Arbeitsrecht

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Aktenzeichen  5 Ca 2534/20

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49278
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.915,84 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2020 als Schadensersatz zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeugnis mit dem Datum 07.01.2021 wie folgt zu ändern:
a) Als Absatz 3 ist im unmittelbaren Anschluss an die Tätigkeitsbeschreibung neu einzufügen: „Frau A. hat als Teamleiterin eine Gruppe von drei bis vier Personen verantwortlich geführt.“
b) Absatz 3 ist mit beiden Sätzen zwischen die bisherigen Absätze 4 und 5 zu verschieben und in Satz 1 wie folgt zu fassen: „Frau A. hat die genannten Tätigkeiten selbständig und stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.“
c) Im bisherigen Absatz 5 ist zwischen Satz 1 und Satz 2 folgender Satz einzufügen: „Sie erzielte mit ihren Mitarbeitern immer gute Leistungen, ging auf Mitarbeiter ein, unterstützte und förderte diese.“
d) Absatz 5 Satz 2 ist wie folgt zu fassen: „Ihr Verhalten war stets einwandfrei.“
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
5. Der Streitwert wird auf 9.026,54 € festgesetzt.
Die Berufung wird nicht zugelassen, soweit sie nicht kraft Gesetzes statthaft ist.

Gründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
1. Das Arbeitsgericht Regensburg, Gerichtstag Neumarkt, ist im Rechtsweg und örtlich zuständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, e ArbGG; § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 12, 17 ZPO).
2. Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gem. § 280 Abs. 1, § 249 BGB. Lediglich die geforderte Position „Hochzeitsaccessoires“ des Schadensersatzes war nicht ausreichend nachgewiesen.
2.1 Gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des entstandenen Schadens verlangen, der dadurch entstanden ist, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat.
a) Vorliegend hat die Beklagte, die den Parteien eines Arbeitsverhältnisses gem. § 241 Abs. 2 BGB obliegende gegenseitige Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht verletzt. Gemäß dieser Vorschrift erwächst einer Vertragspartei auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalles ab. Im Arbeitsverhältnis folgt daraus die Verpflichtung jedes Vertragspartners, seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann (vgl. Münchner Kommentar BGB MüllerKluge, 5. Auflage, § 611 Rn. 984, 1074).
b) Aufgrund der im August 2020 bestehenden Pandemielage war die Beklagte als Arbeitgeberin in besonderem Maße dazu verpflichtet, die gebotenen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung einer Covid-19 Infektion der Mitarbeiter zu ergreifen. Unabhängig von der sonstigen Einhaltung der damals geltenden Arbeitsschutzregeln war es insbesondere geboten, bei Symptomen, die auf eine Covid-19-Infektion hinweisen konnten, besondere Zurückhaltung zu üben und jeden engen Kontakt mit anderen Menschen zu meiden. Diese Pflicht trifft in besonders gesteigerten Umfang aufgrund der bestehenden Arbeitspflicht auf die Arbeitsvertragsparteien zu.
Der Geschäftsführer der Beklagten hat nach seinem Vortrag in der Woche ab dem 17.08.2020 an einer „leichten Erkältung“ mit „hüsteln“ gelitten. Es kann dem Geschäftsführer der Beklagten, nachdem die Corona-Pandemie schon sechs Monate das öffentliche Leben und die Medien beherrscht hatte, nicht entgangen sein, dass die Symptome einer Covid-19 Infektion bei Infizierten gänzlich unterschiedlich sein konnten. Jedoch Anzeichen einer Erkältung und Husten immer Anzeichen einer möglichen Covid-19 Infektion sein konnten. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten von „hüsteln“ spricht, kann es nicht so unerheblich gewesen sein, wenn er sich gerade deswegen bei der durchgeführten Eigentümerversammlung extra von Anwesenden weiter wegsetzt. Bevor sich der Geschäftsführer der Beklagten also mit der Klägerin gemeinsam zur Durchführung von Eigentümerversammlungen begeben hat und hierzu gemeinsam seinen Pkw zur Anreise benutzt, wäre es also geboten gewesen abzuklären, ob bei ihm eine Covid-19-Infektion vorliegt und bis dahin die (jedenfalls engeren) Kontakte zu seinen Arbeitnehmern zu vermeiden. Die bestrittene Behauptung der Klägerin, dass der Geschäftsführer damals stark hustete, Kopfschmerzen, Heiserkeit und kräftiges Schwitzen gezeigt habe, kann also dahingestellt bleiben. Die Pflicht zur Kontaktvermeidung begab sich bereits allein schon aus den zugestandenen Symptomen.
