Arbeitsrecht

Disziplinarverfahren beim Geschäftsleitenden Beamten einer kreisangehörigen Gemeinde

Aktenzeichen  M 13 DB 15.711

Datum:
1.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 139159
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 34
BayDG Art. 12,Art. 14, Art. 72 Abs. 2
VWGO § 124, § 124 a Abs. 4, § 167 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Disziplinarverfügung vom 7. April 2011 wird aufgehoben. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässig erhobene Klage ist erfolgreich, die angefochtene Disziplinarverfügung war aufzuheben.
Die vom Beklagten mit der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 7. April 2011 verhängte Disziplinarmaßnahme ist unverhältnismäßig. Die vom Kläger begangenen Dienstvergehen rechtfertigen nur die Verhängung einer Geldbuße, diese ist bei dem zwischenzeitlich im Ruhestand befindlichen Kläger unzulässig (geworden). Die Disziplinarverfügung war deshalb aufzuheben. Der Kläger hat jedoch wegen der von ihm begangenen Dienstvergehen in Anwendung von Art. 72 Abs. 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i.d.F. d. Bek. vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665; BayRS 20131-1-1-F) die Kosten des Verfahrens zu tragen.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Vom Kläger wurden keine Verfahrensmängel geltend gemacht, sie sind auch sonst nicht erkennbar. Der Kläger wurde zu allen Verfahrensschritten und nach der Durchführung der Ermittlungen abschließend angehört.
II.
Das Disziplinargericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung – abweichend von den tatsächlichen Feststellungen nach dem im März 2011 liegenden Abschluss der Ermittlungen durch die Disziplinarbehörde – nach dem Ergebnis der (weiteren, über das Disziplinarverfahren hinausgehenden) Beweisaufnahmen in den beiden Strafverfahren Az. 124 … … und Az. 124 … … die nachfolgend dargestellten zwei Sachverhalte zugrunde:
1. Die Gemeinde gewährte von 1993 bis zum 30. September 2008 ihren Mitarbeitern einen sog. „Kantinenzuschuss“, der ab dem 1. Januar 2003 den Wert von 2,30 EUR pro Werktag betragen hat. Dabei war dem damaligen 1. Bürgermeister (spätestens) ab dem Dezember 2002 aufgrund der Mitteilungen der Rundschreiben des Finanzministeriums bzw. der kommunalen Spitzenverbände bekannt, dass ein Essenszuschusses an die Beschäftigten der Gemeinde ab dem 1. Januar 2003 aufgrund der Regelung in Art. 8 Abs. 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes in der damals geltenden Fassung nicht mehr gewährt werden durfte. Der 1. Bürgermeister hat trotz dieses gesetzlichen Verbotes entschieden, dass der Essenszuschuss auch ab dem 1. Januar 2003 bezahlt und die für den Essenszuschuss ausgegebene Marke (Essensmarke) wertmäßig auf 2,30 EUR erhöht wird (Bl. 19 und 30 f. der Beiakte III – Bd. II, „Essenszuschüsse allgemein“).
In den jeweiligen vertraglichen Regelungen war mit allen Pächtern der Gaststätte im Kulturzentrum der Gemeinde im Zeitraum zwischen 1993 und 2008 vereinbart, dass die Mitarbeiter der Gemeinde je Mittagessen nur eine Essensmarke als Zahlungsmittel einsetzen dürfen. Diese vertragliche Regelung wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt eingehalten. Es war tatsächlich jedem Mitarbeiter möglich, auch mehrere Essensmarken gleichzeitig als Zahlungsmittel einzusetzen (vgl. Bl. 518 ff. der Strafakte im Verfahren Az. 124 … …*). Dabei war es möglich, da die Essensmarken jedenfalls ab dem 1. Januar 2003 in Form und Aussehen unverändert waren (Bl. 1 ff. der Beiakte III – Bd. II, „Essenszuschüsse allgemein“), dass auch Essensmarken aus den Vorjahren bis zum 30. September 2008 von den Mitarbeitern der Gemeinde verwendet worden sind. Dabei konnten die Essensmarken auch als Zahlungsmittel außerhalb der Einnahme eines Mittagessens eingesetzt werden. Dies war auch dem 1. Bürgermeister der Gemeinde bekannt, da dieser selbst vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst zum 1. Mai 2008 im Rahmen einer Verabschiedung bis zu 30 Essensmarken als Zahlungsmittel eingesetzt hat (Zeugeneinvernahme vom 15.3.2011, Bl. 542e ff. der Disziplinarakte).
