Arbeitsrecht

Disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme bei Urkundenfälschung durch Lehrer

Aktenzeichen  13bAN 13b D 19.00637 D 19.637

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34323
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 14, Art. 25 Abs. 1, Art. 55, Art. 58 Abs. 2 S. 2
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 2, S. 3, § 47 Abs. 1 S. 1,
StGB § 267 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
BV Art 3 Abs. 1 S: 1

 

Leitsatz

1. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt. (Rn. 116) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Anders als bei außerdienstlich begangenen Straftaten kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme jedoch keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu. (Rn. 119 und 121) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme sind die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden. (Rn. 141) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderliche und geeignete Maßnahme, den Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. (Rn. 143) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung der Art. 11 Abs. 1, 14 Abs. 2 BayDG zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, da der Beklagte durch ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn endgültig verloren hat.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern. Die Klageschrift entspricht den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht fest auf Grund der tatsächlichen Feststellungen in dem seit dem 10. Oktober 2018 rechtskräftigen Urteil des Amtsgericht … vom 30. August 2018 – … -. In diesem wurde der Beklagte wegen Urkundenfälschung in 56 Fällen gemäß §§ 267 Abs. 1, 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 165,00 EUR verurteilt.
Die tatsächlichen Feststellungen des Urteils sind gemäß Art. 55 BayDG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Disziplinarklageverfahren bindend. Der Beklagte hat den ihm zur Last gelegten Sachverhalt auch vollumfänglich eingeräumt.
Der Beklagte hat demnach in den Jahren 2015, 2016 und 2017 an insgesamt 56 Prüfungsarbeiten in der Abschlussprüfung im Fach Englisch Manipulationen vorgenommen und Fehler der Schüler verbessert. Hierdurch erhielten die betroffenen Schüler in 53 der Betroffenen Prüfungsarbeiten eine höhere Anzahl an Bewertungspunkten und in 15 Fällen hiervon eine bessere Note als sie sie ohne die Manipulationen bekommen hätten.
Durch das strafrechtlich geahndete Verhalten hat der Beklagte gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Der Beklagte hat vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Dies ergibt sich aus den auch insoweit die Disziplinarkammer bindenden Feststellungen des Amtsgerichts … im Urteil vom 30. August 2018 (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1/15 – juris Rn. 9).
Der Beklagte hat mit seinem strafrechtlich geahndeten Handeln gegen die ihm obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§ 267 Abs. 1 StGB, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG).
Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren hat und deshalb auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen ist.
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., juris Rn. 13).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., juris Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, und – 2 C 13.10 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – NVwZ 2015, 1680). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist jedoch auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 19).
Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015, a.a.O., Rn. 20; BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484 – juris Rn. 83; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 70, 72). Vorliegend reicht der Strafrahmen bei einer Straftat der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB bis zu fünf Jahren, so dass der Orientierungsrahmen vorliegend bis zur Entfernung aus dem Dienst reicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob sich der Beklagte, wie von Kläger angenommen, gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB sogar wegen Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht hat. In diesem Falle würde der Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichen.
Das Strafgericht hat vorliegend zwar nur auf eine Geldstrafe erkannt. Anders als bei außerdienstlich begangenen Straftaten kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme jedoch keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu. Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen ist der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen (vgl. BVerwG, U.v. 8.3.2005 – 1 D 15.04 – Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 S. 16; BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn 13 ff). Die disziplinarrechtliche Ahndung eines innerdienstlichen Dienstvergehens dient nicht der strafrechtlichen Sanktionierung des Pflichtenverstoßes, sondern der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn 16).
Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend geboten, weil der Beklagte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Der Beklagte hat als Erstkorrektor der Abschlussprüfungen im Fach Englisch an der Staatlichen Realschule … in den Jahren 2015, 2016 und 2017 vorsätzlich Manipulationen an insgesamt 56 Prüfungsarbeiten vorgenommen und damit im Kernbereich seiner Aufgaben versagt. In 53 Fällen haben die Manipulationen der Prüfungsarbeiten zu einer höheren Anzahl an Bewertungspunkten geführt und in 15 Fällen haben die Verbesserungen Auswirkungen auf die Note gehabt. Hierdurch sind andere Prüflinge benachteiligt worden.
Zu Lasten des Beklagten ist zu werten, dass es sich nicht um einmaliges Versagen anlässlich der Korrektur der Arbeiten im Jahr 2017 gehandelt hat, sondern der Beklagte Manipulationen bereits in den Abschlussprüfungen in den Jahren 2015 und 2016 vorgenommen hatte, die damals bei der Zweitkorrektur nicht entdeckt wurden. Die Beklagte nahm in drei Prüfungsjahrgängen in insgesamt 56 Fällen Manipulationen an Prüfungsarbeiten vor.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte nach der Entdeckung von Ungereimtheiten bei der Erstkorrektur der Prüfungsaufgaben im Fach Englisch im Jahr 2017 durch Frau … zunächst noch versucht hat, die notwendigen Unterschriften bei der Zweitkorrektur durch einen weiteren Kollegen und eine weitere Kollegin zu erhalten. Nachdem sich Frau … geweigert hatte, die Prüfungsarbeiten zu unterschreiben, hat der Beklagte zunächst Herrn … gebeten, die Zweitkorrektur anstelle von Frau … zu übernehmen. Er äußerte gegenüber Herrn …, dass es mit Frau … schwierig sei. Nachdem auch Herr … Unstimmigkeiten bei der Korrektur bemerkt und sich ebenfalls geweigert hatte, die Zweitkorrektur zu übernehmen, sprach der Beklagte nunmehr Frau … an, die ebenfalls die Verantwortung für die Zweitkorrektur ablehnte. Erst danach hat der Beklagte in einem gemeinsamen Gespräch mit Frau …, Herrn … und Frau …, das von Frau … initiiert worden war, die Manipulationen eingeräumt und sich anschließend auch dem Schulleiter offenbart (vgl. hierzu das Gedächtnisprotokoll des damaligen Schulleiters der Staatlichen Realschule …, Herrn RSD …, vom 30.6.2017 sowie die schriftliche Erklärung der Zeugin … im Strafverfahren und die im Strafverfahren getätigten Aussagen der Zeugen … und …).
Zu Gunsten des Beklagten kann berücksichtigt werden, dass er sich schuldeinsichtig gezeigt und bei den betroffenen Kollegen entschuldigt hat.
Die vom Beklagten für sein Handeln genannten Beweggründe können diesen nicht entlasten.
Ausweislich des Gedächtnisprotokolls des damaligen Schulleiters der Staatlichen Realschule … vom 30. Juni 2017 gab der Beklagte als Grund seines Handelns an, er habe sich abzeichnende Nachteile für Schüler wie z.B. das Nichterreichen des Zulassungsabschnittes für die Aufnahme in die FOS, das Scheitern eines Lehrverhältnisses wegen Nichterhalt des Realschulabschlusses, oder den möglichen Wegfall einer Notenausgleichsmöglichkeit verhindern wollen.
Der Wunsch des Beklagten, auf diese Weise Schülern zu helfen, von denen er angenommen habe, diesen wären außerhalb der Prüfungssituation die von ihnen gemachten Fehler nicht unterlaufen, vermögen die Manipulationen an den Prüfungsarbeiten durch den Beklagten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Jeder Schüler hat sich im Laufe seiner Schulausbildung Prüfungen zu stellen und sich auch in Prüfungssituationen zu bewähren. Es geht nicht an, dass ein Prüfer in der vermeintlichen Annahme, er kenne seine Schüler „in- und auswendig“, aus seiner Sicht vermeidbare Fehler bei bestimmten Prüflingen korrigiert und damit in das Bewertungssystem eingreift. Hierdurch werden einzelne Schüler bevorzugt und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen.
Die Kammer ist überzeugt, dass die späteren Äußerungen des Beklagten, es sei um „sein verdammtes Ego“ gegangen und er habe den besten Schnitt erzielen wollen, die eigentliche Motivation des Beklagten wiedergeben. Nachdem die Manipulationen der Abschlussarbeiten in den Jahren 2015 und 2016 nicht entdeckt worden waren, war sich der Beklagte seiner Sache anscheinend bereits so sicher, dass er sich bei den Manipulationen im Jahr 2017 keine besondere Mühe mehr gab, weshalb diese anschließend sogar drei Kolleginnen bzw. Kollegen auffielen.
Unter Berücksichtigung der genannten konkreten Umstände des Dienstvergehens wird das vorstehend geschilderte Handeln des Beklagten der Vertrauensstellung, die der Beklagte als verbeamteter Realschullehrer genießt, in besonders schwerwiegender Weise nicht gerecht. Das Dienstvergehen ist als sehr schwer einzustufen und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG angemessen, aber auch erforderlich.
