Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Gesamtversorgung – Anpassung – Auslegung einer Aufhebungsvereinbarung

Aktenzeichen  3 AZR 1/18

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2019:191119.U.3AZR1.18.0
Normen:
§ 16 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Essen, 7. Dezember 2016, Az: 4 Ca 2409/16, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 15. November 2017, Az: 12 Sa 123/17, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. November 2017 – 12 Sa 123/17 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Betriebsrente.
2
Der 1952 geborene Kläger war bis zum 30. Juni 2008 bei der Beklagten – ein in den deutschen G-Konzern eingebundenes Lebensversicherungsunternehmen – tätig. Ihm wurden zunächst Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW) zugesagt. Diese lauten auszugsweise:
        

Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes
         
        
…       
        
        
§ 6     
Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
           
        
1.    
Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt.
        
        
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).
        
2.    
Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
        
3.    
Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
        
        
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
        
4.    
Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit und solange die nach § 5 der Ausführungsbestimmungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4 der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge, erreichen oder überschreiten.
        
        
Betriebsangehörige, die eine Pensionsergänzung zu den Leistungen der Versorgungskasse zunächst nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebenenfalls bei Veränderungen nach der Ziffer 1 oder 3 später eine Pensionsergänzung allein durch das in der Ziffer 1 oder 3 dargestellte Verfahren.“
3
Der Kläger schied auf der Grundlage einer Aufhebungsvereinbarung vom 7. Mai 2007 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni 2008 aus. Diese bestimmt auszugsweise:
        
„8.    
        
Die Volksfürsorge Deutsche Lebensversicherung AG gewährt Herrn R, unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der Volksfürsorge VVaG., mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – ggf. auch mit Abschlägen – möglich ist, eine monatliche Rente von 455,93 EURO brutto. Die tariflichen oder individuellen Gehaltserhöhungen werden bis zum Ausscheiden nachträglich anteilig berücksichtigt. Die Rente wird nach den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes angepasst.“
4
Der Kläger trat zum 1. Juli 2013 in den Altersruhestand und erhielt – neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – von der Beklagten nach der Regelung in Nr. 8 Satz 1 und Satz 2 Aufhebungsvereinbarung eine Betriebsrente, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf 530,58 Euro brutto erhöhte. Des Weiteren bezog er eine Rente der Versorgungskasse iHv. 413,55 Euro brutto.
5
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.
6
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 mit, dass die Geschäftsführung der Beklagten beschlossen hatte, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum 01.07.2015 für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.
7
Nach der Entscheidung der Beklagten sollten im Geltungsbereich des BVW entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die erhöhte gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2015 eine Pensionsergänzung iHv. 533,23 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin die Rente der Versorgungskasse unverändert iHv. 413,55 Euro brutto.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem 1. Juli 2015 eine höhere Betriebsrente zahlen. Nach § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW hätte seine Versorgungsleistung zu diesem Zeitpunkt um 2,09717 vH angehoben werden und die Beklagte ihm monatlich weitere 17,22 Euro brutto zahlen müssen. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.
9
Die Aufhebungsvereinbarung habe das Gesamtversorgungssystem nicht abgeändert. Die Zahlung der Pensionsergänzung habe innerhalb des Systems der Versorgungsordnung erfolgen sollen. Andernfalls würde dies einen unzulässigen Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung darstellen. Er würde durch eine derartige Regelung schlechter gestellt, da die Rente aus der Versorgungskasse nicht gesteigert werde.
10
Der Kläger hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die freiwillig gezahlte Betriebsrente von 1.118,68 Euro monatlich brutto hinaus weitere 17,22 Euro monatlich brutto, beginnend ab dem 31. Juli 2015 zu zahlen.
11
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassung zum 1. Juli 2015 sei auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar.
12
Die Aufhebungsvereinbarung habe die Systematik der Gesamtversorgung nach den Regelungen des BVW beendet. Die Leistungen der gesetzlichen Rente sowie der Versorgungskasse würden nicht mehr angerechnet. Durch die Festlegung eines bestimmten Betrags der Pensionsergänzung sei der Kläger nicht ungünstiger gestellt als Betriebsrentner, die nach dem BVW anspruchsberechtigt seien. Die Aufhebungsvereinbarung sei wirksam. Die Regelung der AB § 6 BVW fände allerdings auch auf den Kläger Anwendung, da sich die Anpassung gemäß Nr. 8 Satz 3 Aufhebungsvereinbarung nach den Regelungen des BVW richte.
13
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten der Klage lediglich bezogen auf die Erhöhung der Pensionsergänzung im Umfang der Steigerungen der gesetzlichen Renten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat die Beklagte verurteilt, ab dem 31. Juli 2015 über die gezahlte Pensionsergänzung iHv. 533,23 Euro brutto hinaus monatlich weitere 8,48 Euro brutto zu zahlen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

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