Nach den Ermittlungen im Strafverfahren Az. 124 … … wurden im Zeitraum von 1993 bis 2006 insgesamt etwa 195.000 Essensmarken an die Mitarbeiter der Gemeinde ausgegeben. Von diesen wurden bis zum Jahr 2006 etwa 130.000 Marken zwischen der Gemeinde und den jeweiligen Pächtern der Gaststätte abgerechnet (Bl. 518 f. und 541 f. der Strafakte Az. 124 … …). Die verbleibenden etwa 65.000 Essensmarken waren damit zwar ausgegeben, bis 2006 jedoch bei der Gemeinde noch nicht zur Abrechnung von den Pächtern eingereicht worden. Zwischen 2006 und 2008 wurden bei der Gemeinde von dem seit dem 1. Oktober 2006 tätigen Pächter der Gaststätte etwa 66.000 Essensmarken abgerechnet, in diesem Zeitraum waren etwa 38.000 Essensmarken ausgegeben (Zusammenstellung auf Bl. 17 der Beiakte III – Bd. I, „Essensmarken …- …- …“).
Nach einem Abgleich der Zahl der von der Gemeinde an ihre Mitarbeiter ausgebebenen und der Zahl der mit den jeweiligen Pächtern der Gaststätte abgerechneten Essensmarken geht das Gericht im Ergebnis davon aus, dass die Mitarbeiter der Gemeinde in den Jahren ab 2006 in einem großen Umfang „alte“, d.h. vor dem Jahr 2006 ausgegebene, Essensmarken zur Zahlung verwendet haben. Gleichzeitig steht aufgrund der Abrechnungen in den Jahren zwischen 2006 und 2008 fest, dass der Pächter bei der Abrechnung gegenüber der Gemeinde tatsächlich nur in dem Umfang Essensmarken vorgelegt hat, die vorher an die Mitarbeiter der Gemeinde als werktäglicher Essenszuschuss ausgegeben waren. Dem Pächter der Gaststätte wurde nach der Prüfung der Anzahl der vorgelegten Essensmarken durch den Kläger von der Kasse der Gemeinde Geld nur in dem Umfang überwiesen, wie er dem wertmäßigen Betrag der vorgelegten Essensmarken (Anzahl x 2,30 EUR) entsprochen hat.
2. Der Mitarbeiter der Gemeinde …, Herr S … (im Folgenden: Mitarbeiter), war im gesamten Zeitraum von 1995 bis 31. Dezember 2003 neben seiner Tätigkeit in der Personalverwaltung auch als EDV-Administrator eingesetzt. Für diese EDV-Tätigkeit, die aufgrund technischer Notwendigkeiten regelmäßig nur außerhalb der üblichen Bürozeiten erfüllt werden konnte, war ihm durch den Kläger als Geschäftsleitenden Beamten mit Formblatt am 7. November 1995 „für die Zeit vom 02.11.1995 bis laufend“ eine Genehmigung für die Erbringung von Überstunden außerhalb der nach der damals geltenden Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit (DVglAZ) festgelegten Gleitzeiten erteilt worden (Bl. 275 und 434 ff. der Disziplinarakte).
