Arbeitsrecht

Disziplinarmaßnahme des Wegfalls der Amtszulage bei außerdienstlichem Betrug zugunsten Dritter

Aktenzeichen  M 19L DK 17.749

Datum:
26.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161889
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 72 Abs. 1 S. 1
StGB § 25 Abs. 2, § 263 Abs. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls (Betrug zugunsten der erkrankten Schwester aus Mitleid, persönlichkeitsfremde Augenblickstat, Geständnis, Wiedergutmachung des finanziellen Schadens durch Aufnahme eines Kredits, eigeninitiative Information des Dienstherrn, sehr gute Leistungen seit vielen Jahren) ist es vorliegend angemessen, den Betrug zugunsten der Schwester allein durch die Aberkennung der Amtszulage zu sanktionieren. (Rn. 30 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Rektors (Besoldungsgruppe A 14 ohne Amtszulage) erkannt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (Art. 58 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
Der Beklagte wird unter Wegfall seiner bisherigen Amtszulage in das Amt eines Rektors (Besoldungsgruppe A 14) zurückgestuft (Art. 10 BayDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem Sachverhalt aus, der dem Beklagten im Urteil des Amtsgerichts München vom 24. Februar 2016 zur Last gelegt wird.
Dieser Sachverhalt steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1 BayDG für das Gericht bindend fest. Nach diesen Vorschriften sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im gerichtlichen Verfahren bindend. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 10 f.; BayVGH, U.v. 21.12.2016 – 16a D 13.1335 – juris Rn. 86 ff.). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte den ihm zur Last gelegten Sachverhalt sowohl im Strafverfahren als auch im Disziplinarverfahren vollumfänglich eingestanden.
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegte Tat hat dieser außerdienstlich ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
Durch sein Verhalten hat er gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB), und gegen seine Pflicht, sich dem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen.
Im vorliegenden Fall liegt ein außerdienstliches Fehlverhalten des Beklagten vor. Dieses war weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 66).
Die außerdienstliche Pflichtverletzung stellt auch ein Dienstvergehen dar. Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur dann zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Davon ist hier auszugehen. In der Rechtsprechung wird für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG darauf abgestellt, dass das Fehlverhalten des Beamten ein Mindestmaß an Relevanz überschreitet. Dies ist anzunehmen bei einem gesetzlichem Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11), der hier eröffnet ist, weil § 263 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht.
4. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer und führt bei einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände zur Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung unter Wegfall der Amtszulage (Art. 10 BayDG).
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 75).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außergerichtlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren – wie bei dem hier verwirklichten Betrug – ist für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 76).
Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Delikte, die – wie gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten – angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 77).
Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Fall einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die von den Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 18). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 13; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 38). Hier hat das Amtsgericht München eine Freiheitsstrafe gegen den Beklagten verhängt, so dass es beim Orientierungsrahmen der Entfernung aus dem Dienst verbleibt.
Des Weiteren sind Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße sowie Umstände der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen Form und Gewicht des Verschuldens und Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens, zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 19). Dabei ergibt sich im vorliegenden Fall, dass der Beklagte die Betrugshandlung durch eine einmalige Tat, nämlich das unrichtige Ausfüllen des Antragsformulars, begangen hat. Dabei war er geleitet von Mitleid mit seiner Schwester und Sorge um sie. Allerdings ist durch die unrichtigen Angaben in dem Antragsformular ein sehr hoher Schaden von über 100.000 € entstanden.
Dieser hohe Schaden spricht auch zu Lasten des Beklagten. Die Höhe des Gesamtschadens ist dabei ein Erschwerungsgrund neben anderen, der bei einem Gesamtschaden von über 5000 € ohnehin schon die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe rechtfertigen kann (BVerwG, B.v. 6.5.2014 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11).
Sehr zu Gunsten des Beklagten sprechen jedoch die folgenden Umstände:
Seine Motivation, seiner seit vielen Jahren schwer erkrankten Schwester in einer sehr schwierigen Lebenssituation vermeintlich Hilfe zu leisten, erscheint nachvollziehbar. Mit seiner Tat hat er sich zudem nicht selbst bereichert.
Das einmalige Fehlverhalten des Beklagten beim Ausfüllen des Antragsformulars stellt eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation. Dieser Milderungsgrund liegt vor, wenn ein Beamter im Zuge einer plötzlich entstandenen, besonderen Versuchungssituation einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt und dabei ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Unüberlegtheit und Spontanität gezeigt hat (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 15.2416 – juris Rn. 34). Dies ist hier der Fall. Der Beklagte führte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 22. November 2016 aus, aufgrund der Weigerung seiner Schwester, die anzugebenden Sachverhalte in das Formular einzutragen, und der Tatsache, dass sie den Antrag letztlich unterschrieben habe, habe er das Ausfüllen nicht abgebrochen, sondern ihr aus Mitleid weiter geholfen.
Der Beklagte zeigte sich überdies im straf- und auch im disziplinarrechtlichen Verfahren geständig. Insbesondere hat er seinen Dienstherrn mit Schreiben vom 20. September 2015 eigeninitiativ von dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren in Kenntnis gesetzt.
Der hohe finanzielle Schaden aus der Betrugstat wurde inzwischen wiedergutgemacht. Da die Schwester des Beklagten die gesamte Summe nicht aufbringen konnte, hat er selbst einen Kredit über 43.000 € für die Rückzahlung aufgenommen.
Besonders fällt ins Gewicht, dass der Beklagte seit vielen Jahren sehr gute dienstliche Leistungen zeigt. So hat er in der Beurteilung aus dem Jahr 2010 die Gesamtnote „Leistung, die die Anforderungen übersteigt“ und in der Beurteilung aus dem Jahr 2014 die Note „Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt“. Weiter war sein dienstliches Verhalten in den Jahren 2004, 2006 und 2009 derart hervorgehoben, dass der Dienstherr die Zahlung einer Leistungsprämie als gerechtfertigt ansah. Überaus positiv ist auch das Leistungsbild vom 30. November 2016, in dem insbesondere die innovativen Projekte des Beklagten sowie seine außerordentliche Empathie- und Integrationsfähigkeit hervorgehoben werden. Gerade bei der schwierigen dienstlichen Aufgabe des Beklagten als Schulleiter der größten Grund- und Mittelschule im Landkreis … erscheinen die sehr guten dienstlichen Leistungen als besonders anerkennenswert.
Zu Gunsten des Beklagten ist zuletzt zu berücksichtigen, dass er bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände unter Einbeziehung der Schwere des Dienstvergehens und des hierdurch eingetretenen Vertrauensschadens sowie aller zu Gunsten und zulasten des Beklagten sprechenden Umstände ergibt, dass die Zurückstufung unter Wegfall der Amtszulage hier die erforderliche und angemessene Maßnahme ist. Die zugunsten des Beklagten sprechenden Gesichtspunkte seiner herausragenden dienstlichen Leistungen rechtfertigen es hier, seine Straftat allein dadurch zu sanktionieren, dass er die Amtszulage verliert (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Maßnahme BayVGH, U.v. 10.8.2010 – 16a D 09.1161 – juris Rn. 127). Die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahme sind zwar gering; sie zeitigt jedoch auch Folgen für das Ruhegehalt des Beklagten und erscheint deshalb als ausreichend.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

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