Diese offensichtlich gebotene Pflicht hat der Geschäftsführer der Beklagten verletzt. Er hat diese auch zu vertreten. Die Beweislast für das Nichtvertretenmüssen gem. 280 Abs. 1 S. 2 BGB liegt beim Schuldner. Zwar behauptet die Beklagte, dass eine Covid-19 Erkrankung am 20.08.oder vorher nicht vorlag. Aus welchen Gründen eine Covid – 19 Infektion am 20.08.2020 oder vorher beim Geschäftsführer E. auszuschließen war trägt sie jedoch nicht vor. Gem. § 31 BGB analog ist das Handeln des Geschäftsführers der Beklagten dieser zuzurechnen. Die alleinige Voraussetzung, dass der verfassungsgemäße Vertreter die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat, ist erfüllt (§ 35 GmbHG).
c) Die Pflichtverletzung war auch ursächlich für den entstandenen Schaden. Wäre der Geschäftsführer der Beklagten der ihm obliegenden Pflicht zur Vermeidung engerer Kontakte bis zur Abklärung, ob bei ihm eine Covid-19 Infektion vorliege, nachgekommen, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit samt Hochzeitsfeier hätte stattfinden können, ohne dass § 5 Abs. 2 der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung entgegengestanden wäre. Erlaubt waren nach dieser Vorschrift damals Hochzeitsfeiern bis zu 100 Personen im Freien.
d) Demnach hat die Beklagte den dadurch entstandenen Schaden der Klägerin gem. § 249 BGB zu ersetzen. Zu diesem Schaden gehören auch Aufwendungen, die infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind und Belastungen mit Verbindlichkeiten. Diese hat die Klagepartei auch weit überwiegend im Einzelnen ausreichend und schlüssig gem. § 138 Abs. 1 ZPO durch Vorlage der entsprechenden vertraglichen Regelungen und daraufhin erfolgten Rechnungen dargetan. Die Beklagte trägt weder vor, noch sprechen sonstige erkennbare Umstände dafür, dass die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen nur Scheinrechnungen wären, die von ihr nicht bezahlt werden mussten. Die Nutzlosigkeit der Aufwendungen folgt bereits aus den Umständen aus sich heraus. Lediglich bei Position „Hochzeitsaccessoires“, Menükarten, Kirchenhefte, Sitzplan in Höhe von 197,20 € ergibt sich diese Nutzlosigkeit nicht aus sich heraus und im Gegensatz zu allen anderen Positionen auch nicht aus der vorgelegten Rechnung. Auch dort werden lediglich „Hochzeitsaccessoires“ in Rechnung gestellt, ohne dass sich im eigentlichen Sinne der Ausschluss der Wiederverwendbarkeit bei einer künftigen geplanten Hochzeitsfeier nachvollziehen lässt.
Insoweit war die Klage also nicht begründet und in Höhe der dafür geltend gemachten Kosten von197,20 € abzuweisen Die weiteren Einwendungen der beklagten Partei verfangen dagegen nicht. Der Alternativtermin im April, der eingewandt wird konnte aufgrund der aktuellen Pandemie-Beschränkungen nicht stattfinden.
e) Auch das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch die Beklagte, weil der streitgegenständliche Schaden auch deren Ehemann entstanden sei, greift nicht. Die Klägerin ist jedenfalls als Gesamtschuldnerin mit den streitgegenständlichen Rechnungen belastet und damit liegt der Schaden bei ihr (§ 427 BGB).