Nach den Ermittlungen in den Strafverfahren Az. 124 Js … und Az. 124 Js …, insbesondere der in diesen Verfahren vorgenommenen Auswertung der Magnetbänder der Gemeinde, mit denen die Arbeitszeiten der Beschäftigten vor dem Jahr 2000 aufgezeichnet worden sind (Bl. 214 f, 283 ff. des Strafverfahrens Az. 124 Js …), steht fest, dass bei dem Mitarbeiter bis zum 31. Dezember 2003 aufgrund seiner EDV-Tätigkeit Überstunden in erheblichem Umfang angefallen sind. Auch wenn nach der Auswertung der Arbeitszeitaufzeichnungen eine genaue Nachvollziehbarkeit der Stundenanzahl des Mitarbeiters nicht im Detail möglich war (vgl. Auswertebericht vom 6.3.2014 im Strafverfahren Az. 124 Js …, Bl. 546 f. der Strafakte), bestehen zur Überzeugung des Gerichts nach den strafrechtlichen Ermittlungen keine Zweifel daran, dass bei dem Mitarbeiter Überstunden in dem Umfang, wie sie dann ab dem Jahr 2004 ausbezahlt worden sind, tatsächlich angefallen sind.
Diesen tatsächlichen Feststellungen widersprechen entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde nicht dem Ergebnis im Bericht der örtlichen Rechnungsprüfung für das Jahr 2003, nach dem für den Mitarbeiter ein Überstunden-Saldo von „Null“ festgestellt worden ist (Bericht über die örtliche Prüfung der Jahresrechnung 2003, Bl 293/337 der Beiakte „Örtliche Rechnungsprüfungsberichte 1990 – 2007 (1)). Wie sich aus den Ermittlungen im Strafverfahren Az. 124 Js … für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig ergibt, wurden dem Rechnungsprüfungsausschuss der Gemeinde auf Anweisung des Klägers von Seiten der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt inhaltlich unzutreffende Zahlen zu den angefallenen Überstunden dieses Mitarbeiters sowie weiterer Beschäftigter der Gemeinde genannt. Der Rechnungsprüfungsausschuss sollte hinsichtlich der Anzahl der angefallenen Überstunden bewusst falsch informiert werden, um „Ärger mit dem Gemeinderat“ zu vermeiden (Bl. 264/266 der Strafakte Az. 124 Js …*).
Nach dem Ende der EDV-Tätigkeit des Mitarbeiters hat der Kläger diesem auf dessen Antrag die Auszahlung der angefallenen Überstunden genehmigt. Ob der Kläger vor dieser Genehmigung eine Prüfung, ob die angefallenen Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten werden können oder ob aufgrund tarifvertraglicher Regelungen von einem Verfall dieser Überstunden auszugehen ist, vorgenommen hat, ist aus den vorliegenden Akten nicht erkennbar. Aus dem Aktenvermerk des Klägers vom 28. Januar 2008 (Bl. 273 der Disziplinarakte) ist für das Gericht nichts anderes ableitbar, da der Kläger darin keine eigene Prüfung bestätigt.
III.
In Bezug auf den Komplex „Essensmarken“ hat der Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt keine Dienstpflichtverletzung begangen (dazu nachfolgend zu 1.).
Hinsichtlich des Sachverhalts „Überstunden-Auszahlung“ hat der Kläger gegen die ihm aus § 34 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten der Länder (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) i.d.F. d. Bek. vom 17. Juni 2010 (BGBl I S. 1010) obliegenden Pflichten, sich mit vollem Einsatz seinem Beruf zu widmen, die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, verstoßen (dazu nachfolgend zu 2.).
1. Entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde liegt zur Überzeugung des Gerichts in dem dienstlichen Verhalten des Klägers in Bezug auf die Abrechnung der Essensmarken (Sachverhalt 1, oben zu II.1.) keine Dienstpflichtverletzung vor. Der Kläger war als Geschäftsleitender Beamter nicht verpflichtet, die Anzahl der vom Pächter der Gaststätte vorgelegten Essensmarken daraufhin zu kontrollieren, ob diese Zahl mit der Anzahl der monatlich ausgegebenen Essensmarken übereinstimmt. Jedenfalls ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen nicht davon auszugehen, dass die vom Pächter zur Abrechnung bei der Gemeinde eingereichten Essensmarken nicht tatsächlich von dieser ausgegeben worden sind.
