Aktenzeichen AN 13b D 18.01035
BayBG Art 89
UrlV § 18 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz
1. Fortgesetztes unerlaubtes Fernbleiben eines Beamten vom Dienst verstößt gegen Art. 95 Abs. 1 S. 1 BayBeamtG (Fernbleiben vom Dienst ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten) sowie gegen die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 S. 1 BeamtStG) und stellt ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen dar. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter, dessen Urlaubsantrag bestandskräftig abgelehnt wurde, kann sich auf Ausführungen der – erkennbar unzuständigen – Besoldungsstelle, nach denen er weiterhin beurlaubt sei, nicht berufen. Eventuelle Zweifel hat er durch Nachfrage bei der zuständigen Stelle auszuräumen. (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)
3. Maßgebendes Kriterium für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Diese beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
4. Einem Beamten, der ohne Genehmigung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr „Urlaub“ für sich Anspruch nimmt, kann nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Daher ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich und angemessen. (Rn. 86 – 87) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 11 Abs. 1 BayDG zur Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht. Die Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Ihr wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern. Von dieser hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.
II.
Der der Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht fest auf Grund der im Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen, insbesondere des zwischen der Regierung von … und der Beklagten geführten Schriftverkehrs.
Danach ist die Beklagte unstreitig nach Ablauf des zuletzt gemäß § 18 Abs. 1 und 3 UrlV bis einschließlich 31. Juli 2017 verlängerten Sonderurlaubs nicht mehr zum Dienst erschienen.
Die Beklagte war jedoch verpflichtet, den Dienst anzutreten, da ihr Antrag vom 31. Mai 2017, sie gemäß Art. 89 BayDG für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Juli 2018 für die Betreuung ihres Ehemannes zu beurlauben, mit Bescheid der Regierung von … vom … 2017 abgelehnt worden war. Der Bescheid wurde der Beklagten am … 2017 ausgehändigt. Der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom … 2017 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat durch ihr Verhalten ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen verwirklicht, da sie seit dem 1. August 2017 dem Dienst unerlaubt fern geblieben ist und ihren Dienst jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. April 2019 auch nicht wieder angetreten hat. Sie hat mit diesem Verhalten gegen Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtG (Fernbleiben vom Dienst ohne Genehmigung ihres Dienstvorgesetzten) sowie gegen ihre Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen.
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Regierung von … teilte der Beklagten bereits mit E-Mail vom 21. Juni 2017 mit, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Beklagte während der Dauer der Pflege ihres Ehemannes einer Vollbeschäftigung nachgehen könne. Der Antrag auf Beurlaubung nach Art. 89 BayBG müsse deshalb abgelehnt werden. Die Beklagte wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie im Falle der Ablehnung der Beurlaubung den Dienst zum neuen Schuljahr mit Vollzeit (oder gegebenenfalls Teilzeit, jedoch mit mindestens 14/28 Wochenstunden) antreten müsse. Sollte keine Dienstaufnahme erfolgen, habe die Beklagte gegebenenfalls mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu rechnen. Es stehe ihr jedoch frei, sich auf eigenen Antrag mit Ablauf der Beurlaubung (mit Ablauf des 31.7.2017) aus dem Beamtenverhältnis entlassen zu lassen.
Die Ablehnung des Urlaubsantrags erfolgte mit Bescheid vom … 2017. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom … 2017 zurückgewiesen. Beide Bescheide sind bestandskräftig geworden. Der Beklagten war somit bekannt, dass Sie zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 den Dienst wieder hätte antreten müssen.
Auf Grund des ausführlichen Schriftwechsels mit der Regierung von … und der früher erteilten Urlaubsgenehmigungen war der Beklagten der Ablauf des Genehmigungsverfahrens und die ausschließliche Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken für die Erteilung der Genehmigung der beantragten familienpolitischen Beurlaubung bekannt. Sie kann sich deshalb nicht darauf berufen, sie sei auf Grund der Mitteilung des Landesamtes für Finanzen vom 30. August 2017 zu einer Überzahlung der Bezüge, in welcher ausgeführt ist, die Beklagte sei ab dem 1. August 2017 weiterhin beurlaubt, davon ausgegangen, der ihr am 18. August 2018 ausgehändigte Bescheid der Regierung von … vom … 2017 sei wieder aufgehoben worden. Insoweit hätte die Beklagte, die in regelmäßigen E-Mail-Kontakt mit der Regierung von … stand, bei eventuellen Zweifeln über den Fortbestand des Bescheides vom … 2017 nachfragen können und müssen. Spätestens nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom … 2017 konnten für die Beklagte ohnehin keine Zweifel an der Ablehnung des von ihr beantragten Urlaubs mehr bestehen.