Selbst wenn man mit der Beklagten einen innergemeinschaftlichen Schadensausgleich gem. § 430 BGB annehmen möchte, so gelten die Grundsätze der Drittschadensliquidation. Denn die dem § 249 ff BGB zugrundeliegende Entscheidung, dass dem nur mittelbar Geschädigten kein eigener Schadensersatzanspruch zustehe, kann in Einzelfällen zu einer ungerechtfertigten Entlastung des Schädigers führen. Trägt der Dritte im Innenverhältnis zum Inhaber der verletzten Rechtsposition die Gefahr, so ist er selbst unmittelbar geschädigt und damit nicht anspruchsberechtigt, während dem Inhaber der verletzten Rechtsposition mangels eines eigenen Schadens kein Schadensersatzanspruch zusteht. Für den Schädiger darf diese für ihn regelmäßig nicht erkennbare Verlagerung des Schadens auf den mittelbar Geschädigten nicht dazu führen, dass er von seiner Schadensersatzpflicht frei wird. Dies folgt aus dem Zweck der Gefahrtragungsregelung. Diese soll nur das Verhältnis zwischen dem Inhaber der Rechtsposition und dem Dritten regeln, nicht aber einen Schädiger entlasten. In den, so wie hier, vorliegenden Fällen einer Schadensverlagerung muss der Drittschaden nach den Grundsätzen der sogenannten Drittschadensliquidation von dem Inhaber der verletzten Rechtsposition geltend gemacht werden können (Münchener Kommentar zum BGB, Oettker, 8. Auflage § 249 Rn. 289 ff).
f) Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein berücksichtigungsfähiges Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 BGB vor.
§ 254 BGB beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers, wenn bei der Entstehung oder Entwicklung des Schadens ein „Verschulden“ des Geschädigten mitgewirkt hat. Verschulden im Sinne des § 254 BGB ist der vorwerfbare Verstoß gegen das Gebot des eigenen Interesses, die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit, also ein „Verschulden gegen sich selbst“ (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage 2020 § 254 Rn 1).
Danach kann ein vorwerfbarer Verstoß im Nichtabschluss einer Hochzeitsversicherung und einer Reiserücktrittsversicherung, sowie der Planung einer Hochzeit für 2020 im Jahre 2019 nicht angenommen werden.
aa) Grundsätzlich gehört es zur objektiven Freiheit eines jeden, selbst zu entscheiden, ob er das finanzielle Risiko Kosten einer Veranstaltung oder Reise die nicht stattfinden kann, tragen will oder eine kostenpflichtige Versicherung abgeschlossen werden soll. Das Unterlassen eines Abschlusses einer möglichen Versicherung für Ausfallschäden ist nur dann vorwerfbar, sofern ein besonders hoher, ungewöhnlicher Kostenanfall bei Ausfall des geplanten Unternehmens entstehen kann. Diese Grenze ist bei den hier in Frage stehenden Kosten nicht ansatzweise erreicht oder überschritten, wenn man das monatliche Einkommen der Klägerin, das sie damals erzielte, ins Verhältnis zu den Kosten der geplanten Hochzeitsfeierlichkeiten bzw. des geplanten Urlaubs in Relation setzt. Damit kann ein vorwerfbares Verschulden nicht angenommen werden.
bb) Auch das Mitfahren der Klägerin im Fahrzeug des Geschäftsführers der Beklagten und die Teilnahme an den durchgeführten Eigentümerversammlungen kann ihr nicht als Mitverschulden angelastet werden.
Eine Weigerung der Klägerin hätte letztendlich bei der Beklagten als Pflichtverstoß gegen arbeitsvertragliche Weisungen (§ 106 GewO) ausgelegt werden können. Angesichts der drei Abmahnungen vom 16.09.2020 scheint diese Annahme auch durchaus naheliegend. Der Klägerin war es daher nicht zumutbar, einen Streit hierüber zu führen und ein über neun Jahre währendes Arbeitsverhältnis entsprechend zu belasten. Wenn die Klägerin die ihr obliegende Treuepflicht übererfüllt während die Beklagtenpartei die seinerseits bestehende Fürsorgepflicht missachtet, kann ihr dies nicht zum Nachteil gereichen. Letztendlich war der Klägerin aus diesen Gründen auch nicht zumutbar ein eigenes Fahrzeug zu verlangen, wenn sie dann in der Versammlung trotzdem erhebliche Zeit mit dem Geschäftsführer zusammenarbeiten muss.
