Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – zeitlich begrenzte Leistung

Aktenzeichen  3 AZR 519/16

Datum:
20.3.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2018:200318.U.3AZR519.16.0
Normen:
§ 7 Abs 2 BetrAVG
§ 1 Abs 1 S 1 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Köln, 27. August 2015, Az: 5 Ca 7615/14, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 1. April 2016, Az: 10 Sa 981/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 1. April 2016 – 10 Sa 981/15 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers – das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27. August 2015 – 5 Ca 7615/14 – teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.866,10 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz haben der Beklagte zu 78 vH und der Kläger zu 22 vH zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte zu 83 vH und der Kläger zu 17 vH zu tragen.
Die Kosten der Revision hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung verpflichtet ist, dem Kläger einen Übergangszuschuss zu zahlen.
2
Der im Februar 1951 geborene Kläger war seit dem 1. September 1965 als Tarif-Mitarbeiter bei der S AG beschäftigt. Bei dieser galt die zum 1. Januar 1982 in Kraft getretene „Vereinbarung zum Übergangszuschuß bei Pensionierung im Tarifkreis“ vom 22. Dezember 1981 (im Folgenden GBV 1981). Diese Gesamtbetriebsvereinbarung enthält ua. folgende Regelungen:
        
„Mitarbeiter des Tarifkreises erhalten nach ihrer Pensionierung einen Übergangszuschuß. Damit soll den Mitarbeitern der Übertritt in den Ruhestand wirtschaftlich erleichtert werden.
        
Im einzelnen gilt folgendes:
        
1.    
Die S AG räumt ihren Mitarbeitern einen Rechtsanspruch auf den Übergangszuschuß ein.
        
2.    
Voraussetzung ist, daß der Mitarbeiter
        
        
–       
mindestens 10 Dienstjahre (ohne Ausbildungszeiten) nach Vollendung des 18. Lebensjahres bei der S AG abgeleistet hat u n d
        
        
–       
im unmittelbaren Anschluß an die aktive Dienstzeit bei der S AG pensioniert wird.
        
3.    
Die Höhe des Übergangszuschusses, der für 6 Monate gezahlt wird, entspricht der Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Brutto-Monatsentgelt bei regelmäßiger tariflicher oder abweichend vereinbarter Arbeitszeit (ohne einmalige Zuwendungen, tariflicher vermögenswirksamer Leistungen, Vergütungen für Mehrarbeit, zusätzliches Urlaubsgeld, Krankenlohn sowie Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit) und dem SAF-Ruhegeld.“
3
Nachdem die S AG die GBV 1981 zum 30. September 1983 gekündigt hatte, vereinbarte sie mit dem Gesamtbetriebsrat am 29. Juli 1983 die zum 1. Oktober 1983 in Kraft getretene Gesamtbetriebsvereinbarung zum „Übergangszuschuß bei Pensionierung im Tarifkreis“ (im Folgenden GBV 1983). Danach bleibt es für Mitarbeiter, die bis zum 30. September 1983 in ein Arbeitsverhältnis eingetreten sind, bei der bisherigen Regelung.
4
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging am 1. Januar 1997 aufgrund eines Betriebsübergangs auf die SR GmbH über.
5
Bei der SR GmbH gilt die „Betriebsvereinbarung zur Vereinbarung allgemeiner Rahmenbedingungen für die BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG (BSAV SR) für Mitarbeiter im Tarifkreis der SR“ vom 21. September 2005 (im Folgenden BSAV SR) mit ihren Anlagen. Die BSAV SR bestimmt ua.:
        
„1     
Einführung, Anwendung der AVB und AZB, Bezeichnung BSAV
        
        
Unternehmen und Betriebsrat vereinbaren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tarifkreis (Mitarbeiter) die betrieblichen Altersversorgung nach den Allgemeinen Versorgungsbedingungen zur BEITRAGSORIENTIERTEN S ALTERSVERSORGUNG TARIFKREIS SR (AVB BSAV SR Tarifkreis, Anlage 1) sowie nach den Allgemeinen Auszahlungsbedingungen Tarifkreis zur BSAV SR (AZB BSAV SR Tarifkreis, Anlage 2).
        
        
Eine besitzstandswahrenden Integration und Ablösung der nach der Altregelung bislang bestehenden Versorgungsanwartschaften erfolgt nach den für die Altregelung jeweils geltenden Allgemeinen Überleitungsbedingungen zur BEITRAGSORIENTIERTEN S ALTERSVERSORGUNG SR (AÜB) (3).
        
        
Soweit in dieser Betriebsvereinbarung einschließlich der einzelnen Anlagen AVB, AZB und AÜB jeweils die Bezeichnung BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG bzw. die Abkürzung BSAV verwendet wird, ist damit – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wurde – jeweils ausschließlich die BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG SR (BSAV SR) in Bezug genommen.
        
…       
        
        
2.2     
Mitarbeiter im Tarifkreis
        
2.2.1 
…       
        
        
Sie gilt ferner für Mitarbeiter, die vor Inkrafttreten (4) bereits in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen gestanden haben und auf Grund der Erklärung zur Anwendbarkeit Allgemeiner Überleitungsbestimmungen (3) in diese Betriebsvereinbarung einbezogen werden.
        
