVG gestützt. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.