Aktenzeichen RN 10A DK 19.302
Leitsatz
Ein Justizvollzugsbeamter, der interne Informationen über Gefangene weitergibt und sich dabei wegen Geheimnisverrat nach § 353b StGB strafbar macht, zerstört das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn unwiderruflich und ist aus dem Dienst zu entfernen, wenn er sah oder sehen konnte, dass es sich um besonders sensible, sicherheitsrechtlich relevante Informationen (hier geheime Verlegung eines „Kronzeugen“ aus dem Rockermilieu) handelt, unabhängig von der Höhe der strafrechtlichen Verurteilung.
Tenor
I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Disziplinarklage führt zu der Entscheidung, die Beklagte im Rahmen der disziplinarrechtlichen Maßnahme aus dem Dienst zu entfernen.
Gegen die Ordnungsgemäßheit der Disziplinarklage bestehen keine Bedenken. Sie entsprechen den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG und geben in ausreichender Weise den persönlichen und beruflichen Werdegang der Beamtin, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens sowie die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel in geordneter Darstellung wieder. Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens und der Klageschrift wurden von dem Beklagten nicht geltend gemacht.
I. a) Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung hinsichtlich des vorgehaltenen Dienstvergehens (Disziplinarklageschrift III 2) „vorsätzliche Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichtes D. vom 01.03.2018 (Aktenzeichen …) zugrunde, da tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren nach Art. 25 Abs. 1 BayDG als bindend anzusehen sind. Ein Sachverhalt, der ausnahmsweise ein Lösen von rechtskräftigen Feststellungen eines Strafurteils rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Das Amtsgericht D. hat die Beklagte wegen einer vorsätzlichen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 45 Euro rechtskräftig verurteilt. Danach hat die Beklagte vorsätzlich ohne eigene dienstliche Veranlassung eigene Ermittlungen zum Aufenthalt von Häftling K.(Aussteiger aus der Rockerszene und ehemalige Präsident der …, welcher sich in einem Zeugenschutzprogramm befand) aufgenommen, sich darüber informiert in welche Justizvollzugsanstalt dieser verlegt worden war, und diese Information an einen Dritten weitergegeben (ebenfalls ehemaliges Mitglied der …), unter bewusster Verletzung der ihr als Justizvollzugsbeamtin obliegenden Geheimhaltungspflicht. Ebenso steht für die Kammer fest, dass sich die Beklagte für die Weitergabe dieser Information keine wirtschaftlichen Vorteile versprechen ließ. Auch dies ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts D. vom 01.03.2018.
b) Hinsichtlich der herabwürdigenden Äußerungen gegenüber und über den Kollegen J., steht der Sachverhalt aufgrund der schriftlichen Zeugenaussagen, sowie der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Kollegen der Beklagten als Zeugen zur festen Überzeugung des Gerichts fest. Die Zeugen haben im Kern übereinstimmend schlüssig und glaubhaft den vorgeworfenen Sachverhalt bestätigt. Insbesondere die einvernommenen Zeugen OS im JVD P. und OS im JVD J. haben die in der Disziplinarklage vorgehaltenen Aussagen bestätigt. Die Zeugenaussagen waren dabei geprägt von dem Bemühen sachlich und umfassend auszusagen, ohne einen Belastungseifer an den Tag zu legen. In Anbetracht des inzwischen vergangenen Zeitablaufs und des damit eingeschränkten Erinnerungsvermögens haben sie glaubhaft und überzeugend die Korrektheit ihrer im behördlichen Verfahren getätigten Aussagen und Behauptungen bestätigt.
II.
Durch das Verhalten zu Tatvorwurf unter Ia, einer Straftat gemäß § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, hat die Beklagte vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, zur rechtmäßigen Amtsführung, zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie zur völligen Hingabe an den Beruf verstoßen (§§ 37, 35 Satz 2, 34 Satz 3 BeamtStG).
Durch das konkret vorgeworfene Verhalten zu Tatvorwurf Ib hat die Beklagte vorsätzlich gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten sowie zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen (§§ 34 Satz 1 und 3 BeamtStG). Einen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten etwa dadurch, dass in einem Telefonat zwischen der Beklagten und Herrn L. ein „Entgegenkommen beim Gerüstpreis“ zur Sprache gekommen ist in der Form, dass der Anschein der Bestechlichkeit erweckt worden wäre, sieht die Kammer nicht. Zwar ist eine derartige Aussage im Telefongespräch gefallen, aufgrund des Kontextes (Lachen, keine tatsächlichen wirtschaftlichen Verbindungen) in einem Vieraugengespräch teilt die Kammer die Auffassung des Amtsgerichtes D., dass es sich hierbei um eine „scherzhafte“ Bemerkung gehandelt hat, die als solche auch für Außenstehende so erkennbar gewesen ist bzw. wäre.
III.
Die Schwere des Dienstvergehens gebietet die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Sie hat auch unter Berücksichtigung ihres bisher beanstandungslosen dienstlichen Verhaltens das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren.
1. Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden.
Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (vgl. z.B. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
So hat nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerfG vom 8.12.2004 a.a.O.). Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 a.a.O.).