        
…       
        
3       
Anwendung Allgemeiner Überleitungsbedingungen (hier: AÜB SAF)
        
        
Für Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis zum Unternehmen am 01.10.2005 (Ablösungsstichtag) besteht und die als Mitarbeiter im Tarifkreis Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien der S-Af GmbH vom 01.10.19831 erworben haben (im Folgenden: SAF-Zusage, Altregelung) und die vom Unternehmen – insbesondere gemäß Ziffer 10 der Überleitungsvereinbarung für die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeiter des Werkes D der S AG in die SR GmbH vom 14.10.1996 bzw. gemäß Ziffer 10 der Änderung der Beschäftigungsbedingungen für die Mitarbeiter der SR GmbH vom 10.12.1999 sowie gemäß der Überleitungsvereinbarung für die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeiter Regional Logistic Center D der S AG in der SR GmbH vom 10.12.1999 – fortgeführt werden, wird mit Wirkung zum 01.10.2005 die Anwendung der Allgemeinen Bedingungen zur Überleitung SAF in die BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG TARIFKREIS vereinbart (AÜB SAF, Anlage 3).
        
        
Die Anwendung der AÜB SAF nach Satz 1 gilt entsprechend für Mitarbeiter nach 2.2.1 Satz 1, denen vom Unternehmen vor Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung noch Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Altregelung zugesagt wurden.
        
4       
Schlussvorschriften
        
        
Diese Betriebsvereinbarung tritt … zum 01.10.2005 in Kraft. …“
6
Die Anlage 1 zur BSAV SR – „ALLGEMEINE VERSORGUNGSBEDINGUNGEN BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG TARIFKREIS (AVB BSAV TARIFKREIS)“ – regelt auszugsweise:
        
„2     
Geltungsbereich
        
        
Diese Allgemeinen Versorgungsbedingungen gelten, sofern sie in eine betriebliche Versorgungszusage (Zusage) einbezogen werden wie z.B. im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelvertrages.
        
…       
        
        
2.2     
Mitarbeiter im Tarifkreis
        
        
Der Geltungsbereich ist in der Zusage (2) geregelt.
        
…       
        
        
4.6     
Versorgungsfall
        
4.6.1 
Der Versorgungsfall tritt ein mit Erwerb eines Anspruchs nach 4.6.2 bis 4.6.4.
        
4.6.2 
Der Mitarbeiter erwirbt im Erlebensfall Anspruch auf die Auszahlung des Versorgungsguthabens nach Maßgabe der Auszahlungsrichtlinie
        
        
·•     
als Alterskapital, wenn das Arbeitsverhältnis mit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres (feste Altersgrenze) endet, oder
        
        
·•     
als vorzeitiges Alterskapital auf Antrag des Mitarbeiters und mit Zustimmung des Unternehmens, wenn das Arbeitsverhältnis mit oder nach Vollendung des 60. Lebensjahres vor Erreichen der festen Altersgrenze endet, oder
        
        
·       
als Invalidenkapital, wenn das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und von da an unbefristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird.
        
…       
        
        
6       
Schlussvorschriften
        
        
Das Inkrafttreten der AVB BSAV TARIFKREIS ist in der Zusage (2) geregelt.“
7
Die Anlage 3 zur BSAV SR – „ALLGEMEINE ÜBERLEITUNGSBEDINGUNGEN SAF zum Übergang von Versorgungsanwartschaften nach SAF in die BEITRAGSORIENTIERTE S ALTERSVERSORGUNG TARIFKREIS (AÜB SAF)“ – bestimmt auszugsweise:
        
„1     
Einführung
        
        
Diese Allgemeinen Überleitungsbedingungen gelten, sofern sie in eine betriebliche Versorgungszusage (Zusage) einbezogen werden wie z.B. im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelvertrages.
        
2       
Geltungsbereich
        
        
Der Geltungsbereich ist in der Zusage (1) geregelt.
        
…       
        
        
6       
Zahlungen außerhalb der betrieblichen Altersversorgung und Anrechnung
        
6.1     
Grundsatz
        
        
Die bestehenden Regelungen im Zusammenhang mit der Gewährung von befristeten Übergangszuschüssen, Beihilfen, tariflicher Sterbefallunterstützung sowie zur befristeten Rentenfortzahlung (befristete Übergangsgelder) an den Mitarbeiter bzw. an den hinterlassenen Ehegatten werden im bisherigen Umfang fortgeführt11.
        
6.2     
Anrechnungen auf befristete Übergangsgelder
        
        
Die Leistungen aus dem integrierten Besitzstand (3 und 4) sowie aus dem Versorgungskonto nach den AVB BSAV TARIFKREIS werden auf die befristeten Übergangsgelder12 angerechnet. …“
8
Im Jahr 2008 schloss der Kläger mit der SR GmbH einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell. Dieser endete mit Ablauf der Freistellungsphase am 28. Februar 2014. Das nach Nr. 9.2 des Altersteilzeitvertrags für den Übergangszuschuss auf Vollzeit hochzurechnende Monatsentgelt des Klägers betrug zu Beginn seines Altersteilzeitverhältnisses 3.470,84 Euro brutto.
9
Durch Beschluss des Amtsgerichts Kempten vom 26. September 2012 wurde über das Vermögen der SR GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet.
10
Der Kläger bezieht seit dem 1. März 2014 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und vom Beklagten eine Betriebsrente iHv. monatlich 290,62 Euro brutto. Mit seiner Klage hat er die Zahlung des Übergangszuschusses begehrt und die Auffassung vertreten, dieser sei eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung.
11
Der Kläger hat – soweit in der Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
        
den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv. 16.007,03 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014 zu zahlen.
12
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
13
Das Arbeitsgericht hat der – zunächst noch weitergehenden – Klage iHv. 17.402,41 Euro brutto nebst Zinsen seit dem 1. Oktober 2014 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Beklagten – unter Zurückweisung einer Anschlussberufung des Klägers – teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung eines Übergangszuschusses iHv. 16.007,03 Euro brutto nebst Zinsen seit dem 1. Oktober 2014 verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

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