2.2 Die Klägerin hat Anspruch auf Änderung bzw. Ergänzung des unter dem 07.01.2021 erteilten Zeugnisses, jedoch nicht in allen von ihr geforderten Passagen.
a) Ist ein Arbeitnehmer mit dem ihm erteilten Zeugnis nicht einverstanden, kann er vom Arbeitgeber dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Mit einer solchen Klage macht er weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend. Für den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein qualifiziertes Zeugnis ist maßgebliche Rechtsgrundlage § 109 GewO. Entspricht das dem Arbeitnehmer erteilte Zeugnis nach seinem Inhalt nicht den gesetzlichen Anforderungen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein „neues“ Zeugnis zu erteilen (BAG v. 21.06.2005 – 9 AZR 352/04-Juris).
b) Ein Zeugnis muss allgemein verständlich gefasst sein. In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Formulierung des Zeugnisses, so lange das Zeugnis nichts Falsches enthält. „Falsch“ ist ein Zeugnis auch dann, wenn es Merkmale enthält, die den Zweck haben, den Arbeitnehmer in einer nach dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen und denen entnommen werden muss, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung, der Arbeitnehmer wäre in Wahrheit anders beurteilt, nämlich ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt. Unzulässige Geheimzeichen können auch das Auslassen eines an sich zu erwartenden Zeugnisinhalts oder Abweichungen vom allgemein üblichen Sprachgebrauch in Zeugnissen darstellen (BAG v. 20.02.2001- 9 AZR 44/2000-Juris).
aa) Unstreitig hat die Klägerin als Teamleiterin bei der Beklagten gearbeitet, die Beklagte erwähnt dies auch im Zeugnis. Wesentliches Merkmal einer Teamleitung ist jedoch auch die Größe der geleiteten Gruppe, so dass diese Angabe im Zeugnis zur Vollständigkeit der Tätigkeitsbeschreibung erforderlich ist. Daher ist die Teamgröße entsprechend zu ergänzen.
bb) Ebenso gehört zur Vollständigkeit des Zeugnisses die Bewertung der Führungstätigkeiten. Die Beklagte bestreitet die von der Klägerin vorgetragene Beschreibung ihrer Führungstätigkeit nicht, sie behauptet lediglich deren Unschlüssigkeit. Dies ist jedoch nicht der Fall, die Beklagte bringt entgegen § 138 Abs. 2 BGB keinerlei Sachvortrag, dass die von der Klägerin behauptete Führungstätigkeit abweichend darstellen würde, somit gilt der Vortrag der Klägerin als zugestanden.
cc) Sowohl die Leistungsbeurteilung als auch die Führungsbeurteilung enthalten „beredte“ Auslassungen, die die Gesamtbeurteilung mindern.
aaa) In der Praxis hat sich eine eigenständige Zeugnissprache entwickelt, die für Arbeitsrechtler und andere Sachkundige im Personalwesen verständlich ist. Hierbei haben sich standardisierte Bewertungsformeln in der Praxis durchgesetzt. Für sehr gute Leistungen wird üblicherweise die Formulierung „stets/immer/durchgehend zu unserer vollsten Zufriedenheit“ verwendet, während für gute Leistungen die Formulierung „stets/immer/durchgehend zu unserer vollen Zufriedenheit“ verwendet und für eine durchschnittliche Leistung die Formulierung „zu unserer vollen“ bzw. „stets zu unserer Zufriedenheit“ verwendet wird. Die Beklagte will offensichtlich dieser allgemein gebräuchlichen Systematik folgen, jedoch verwendet sie einerseits den für sehr gute Leistungen gebräuchlichen Superlativ „vollsten“ jedoch ohne das dazugehörige Merkmal der „Stetigkeit“, welches lediglich bei durchschnittlichen Leistungen üblicherweise weggelassen wird. Hier erkennt der fachkundige Leser auf den ersten Blick eine erhebliche Unstimmigkeit, die das gesamte durchweg positiv formulierte Zeugnis ins Ungleichgewicht bringt und zu erheblichen Zweifeln Anlass gibt. Unter Berücksichtigung der Schlussformulierung, in der für die sehr gute Mitarbeit gedankt wird, ist daher das „stets“ zu ergänzen. Dass die Beklagte keinesfalls eine sehr gute Beurteilung der Leistung hat vornehmen wollen, trägt auch sie nicht vor.