2. Bei den Pflichtverstößen der Beklagten, die kumulativ begangen wurden, handelt es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Liegen mehrere Dienstpflichtverletzungen eines Beamten vor, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich um ein einheitliches Dienstvergehen handelt. Dem Grundsatz der „Einheitlichkeit eines Dienstvergehens“ liegt der Gedanke zugrunde, dass für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens eines Beamten und für die Entscheidung über das Erfordernis einer erzieherischen Disziplinarmaßnahme oder gar der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht die einzelnen Pflichtverletzungen als Teilaspekte seines Verhaltens, sondern das gesamte innerdienstliche und außerdienstliche Verhalten als Spiegelbild seiner Persönlichkeit maßgebend ist. Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus dienstlicher Sicht noch erziehbar erscheint und ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig aber auch als ausreichend erscheint oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, U v. 10.12.1991, 1 D 26.91 m. w. Nachw.; juris).
Setzt sich ein Dienstvergehen aus verschiedenen Pflichtverletzungen wie hier zusammen, so bemisst sich die Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach dem schwerwiegendsten Pflichtenverstoß. Das ist hier der Geheimnisverrat nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB.
3. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift das Bundesverwaltungsgericht zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurück. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist nach der neueren Rechtsprechung jedoch auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Auch bei diesen gewährleistet dies eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Dienstvergehen. Es wird verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
4. Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen – wie hier – kommt dagegen dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme (im Gegensatz zu außerdienstlichen Dienstvergehen in einer zweiten Stufe) weder indizielle noch präjudizielle Bedeutung zu. Denn der Beamte ist nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.08.2018 – 2 B 5.168-, juris, m.w.N.).
a. Der abgeurteilte Tatvorwurf gegen die Beklagte beinhaltet die vorsätzliche Verletzung eines Dienstgeheimnisses sowie einer besonderen Geheimhaltungspflicht. § 353 b StGB sieht zur Bestrafung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bereits bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Die Höhe der konkreten Verurteilung zu 50 Tagessätzen Geldstrafe bleibt bei dem innerdienstlichen Dienstvergehen dagegen außer Betracht.
b. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des Dienstvergehens entspricht. Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite – wie hier ein Geheimnisverrat -der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (vgl. z. B. BVerwG vom 23.7.2013 Az. 2 C 63.11).
c. Durch die Weitergabe von dienstlich erlangten Erkenntnissen an Herrn L. hat die Beklagte gegen ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verstoßen. Das Gebot der Amtsverschwiegenheit hat eine Hauptpflicht des Beamten zum Gegenstand, die zu den hergebrachten und bei Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört (BVerwG, Urteil vom 25.2.1971 – II C 11.70 -, BVerwGE 37, 265-271; jurisBVerwG, Urteil vom 25.2.1971 – II C 11.70 -, BVerwGE 37, 265-271; juris). Sie dient der Aufrechterhaltung und dem einwandfreien Funktionieren einer geordneten öffentlichen Verwaltung, die nur dann rechtstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn Gewähr geleistet ist, dass über dienstliche Vorgänge nach außen grundsätzlich Schweigen bewahrt wird. Je nach der Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Amtsverschwiegenheitspflicht unterschiedliches disziplinarisches Gewicht haben (BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 1 D 107.83 -, juris BVerwG, Urteil vom 18.10.1984 – 1 D 107.83 -, juris). Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Anzahl der Amtsgeheimnisse, die die Beklagte weitergegeben hat, sowie die Auswirkungen zu berücksichtigen. Gemessen hieran erweist sich der Pflichtverstoß der Beklagten als innerdienstlich und schwerwiegend.
