Aktenzeichen 3 AZR 69/12
§ 1 AGG
§ 2 Abs 2 S 2 AGG
§ 3 Abs 1 AGG
§ 3 Abs 2 AGG
§ 7 Abs 1 AGG
§ 7 Abs 2 AGG
§ 10 S 1 AGG
§ 10 S 2 AGG
§ 10 S 3 Nr 4 AGG
Art 4 GleiBehUmsG
Art 267 Abs 3 AEUV
Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000
Art 6 Abs 2 EGRL 78/2000
§ 235 Abs 2 S 1 SGB 6
§ 308 Abs 1 ZPO
Leitsatz
Eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat, verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Stuttgart, 19. Mai 2011, Az: 1 Ca 5468/10, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 23. November 2011, Az: 2 Sa 77/11, Urteil
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 2011 – 2 Sa 77/11 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine betriebliche Altersrente zu gewähren hat.
2
Die am 19. Juni 1945 geborene Klägerin war seit dem 1. November 1981 bei der H Bank eG beschäftigt. Die H Bank eG wurde am 1. Januar 1999 auf die Beklagte verschmolzen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 30. Juni 2010.
3
Die Beklagte hat ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der V P eG vom 1. September 1991 (im Folgenden: Versorgungsordnung) zugesagt. Die Versorgungsordnung enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 1 Festlegung des Personenkreises
(1)
Die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung erfaßt drei unterschiedliche Personenkreise:
…
(4)
Für Mitarbeiter, die nach dem Inkrafttreten der Versorgungsordnung am 1.9.1991 neu in die Dienste der V P eG eintreten oder im Rahmen einer Verschmelzung/Fusion i.S. des § 16 in deren Dienste übernommen werden (= 3. Personenkreis) gelten die Vorschriften dieser Versorgungsordnung mit Ausnahme sämtlicher sich auf die Hinterbliebenenversorgung beziehender Regelungen (…). Es wird keinerlei Hinterbliebenenleistung zugesagt.
§ 2
Kreis der Versorgungsberechtigten
(1)
Von der Versorgungsordnung werden alle fest angestellten Mitarbeiter – mit Ausnahme der Vorstandsmitglieder und der geringfügig Teilzeitbeschäftigten im Sinne des § 8 SGB IV sowie ausgeschiedener Mitarbeiter im Vorruhestand – der Bank, erfaßt, die
a)
das 20. Lebensjahr vollendet und
b)
eine mindestens 10jährige anrechnungsfähige Dienstzeit (Wartezeit) nach Maßgabe des § 3 nachweisen können (nur die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Personenkreise) sowie
c)
zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
…
§ 3
Wartezeit
(1)
Für den in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Personenkreis entsteht der Anspruch auf die Versorgungsleistungen nach ununterbrochener Zurücklegung von 10 anrechnungsfähigen Dienstjahren gemäß § 4 (Wartezeit).
(2)
Die Wartezeit beginnt mit dem Tag des Dienstantritts, frühestens am Tag nach Vollendung des 20. Lebensjahres.
…
§ 4
Anrechnungsfähige Dienstzeit
(1)
Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt die Zeit, die der Mitarbeiter nach dem vollendeten 20. Lebensjahr ununterbrochen mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag bei der Bank verbracht hat. …
…
§ 5
Arten der Versorgungsleistungen
(1)
Gewährt werden
a)
Altersrente an Mitarbeiter nach der Vollendung des 65. Lebensjahres …
…
§ 14
Beginn, Ende und Auszahlung der Versorgungsbezüge
(1)
Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge entsteht mit dem Versorgungsfall, sofern die Leistungsvoraussetzungen dieser Versorgungsordnung erfüllt sind. Der Zahlungsanspruch des Mitarbeiters entsteht erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
(2)
Die Versorgungsbezüge werden monatlich, nachschüssig (am Monatsende) und zwölfmal jährlich, erstmalig am Ende des Monats gezahlt, der dem Versorgungsfall folgt. …
…
§ 16
Verschmelzung/Fusion
Im Falle einer Verschmelzung/Fusion von übertragenden Banken mit der V P als aufnehmende Bank sind die übernommenen Mitarbeiter der übertragenden Banken ab dem Verschmelzungszeitpunkt versorgungsberechtigt (vgl. dazu § 1 Abs. 4). Es werden die ab dem Verschmelzungszeitpunkt in den Diensten der V P erbrachten Dienstzeiten für die anrechnungsfähige Wartezeit nach § 3 und die Anspruchshöhe berücksichtigt.“
4
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe nach der Versorgungsordnung ab dem 1. Juli 2010 eine betriebliche Altersrente iHv. 113,66 Euro brutto zu. § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung sei unwirksam. Die Regelung bewirke eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unzulässige Diskriminierung wegen des Alters, da sie Arbeitnehmer von der betrieblichen Altersversorgung ausschließe, die bei Beginn der zehnjährigen Wartezeit das 45. Lebensjahr vollendet haben.
5
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie beginnend ab 1. Juli 2010 eine monatliche Betriebsrente iHv. 113,66 Euro brutto zu bezahlen, zahlbar jeweils am Monatsende des Folgemonats.
6
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Betriebsrente, da sie zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Die in § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung bestimmte Höchstaltersgrenze sei wirksam. Die Regelung ziele darauf ab, Versorgungsrisiken zu begrenzen und eine bei jüngeren Arbeitnehmern regelmäßig noch zu erwartende längere Betriebszugehörigkeit zu honorieren. Außerdem wirke sie auf eine ausgewogene Altersstruktur hin.
7
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin entsprochen und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.