bbb) Auch die Beschreibung des Führungsverhaltens bedarf der Korrektur. Wird das Verhalten lediglich mit „einwandfrei“ beschrieben, entspricht dies einer unterdurchschnittlichen Bewertung und der Leser wird vermuten, dass es in einigen Fällen eben nicht einwandfrei war, wenn das Merkmal der Stetigkeit nicht erwähnt ist. Auch hier wird der insgesamt durchgehend sehr positive Zeugnisinhalt in offensichtlich missverständlicher Weise entwertet. Die Beklagte hat sich auf konkrete Fehlverhalten der Klägerin nicht berufen, die einzig bekannten Abmahnungen vom 16.09.2020 des über neun Jahre währenden Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte für gegenstandslos erklärt, so dass keine einschränkenden Sachverhalte erkennbar sind, die einem allseits üblichen „stets einwandfrei“ entgegenstünden. Die Klägerin verlangt auch keine darüberhinausgehende, noch bessere Beurteilung wie „vorbildlich“ oder gar „stets vorbildlich“.
dd) Auch die Stellung der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung kann zu missverständlicher Auffassung und Spekulation Anlass geben, wenn diese vor den Einzelbewertungen erfolgt. In der Praxis üblich und auch der Logik folgend sind die Leistungen im Einzelnen wie zum Beispiel Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit, Arbeitsweise etc. zunächst im Einzelnen darzustellen und am Ende folgt sodann die zusammenfassende Leistungsbeurteilung anhand einer so genannten Zufriedenheitsaussage. Wird in dem durchweg positiv formulierten Zeugnis von der üblicherweise etablierten Zeugnissprache abgewichen, kann von sachkundigen Personalstellen eine insgeheime Einschränkung der Gesamtbewertung angenommen werden, was wiederum nicht gerechtfertigt ist.
ee) Soweit die Beklagte das Verhältnis der Klägerin zu Vorgesetzten, Kollegen und Kunden als „beliebt“ beschreibt, ist dies nicht zu beanstanden. Die Bezeichnung des Sozialverhaltens als „beliebt“ ist durchwegs in allen Bereichen als positiv zu verstehen. Dass im Geschäftsumfeld der Immobilienverwaltung andere Gepflogenheiten üblich wären, hat die Klägerin weder dargelegt noch sind solche der Kammer bekannt. Somit verbleibt es bei der Formulierungshoheit des Arbeitgebers.
ff) Keinen Anspruch hat die Klägerin auf die Erweiterung der Tätigkeitsbeschreibung.
Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie die Vermietung von Wohnimmobilien und die Abgabe von Angeboten für neue Verwaltungsmandate und Begleiten der Vorstellungen bei diese durchgeführt hätte. Doch ist die Beklagte diesem Vortrag in der Weise entgegengetreten, dass dies in keinem derart großen Umfang für die Beklagte erledigt worden sei, dass dies in einem Arbeitszeugnis hätte erwähnt werden müssen. Der pauschale Vortrag der Klägerin gilt dann nach dem ebenso pauschalen Einwand der Beklagten gem. § 138 ZPO als ausreichend bestritten. Es hätte der Klägerin oblegen, hier weiteren Sachvortrag zu leisten, um die Relevanz dieser Tätigkeiten für das Arbeitszeugnis darzulegen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu tragen, da das Unterliegen der Klägerin lediglich in geringem Maße erfolgt ist. Zur einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung ist auch § 91 a ZPO hinsichtlich des erledigten Teils zu berücksichtigen. Die Kosten des erledigten Teils sind nach billigem Ermessen und dem aktuellen Streitstand auch diesbezüglich der Beklagten aufzuerlegen, denn die Abmahnungen waren in formeller Hinsicht völlig unbestimmt, so dass bereits aus diesem Grund der Entfernungsanspruch der Klägerin gerechtfertigt war.
4. Der Streitwert für die Entscheidung war gem. § 61 Abs. 2 ArbGG festzusetzen. Er setzt sich zusammen aus der streitigen Forderung sowie einem weiteren Bruttomonatsgehalt für die Streitigkeit über den Zeugnisinhalt.
5. Die Berufung war, soweit die Beschwer hinsichtlich des Unterliegens der Klägerin beim Zahlungsantrag € 600,00 nicht übersteigt, nicht gesondert zuzulassen, da kein Zulassungsgrund gem. § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt.

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