Allein die Weitergabe von justizinternen und polizeilichen Informationen aus privaten Gründen an einen Freund oder Bekannten der selbst schwerer Straftaten verdächtig ist, stellt bereits ein schweres Dienstvergehen dar. Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass sich die Beklagte diese Informationen zur Weitergabe an einen Dritten bewusst aktiv beschafft hat, und sie nicht nur gelegentlich ihres Dienstbetriebes zur Kenntnis erhalten hat. Ferner handelt es sich um äußerst sensible Informationen im Kernbereich der rechtsstaatlichen Sicherheitsinteressen. Sie betrafen einen Häftling der als Aussteiger aus der Rockerszene -ehemaliger Präsident der … – für mehrere Verfahren als Zeuge vorgesehen war, wegen der damit verbundenen Gefährdung unter Geheimhaltung in ein anderes Gefängnis verlegt, und in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden ist. Die Information über seinen derzeitigen Aufenthaltsort und die Umstände seiner Verlegung hat die Beklagte an Herrn L. weitergegeben, ebenfalls ein ehemaliges … Mitglied, dieser wiederum an ein weiteres Mitglied der … Die vorsätzliche Weitergabe derartig sensibler Daten nach aktiver Beschaffung an Mitglieder bzw. das Umfeld der Rockergruppe … – die Beklagte wusste, dass Herr L. dem Rockermilieu zuzuordnen war – im Zusammenhang mit Ermittlungen aus dem Bereich der schweren Gewaltkriminalität, stellt alleine bereits ein so schweres Dienstvergehen dar, dass dadurch nach Auffassung der Kammer der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme gerechtfertigt wäre. Im Hinblick auf die potentiellen Folgen der Weitergabe dieser Informationen (Gefährdung von Leib und Leben des Kronzeugen, Beeinträchtigung und gegebenenfalls Verhinderung strafrechtlicher Ermittlungen im Bereich der schweren Bandenkriminalität in Bezug auf Waffen-, Drogen- und Gewaltdelikte durch Bedrohung oder Beeinflussung von Zeugen, Absprachen von Zeugenaussagen) liegt eine so starke Verletzung der beamtenrechtlichen Kernpflichten im sicherheitsrelevanten Bereich vor, dass sowohl das Vertrauen des Dienstherrn als auch der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Beklagten irreversibel zerstört ist. Der Pflichtverstoß wird auch nicht etwa dadurch abgemildert, dass die Beklagte ausführt sie hätte nicht gewusst, dass der Betroffene in einem Zeugenschutzprogramm ist, bzw. sie wollte nur der Freundin von Frau K. helfen und habe als Herr L. sie gefragt hatte, nur an das Wohl des Kindes gedacht. Die Beklagte hat sich aktiv und vorsätzlich Informationen beschafft und diese dann in einem weiteren aktiven Schritt zielgerichtet weitergegeben. Dabei hat sie in Erfahrung gebracht, dass für den Gefangenen Trennungsvermerke hinsichtlich zweier Mitgefangener im Datensystem der JVA eingetragen gewesen waren, sowie besondere Umstände der Verlegung (kurzfristig, insbesondere unter Beteiligung der Kriminalpolizei, außerhalb des Bundeslandes, ohne weitere Informationen in der JVA zu den Hintergründen und dem Zielort der Verlegung und unter Umgehung der üblichen Schubregel) auffällig waren. Daraus hat sie eindeutig ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Dienstherren bezüglich dieser Informationen entnehmen können und müssen. Darüber hat sich die Beklagte zumindest vorsätzlich und leichtfertig hinweggesetzt, indem sie in dem Telefonat in dem sie die Informationen an Herrn L. weitergab, diese auffälligen Umstände sogar besonders erwähnte. Auch erfolgte dieses Telefonat nach Aussagen der Beklagten etwa 14 Tage nach der Anfrage durch Herrn L. Insoweit hatte die Beklagte genügend Zeit, ihr Verhalten selbst zu hinterfragen. Ein spontanes Verhalten aus dem Impuls heraus jemanden zu helfen, lag damit nicht mehr vor.
d. Ebenso handelt es sich um ein innerdienstliches Dienstvergehen, dass die Beklagte zu und über ihren Kollegen J. wiederholt im Dienst bezüglich dessen vermeintlicher Homosexualität in verächtlicher Art und Weise sprach. Damit wurde das innerbetriebliche Klima erheblich belastet und die kollegiale Zusammenarbeit erschwert und beeinträchtigt. Die vielfachen systematischen, negativen, ausgrenzenden und verächtlichen Äußerungen über die vermeintliche sexuelle Neigung des Arbeitskollegen widersprechen den Grundsätzen einer kollegialen und vertrauensvollen Zusammenarbeit, sowie eines respektvollen Umgangs mit Kollegen im Rahmen der Ausübung des Dienstes. Aus dem Treueverhältnis folgt das Gebot der Ein- und Unterordnung. Danach ist ein Beamter grundsätzlich verpflichtet, Vorgesetzten, Mitarbeitern und Beamten anderer Behörden gegenüber taktvoll zu begegnen, Rücksicht auf deren Belange zu nehmen und die Atmosphäre vertrauensvoller Zusammenarbeit im öffentlichen Dienst nicht ohne zwingenden Grund zu stören. Neben dem beamtenrechtlichen Pflichtenverstoß zeigt sich hier ein Persönlichkeitsmangel der Beklagten, welcher auch im Hinblick auf die Ausführungen unter III. 4c negativ zu berücksichtigen ist.
Anerkannte Milderungsgründe (z. B. persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen, Fehlverhalten in einer äußerst schwierigen und überwundenen Lebensphase, erheblich geminderte Schuldfähigkeit) sind für die Kammer nicht ersichtlich.
In der Summe führen die dargelegten Pflichtverletzungen auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte bislang straf-und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, sowie der Dauer des Strafund Disziplinarverfahrens, daher zu einem so schweren Dienstvergehen, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Beamtin restlos zerstört ist. Infolgedessen gebietet die Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
5. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch verhältnismäßig. Sie verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist – wie hier – durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht wegen der damit einhergehenden Härten für die Beklagte unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn durch sein Verhalten zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis zur Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH vom 24.5.2017 Az. 16a D 15.2267 m.w.N.). Ihm steht im Übrigen für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu.
Die Beklagte erscheint damit im Beamtenverhältnis nicht mehr als tragbar, da sie wegen eines schweren Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Im Disziplinarklageverfahren ist daher in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.