Arbeitsrecht

Bezugnahmeklausel – Günstigkeitsvergleich – Darlegungslast

Aktenzeichen  4 AZR 271/18

Datum:
12.12.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2018:121218.U.4AZR271.18.0
Normen:
§ 4 Abs 1 TVG
§ 4 Abs 3 TVG
§ 1 TVG
§ 611 BGB
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg, 11. Oktober 2017, Az: 22 Ca 126/17, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 18. April 2018, Az: 2 Sa 85/17, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. April 2018 – 2 Sa 85/17 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2017 – 22 Ca 126/17 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. April 2017 ein Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 2b „nach dem 5. Berufsjahr“ des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung sowie jährlich eine tarifliche Sonderzuwendung und ein Urlaubsgeld nach Maßgabe des Manteltarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis und darüber, ob dessen Entgeltregelungen gegenüber einem unmittelbar und zwingend geltenden Haustarifvertrag günstiger sind.
2
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit Filialen im ganzen Bundesgebiet. Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 1. Mai 1989 als Verkäufer beschäftigt.
3
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. November 2005 heißt es ua.:
        
„2.     
Sie erhalten für Ihre Tätigkeit eine Vergütung von EUR 
2.037,13
brutto für
163,00
Std./monatlich =
100 %
der tariflichen Monatsarbeitszeit.
        
        
Im vorstehenden Betrag sind enthalten:
        
        
nach Tarifgruppe
GB 2b
EUR
2.037,13
brutto
        
3.    
Etwaige die tariflichen Ansprüche übersteigende Mehrbezüge werden bei einer Veränderung der tariflichen Ansprüche verrechnet, es sei denn, dass ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird.
        
…       
        
        
14.     
Die Bedingungen dieses Anstellungsvertrages behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn eine Änderung der bisherigen Tätigkeit und / oder eine Änderung des Entgeltes – bei Teilzeitbeschäftigung auch der Arbeitszeit – eintritt. Im übrigen gelten die Tarifverträge
für den Hamburger Einzelhandel
, die Gesamtbetriebsvereinbarungen der K AG, sowie die Betriebsordnung der o.g. Betriebsstelle in ihrer jeweiligen Fassung.“
4
Die Beklagte war tarifgebundenes Mitglied im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. Sie beendete ihre Mitgliedschaft mit dem 6. Mai 2013. In der Folgezeit schloss der Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. mit der Gewerkschaft ver.di weitere Tarifverträge, die ua. die Erhöhung des Entgelts vorsahen.
5
Seit April 2017 zahlt die Beklagte an den Kläger nur noch ein Entgelt auf Basis des am 6. Mai 2013 geltenden Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel zuzüglich einer – im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbarten – übertariflichen Zulage iHv. 116,00 Euro brutto. Nachfolgende tarifliche Entgelterhöhungen gab sie nicht mehr weiter.
6
Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di vereinbarten mit Wirkung zum 2. Dezember 2016 einen „Zukunftstarifvertrag Karstadt Warenhaus“ (Zukunfts-TV). Dieser sieht ua. vor, dass Entgelterhöhungen durch die Tarifabschlüsse des Hamburger Einzelhandels für die Jahre 2013 bis 2016 ausgesetzt werden und regelt die „Zukünftigen Erhöhungen des Karstadt-Tarifentgelts“.
7
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nach dem Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung sowie dem Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 (MTV) zu vergüten. Diese fänden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Zukunfts-TV werde hingegen nicht von der Klausel in Nr. 14 des Arbeitsvertrags erfasst. Aufgrund des Günstigkeitsprinzips hätte die Anwendung der Verbandstarifverträge hinsichtlich der Vergütung Vorrang vor der Geltung des Zukunfts-TV.
8
Der Kläger hat zuletzt beantragt
        
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. April 2017 die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar sind und deshalb die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger neben einem Tarifgehalt der Gehaltsgruppe 2b „nach dem 5. Berufsjahr“ des Gehaltstarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel in seiner jeweiligen Fassung sowie ein Urlaubsgeld und eine tarifliche Sonderzuwendung nach Maßgabe des Manteltarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 12. September 2008 zu zahlen.
9
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Nr. 14 des Arbeitsvertrags beziehe sich auch auf den Zukunfts-TV. Das ergebe sich insbesondere aus dem Verweis auf die betrieblichen Regelungen. Wollte man dieser Abrede keine Bezugnahme auf die Haustarifverträge der Beklagten entnehmen, sei die dann bestehende Lücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Im Übrigen gehe der Kläger selbst davon aus, dass der Zukunfts-TV für ihn gelte. Soweit dieser günstigere Leistungen, wie etwa eine erhöhte Sonderzahlung für Gewerkschaftsmitglieder und einen Warengutschein vorsehe, habe er diese in Anspruch genommen.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

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