Die Beklagte ist somit spätestens nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom … 2017 am 18. September 2017 vorsätzlich unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben.
Das innerdienstliche Dienstvergehen führt zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gem. Art. 11 BayDG. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Die Kammer ist zur Überzeugung gelangt, dass die Beklagte – auch unter Berücksichtigung ihres Persönlichkeitsbilds und ihres bisherigen dienstlichen Verhaltens – das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 28.10; BayVGH, U.v. 12.3.2014 – 16a D 11.2657, jeweils in juris).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 11.2.2014 – 2 B 37/12, juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 25.5.2012 – 2B 133.11, juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).
Zur Frage, bei welcher Zeitdauer schuldhaften unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt für die Festsetzung der Disziplinarmaßnahme ist, ist die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich. Bei einer ununterbrochenen Dauer von vier Monaten und länger wurde im Regelfall auf die Höchstmaßnahme erkannt (BVerwG, U.v. 22.4.1991 – 1 D 62.90, Rn. 99 juris m.w.N.), bei einer ununterbrochenen Dauer von zwei bis drei Monaten hat die Rechtsprechung nicht einheitlich entschieden, wobei die besonderen Umstände des Einzelfalls eine Rolle spielten (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, MatR II, Rn. 219 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat bei wiederholtem, unentschuldigtem Fernbleiben vom Dienst von zwei Monaten Abwesenheit die Höchstmaßnahme für erforderlich gehalten (Entscheidungen vom 10.10.1990 – 1 D 1.90; 7.11.1990, 1 D 33.90, jeweils in juris). Bei einem schuldhaft ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst von ununterbrochen sieben Wochen wurde die zu verhängende Maßnahme – je nach den Umständen des Einzelfalls – im Grenzbereich zwischen Dienstentfernung und Degradierung gesehen, wenn der Beamte vorsätzlich gehandelt hat (BVerwG, U.v. 22.4.1991 – 1 D 62.90, juris Rn. 99; U.v. 6.5.2003 – 1 D 26/02, juris Rn. 55; BayVGH, U.v. 20.5.2015 – 16a D 13.2359, Juris Rn. 108 f.).
Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten (BVerwG, U.v. 22.04.1991 – 1 D 62/90, juris Rn. 97). Ohne die Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht imstande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne Genehmigung über einen Zeitraum von nunmehr über einem Jahr „Urlaub“ für sich Anspruch nimmt, nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung aller belastenden und entlastenden Gesichtspunkte sieht die Kammer die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderlich und angemessen an. Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Regierung von Mittelfranken ist in ihrem bestandskräftigen Bescheid vom 13. Juli 2017 zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine familienpolitische Beurlaubung zur Betreuung des Ehemannes der Beklagten nicht vorliegen, da diese ausweislich des von ihr vorgelegten ärztlichen Attestes vom 7. Juni 2017 während der Dauer der Pflege einer Vollbeschäftigung nachgehen konnte (vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 14 zu Art. 89 BayBG). Die Beklagte ist nicht gerichtlich gegen den ablehnenden Bescheid und den Widerspruchsbescheid der Regierung von … vorgegangen, hat insbesondere auch nicht von der Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, Gebrauch gemacht.
Die Beklagte hat sich damit eigenmächtig über die verbindliche Entscheidung ihres Dienstherrn hinweggesetzt und ist auch ihrer Vorbildfunktion als Lehrerin nicht gerecht geworden. Auf die die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen in der Disziplinarklage wird Bezug genommen.
Im Hinblick darauf, dass die Beklagte seit Beginn des Schuljahres 2017/2018 schuldhaft nicht mehr zum Dienst erschienen ist, ist die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme gegen die Beklagte weder unverhältnismäßig noch verstößt sie gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip (vgl. BVerwG, B.v. 18.1.2008 – 2 BvR 313/07, juris Rn. 11). Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und auch erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden ist mangels Milderungsgründe vorliegend so erheblich, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten und auch angemessen ist. Ist das Vertrauensverhältnis – wie vorliegend – endgültig zerstört, stellt sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.