Aktenzeichen Au 9 K 20.2286
Leitsatz
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage gegen eine Duldungsverfügung betreffend eine Untersuchung (Rachen- bzw. Nasenabstrich) auf das Virus SARS-CoV-2 (Corona-Virus) bezüglich ihrer am * geborenen Tochter (*).
Die Tochter der Kläger besucht derzeit eine *-Schule im Landkreis *. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 teilte das Landratsamt * dem Gesundheitsamt * als der für die Tochter der Kläger zuständigen Gesundheitsbehörde mit, dass diese als Kontaktperson Kategorie I zu einem positiv getesteten COVID 19-Fall ermittelt worden sei und mündlich eine Quarantäne vom 7. Oktober 2020 bis 12. Oktober 2020 ausgesprochen worden sei. Die Einstufung als Kontaktperson Kategorie I erfolge aufgrund der relativ beengten Raumsituation bzw. der schwer zu überblickenden schulischen Kontaktsituation. Der letzte Kontakt zu dem Erkrankungsfall habe am 28. September 2020 stattgefunden.
Weiter wurde die Tochter der Kläger am 7. Oktober 2020 mündlich aufgefordert, eine Untersuchung auf das Virus SARS-CoV-2 (PCR-Testung) durchführen zu lassen. Diese Testung wurde jedoch nicht durchgeführt.
Mit Bescheid des Landratsamtes * vom 13. Oktober 2020 wurden die Kläger verpflichtet, eine Untersuchung ihrer Tochter auf das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) in Gestalt eines Rachen- bzw. Nasenabstriches durch einen Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden (Ziffer I. des Bescheids). In Ziffer II. des Bescheides wurde für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR zur Zahlung angedroht.
Zur Begründung führt das Landratsamt * aus, dass nach § 25 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Personen, bei denen anzunehmen ist, dass sie krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider sind, durch das Gesundheitsamt vorgeladen und verpflichtet werden können, u.a. Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial an sich vornehmen zu lassen, insbesondere die erforderlichen äußerlichen Untersuchungen und Abstriche von Haut und Schleimhäuten durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden (Nr. 1), sowie das erforderliche Untersuchungsmaterial auf Verlangen bereit zu stellen (Nr. 2). Bei dem Virus SARS-CoV-2 handele es sich um einen Krankheitserreger i.S.d. § 2 Nr. 1 IfSG, der sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet habe. Eine molekularbiologische Testung auf das Coronavirus im Wege eines Rachen- bzw. Nasenabstriches sei geeignet, mögliche Infektionsketten aufzudecken und zu unterbrechen, da sie das einzige Mittel sei, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren Nachweis über eine Infektion zu erbringen. Die Anordnung der Testung sei auch erforderlich. Eine freiwillige Vornahme der Testung sei verweigert worden. Die Maßnahme sei auch angemessen und verhältnismäßig. Die Androhung des Zwangsgeldes in Ziffer 2 stütze sich auf Art. 20 Nr. 1, Art. 29, 30 Abs. 1 Satz 1, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Höhe des Zwangsgeldes sei im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen festgesetzt worden.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamtes * vom 13. Oktober 2020 wird ergänzend verwiesen.
Ein für die Tochter der Kläger angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az. Au 9 S 20.1964) blieb mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2020 ohne Erfolg. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
Über ein zur Weiterverfolgung des Begehrens für die Tochter der Kläger angestrengtes Klageverfahren (Az. Au 9 K 20.1963) wurde bislang noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 7. November 2020 haben die Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2020, mit dem die Kläger zur Duldung einer Untersuchung auf das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) in Gestalt eines Rachen- bzw. Nasenabstriches an ihrer Tochter * durch einen Beauftragten des Gesundheitsamts verpflichtet werden, wird aufgehoben.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klage zulässig und begründet sei. Die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft. Zunächst werde die Unzuständigkeit des Beklagten für den Erlass des angegriffenen Bescheides gerügt. Es fehle an der erforderlichen örtlichen Zuständigkeit. Weiter habe zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 13. Oktober 2020 keine Testpflicht mehr für die Tochter der Kläger bestanden. Damit könne auch keine Pflicht zur Duldung einer Testung auf das Coronavirus von Seiten der Kläger angenommen oder begründet werden. Eine Testpflicht ergebe sich weder aus der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 (Az. GZ6A-G8000-2020/572) noch aus anderweitigen Verwaltungsakten oder Rechtsvorschriften. Eine Testung sei nur während der Dauer der häuslichen Isolation vorgesehen. Die Quarantäne der Tochter der Kläger habe jedoch bereits am 12. Oktober 2020 geendet.
Weiter haben die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt.
Auf die weiteren Ausführungen im Klageschriftsatz vom 7. November 2020 wird ergänzend verwiesen.
Der Beklagte ist der Klage bislang nicht entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten der Verfahren Au 9 K 20.1963 und Au 9 S 20.1964 verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die auf die hinreichende Erfolgsaussicht gerichtete rechtliche Prüfung ist dabei nur eine summarische Prüfung von Sach- und Rechtslage. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern, das den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 35). Dabei dürfen die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Eine Risikoabschätzung für den erforderlichen Grad der Erfolgsaussicht setzt dabei nicht die Aussicht eines sicheren Obsiegens voraus. Erweist sich aber die Rechtsverfolgung in Anknüpfung an das für die Beurteilung der Rechtslage relevante Vorbringen des Rechtsschutzsuchenden ohne vernünftigen Zweifel als aussichtslos, ist also die Erfolgschance in der Hauptsache nur eine entfernte, und stehen keine schwierigen oder ungeklärten Rechtsfragen im Raum, so darf die Gewährung von Prozesskostenhilfe verweigert werden (vgl. OVG NW, B.v. 10.12.2020 – 1 E 723/20 – juris).
1. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein Erfolg der Klage, mit welcher die Kläger sich gegen die mit Bescheid vom 13. Oktober 2020 ihnen gegenüber angeordnete Duldung einer Untersuchung ihrer Tochter auf das Virus SARS-CoV-2 wenden, fernliegend.
a) Für die anwaltlich ausdrücklich als Anfechtungsklage auf Aufhebung des Be scheids vom 13. Oktober 2020 gerichtete Klage (Anfechtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), fehlt es bereits an einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis.
Nachdem der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten offensichtlich an die Quarantäneverpflichtung der Tochter der Kläger anknüpft, die bereits am 12. Oktober 2020 beendet wurde und keine weiteren Testungen vorgesehen waren, liegt für die Kläger keine fortdauernde rechtliche Beschwer vor, die zur Fortführung der Klage berechtigen würde. Der Beklagte hat im Verfahren Au 9 S 20.1964 unter dem 14. Oktober 2020 ausdrücklich erklärt, dass nach Fehlschlagen der Testungen am 13. Oktober 2020 bzw. 14. Oktober 2020 kein neuer Termin zur Untersuchung an der Tochter der Kläger vorgesehen sei. Damit entfällt aber zwangsläufig auch die Duldungspflicht für die Kläger aus dem Bescheid vom 13. Oktober 2020. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob nach Ablauf der Quarantäne am 12. Oktober 2020 überhaupt noch eine Testung an der Tochter für die Zeiträume 13. Oktober 2020 bzw. 14. Oktober 2020 vorgesehen werden konnte.
b) In Bezug auf die geltend gemachte fehlende örtliche Zuständigkeit ist, obwohl nicht entscheidungserheblich, darauf hinzuweisen, dass ein derartiger Verstoß gar nicht vorliegt, da nach § 65 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) und Art. 3 Abs. 1 Nr. 3a Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) auf die Behörde abzustellen ist, in deren Bezirk eine natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. zuletzt hatte. Da die Kläger und ihre Tochter im Landkreis * ihren Wohnsitz haben, handelte das Landratsamt * als örtlich zuständige Behörde.
c) Das ausdrückliche Aufhebungsbegehren im Klageschriftsatz vom 7. November 2020 ist daher nicht geeignet, die Rechtsstellung der Kläger in Bezug auf die vorgesehene Testung ihrer Tochter zu verbessern. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klage ist vielmehr endgültig entfallen.
2. Soweit sich die Kläger mit ihrer Klage gegen eine evtl. spätere erneute Testpflicht ihrer Tochter wenden wollten, wäre der Klageantrag in unzulässiger Weise auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtet. Die Konzeption der Verwaltungsgerichtsordnung geht davon aus, dass zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ein gerichtliches Vorgehen erst nach Erlass einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung möglich und dem Grunde nach auch ausreichend ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, vor § 40, Rn. 33 m.w.N.). Irreparable Nachteile der Kläger gegen eine evtl. spätere erneute Test- bzw. Duldungspflicht, die ausnahmsweise zur Zulässigkeit der Inanspruchnahme vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz führen könnten, sind nicht ersichtlich.
3. Schließlich ist nach Erledigung des Begehrens auch keine Umstellung der somit unzulässig gewordenen Anfechtungsklage erfolgt. Für eine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Oktober 2020 gerichtete Klage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Fortsetzungsfeststellungsklage) würde es jedenfalls am erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis mangeln.
a) Das berechtigte Interesse an der nachträglichen Feststellung, dass der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, muss als Sachentscheidungsvoraussetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen und geht über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Maßgeblich ist stets, ob die Inanspruchnahme des Gerichts dem Kläger noch etwas nützt, also zur Verbesserung seiner Situation geeignet ist. Das Bestreben nach persönlicher Genugtuung oder das Bestreben, eine vom Kläger für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen, reicht nicht aus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 40.12 – NVwZ 2013, 1482 = juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 10 BV 13.1005 – juris Rn. 46 m.w.N). Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet selbst bei tiefgreifenden Eingriffen nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, um die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern (BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 20.06.2013 – 8 C 39.12 – juris Rn. 28).
b) Eine konkrete Wiederholungsgefahr einer erneuten Test- bzw. Duldungspflicht ist bereits nicht ersichtlich. Auch ein Rehabilitierungsinteresse zu Gunsten der Kläger ist nicht zu erkennen.
Hat ein Verwaltungsakt außer seiner erledigten belastenden Wirkung zusätzlich einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist, kann dieses ideelle Interesse an einer Rehabilitierung, also an der Beseitigung der Rufschädigung, eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist. Hierfür genügt jedoch nicht ein abstraktes Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob nachteilige Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte. Der Wunsch nach Genugtuung reicht nicht aus. Mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern. Grundrechtsrelevante Auswirkungen durch die angegriffene Maßnahme reichen allein nicht aus (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, a.a.O., § 113 Rn. 119).
Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die lediglich ausgesprochene Duldung einer PCR-Testung gegenüber den Eltern der selbst vom beabsichtigten Eingriff betroffenen Tochter nicht gegeben. Auch unter diesem Aspekt bliebe eine Klage auch nach entsprechender Umstellung des Klageantrags offensichtlich erfolglos.
4. Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass auch die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Kläger trotz entsprechender Ankündigung bislang nicht vorgelegt wurden. Letztlich ist dies jedoch nicht entscheidungserheblich, da es an der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung erforder-