Die weiteren nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG zu berücksichtigenden Bemessungsaspekte führen nicht dazu, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
Anerkannte Milderungsgründe liegen nicht vor.
Der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ setzt außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt „aus der Bahn geworfen“ haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin „aus der Bahn“ geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1979 – 1 D 39.78 – BVerwGE 63, 219, v. 23.8.1988 – 1 D 136.87 – NJW 1989, 851, v. 27.1.2011 – 2 A 5.09 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17, v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – NVwZ 2013, 1087 und v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – NVwZ 2016, 722).
Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
Es ist zwar ohne weiteres nachvollziehbar, dass die schwere Erkrankung der Ehefrau des Beklagten ab Oktober 2016 diesen erheblich belastet hat. Der Beklagte hatte jedoch bereits in den im Jahr 2015 und im Sommer 2016 Manipulationen an Abschlussarbeiten vorgenommen. Zudem war das (sonstige) dienstliche Verhalten des Beklagten auch zum Tatzeitpunkt im Jahr 2017 in keiner Hinsicht auffällig, womit keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Beklagte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen zum Zeitpunkt der Manipulationen der Abschlussarbeiten im Jahr 2017 „zeitweilig aus der Bahn geworfen worden“.
Da der Beklagte bereits in den Jahren 2015 und 2016 Abschlussarbeiten manipuliert hat, liegt – anders als in dem mit Urteil vom 9. Mai 2011 – AN 12b D 10.01796 – (juris) entschiedenen Verfahren – kein persönlichkeitsfremdes, einmaliges Versagen des Beklagten vor.
Zu Gunsten des Beklagten kann berücksichtigt werden, dass dieser bis auf das vorliegende Strafurteil weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist.
Auch die bisher insgesamt recht guten dienstlichen Leistungen sprechen zu Gunsten des Beklagten, führen jedoch nicht zu einem anderen Abwägungsergebnis. Dieser Gesichtspunkt fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie sie hier in Rede stehen, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht durchgreifend mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 13).
Die Persönlichkeitsbilder, erstellt vom ehemaligen Schulleiter der Staatlichen Realschule …, Herrn RSD … am 4. Juli 2017 und von der derzeitigen Schulleiterin, Frau RSDin … …, am 17. Januar 2019 und am 11. Februar 2019, sind zwar wohlwollend, vermögen den Beklagten aber nicht durchgreifend zu entlasten.
Die Tatsache, dass der Dienstherr den Beklagten auf seinem bisherigen Dienstposten weiterbeschäftigt hat, nachdem ihm dessen Fehlverhalten bekannt geworden war, rechtfertigt keine mildere Disziplinarmaßnahme. Nach Art. 58 Abs. 2 Satz 2 BayDG ist es bei einer Disziplinarklage Sache der Verwaltungsgerichte, die angemessene Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des Art. 14 BayDG zu bestimmen. Dabei sind die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden (stRspr., BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49/15 – juris Rn. 17). Dementsprechend kommt dem Entschluss des Dienstherrn, den Beamten nach dem Aufdecken seines Fehlverhaltens unverändert oder anderweitig zu beschäftigen, für die von den Verwaltungsgerichten zu treffende Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme grundsätzlich keine Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.2015 – 2 B 16/15 – juris Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.2087 -, Rn. 63, juris). Besondere Umstände, die die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigten, liegen nicht vor.
In der Gesamtschau wiegen die zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigenden Aspekte nicht so schwer, dass durch das schwere Dienstvergehen nicht ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten wäre, sondern noch ein Restvertrauen dem Beklagten gegenüber verbliebe. Unter Abwägung aller be- und entlastenden Umständen ist daher festzustellen, dass ein endgültiger und unwiederbringlicher Vertrauensverlust eingetreten ist. Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen auf den Schulbetrieb und auch aus generalpräventiven Erwägungen heraus ist die Verhängung der Höchstmaßnahme, die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, gemäß Art. 11 BayDG geboten.
Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U.v. 14.10.2003 – 1 D 2.03 – juris; BayVGH, U.v. 11.10.2017 – 16a D 15.2759 – juris Rn. 56).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

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