Arbeitsrecht

Betriebsänderung – Nachteilsausgleich

Aktenzeichen  1 AZR 794/13

Datum:
14.4.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:140415.U.1AZR794.13.0
Normen:
§ 113 Abs 1 BetrVG
§ 113 Abs 3 BetrVG
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG München, 11. Dezember 2012, Az: 30 Ca 5213/12, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 7. August 2013, Az: 11 Sa 56/13, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. August 2013 – 11 Sa 56/13 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Zahlung von 9.500,00 Euro als Abfindung an den Kläger verurteilt hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11. Dezember 2012 – 30 Ca 5213/12 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Nachteilsausgleich.
2
Die Beklagte ist eine zum Konzern Süddeutsche Zeitung gehörende Zeitungsvertriebsgesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand bestand darin, im Gebiet der Landeshauptstadt München für die Verlage Münchner Zeitungsverlag und Süddeutsche Zeitung deren Zeitungen auszutragen und vergleichbare Dienstleistungen auszuführen. Einziger Auftraggeber war die Süddeutsche Zeitung Logistik GmbH (SZL GmbH), eine 100%ige Tochter der Süddeutsche Zeitung GmbH (SZ GmbH). Die Beklagte verfügte über drei Verteilstellen, an denen die Zusteller die Zeitungen abholten. Im Januar 2012 beschäftigte sie ca. 57 Arbeitnehmer, ua. den Kläger als Zeitungszusteller mit einem Bruttomonatsentgelt iHv. 1.000,00 Euro.
3
Am 30. November 2011 kündigte die SZL GmbH den Dienstleistungsvertrag mit der Beklagten zum 29. Februar 2012. Seit dem 1. März 2012 führt die ZVM GmbH die Zustellungen aus. Die beiden Gesellschafterinnen der Beklagten – die H GmbH und die SZ GmbH – beschlossen am 12. Januar 2012, den Geschäftsbetrieb zum Ablauf des 29. Februar 2012 einzustellen und den Betrieb stillzulegen. Ab dem 1. März 2012 wurden die Zusteller nicht mehr beschäftigt. Ihnen zur Erledigung der Zustellungen übergebene Haustürschlüssel wurden über die SZL GmbH an die ZVM GmbH weitergeleitet; nach Behauptungen des Klägers übernahm die ZVM GmbH auch Tourenbücher und die Transportmittel für die Zeitungen.
4
Die Beklagte informierte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Januar 2012 über die beabsichtigte Betriebsstilllegung. Der Vorsitzende einer zum Gegenstand „Interessenausgleich Betriebsstilllegung“ gebildeten Einigungsstelle stellte in deren Sitzung am 27. April 2012 das Scheitern des Versuchs eines Interessenausgleichs fest. Am 24. April 2012 erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Nach Anhörung des Betriebsrats am 19. April 2012 kündigte sie am 28. April 2012 – mit Ausnahme eines schwerbehinderten Arbeitnehmers – die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter, so auch das des Klägers zum 31. Juli 2012. Weil dieser einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt hatte, beantragte die Beklagte am 14. Mai 2012 beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer (erneuten) ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. In dem Behördenformular „Betriebsschließung § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IX“ gab sie als Stilllegungszeitpunkt den 29. Februar 2012 an. Nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 14. Juni 2012 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 30. Juni 2012 zum 30. September 2012.
5
Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen beide Kündigungen gewandt und ua. eine Stilllegung des Betriebs in Abrede gestellt; dieser sei vielmehr auf die ZVM GmbH übergegangen. Nach Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht hat er mit seiner Berufung hilfsweise einen Nachteilsausgleichsanspruch geltend gemacht. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bereits vor dem Versuch eines Interessenausgleichs unumkehrbare Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen. Eine solche Maßnahme liege vor allem in der Kündigung des Zeitungsvertriebsauftrags durch die SZL GmbH, die sich die Beklagte wegen ihrer Konzernverbundenheit zurechnen lassen müsse.
6
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt,
        
die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger gemäß § 113 BetrVG iVm. § 10 KSchG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu verurteilen.
7
Die Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
8
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die seine Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Seinem Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs hat es entsprochen und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung iHv. 9.500,00 Euro zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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