a) Die von der Disziplinarbehörde vorgenommene Berechnung zu den Fehlbeträgen (vgl. Disziplinarverfügung vom 7.4.2011, S. 8 f.) beruht auf der Prämisse, dass für die Jahre 2006 mit 2008 – die ausschließlich Gegenstand der disziplinarrechtlichen Würdigung im vorliegenden Verfahren sind (vgl. Disziplinarverfügung vom 7.4.2011, S. 8 letzter Absatz) – eine rechnerisch nachvollziehbare Anzahl von Essensmarken an die Mitarbeiter ausgegeben worden sind und der Pächter der Gaststätte nur in Höhe dieser Anzahl gegenüber der Gemeinde hätte abrechnen dürfen.
b) Zu Recht geht die Disziplinarbehörde bei dieser Betrachtung davon aus, dass nach den jeweiligen Pachtverträgen mit den Pächtern der Gaststätte im örtlichen Kulturzentrum diese je Mitarbeiter und für jedes eingenommene Mittagessen nur eine Essensmarke als Zahlungsmittel vereinnahmen durften. Bei Einhaltung dieser Regelung konnten damit pro Monat nur eine durch die Anzahl der ausgegebenen Essensmarken bestimmter Betrag (Essensmarken x 2,30 EUR) gegenüber der Gemeinde abgerechnet werden.
Allerdings verkennt die Disziplinarbehörde bei dieser Bewertung zum einen, dass die ab dem Jahr 2003 ausgegebenen Essensmarken im Aussehen unverändert waren. Damit war im gesamten Zeitraum, der Gegenstand der disziplinarrechtlichen Würdigung im vorliegenden Verfahren ist, keine Zuordnung einer Essensmarke zum jeweiligen Monat möglich. Damit war auch ein Abgleich der abgerechneten Essensmarken mit den im jeweiligen Monat ausgegebenen Essensmarken ausgeschlossen. Selbst für den Fall, dass der Kläger einen derartigen Abgleich hätte vornehmen wollen und müssen, wäre ihm dies tatsächlich unmöglich gewesen.
Zum anderen oblag dem Kläger nur die Verpflichtung, für die Unterzeichnung der Auszahlungsanordnung „als sachlich und rechnerisch richtig“ zu prüfen, ob die Anzahl der vom Pächter vorgelegten Essensmarken mit der Auszahlungssumme übereinstimmt. Nach § 10 Abs. 1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen der Gemeinde (Bl. 238 ff. der Beiakte BA I „restliche Unterlagen“) hat der Kläger als der für die Abrechnung zuständige Beamte die Richtigkeit der Abrechnung zu bestätigen, was – auch nach Auffassung der Disziplinarbehörde (vgl. Disziplinarverfügung vom 7.4.2011, S. 12 am Anfang) – hinsichtlich des Abrechnungsbetrags und der Anzahl der vorgelegten Essensmarken auch der Fall war. Eine weitere Prüfung dahingehend, dass die vorgelegten Essensmarken nur in diesem Monat an die Mitarbeiter ausgegeben worden waren, war dagegen aufgrund der Identität der Essensmarken im gesamten Zeitraum von 2003 mit 2008 tatsächlich unmöglich und konnte damit dem Kläger auch nicht obliegen.
c) Dies ist auch nicht deshalb anderes zu beurteilen, weil vor allem im Jahr 2008 die Anzahl der ausgegebenen Essensmarken von der Anzahl der bei der Gemeinde vom Pächter zur Abrechnung eingereichten Essensmarken in einem erheblichen Umfang abgewichen ist.
Wie sich zum einen aus dem Verhalten des damaligen Ersten Bürgermeisters ergibt, der seine Verabschiedung nach seinen eigenen Angaben jedenfalls zum Teil auch mit „unverbrauchten“ Essensmarken bezahlt hat, hat die Gemeinde eine Begrenzung auf die Verwendung von nur einer Essensmarke pro Mittagessen zu keinem Zeitpunkt als verpflichtend angesehen oder gar bei den Abrechnungen durchgesetzt. Eine dienstliche Verpflichtung des Klägers, die Beachtung dieser – tatsächlich zu keinem Zeitpunkt real existierenden – Regelung im Rahmen seiner Tätigkeit zu kontrollieren, ist damit zu verneinen, da die Gemeinde, vertreten durch den Ersten Bürgermeister, die (tatsächlich) abweichende Praxis jederzeit akzeptiert hat.
Hinzu kommt, dass entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde der Gemeinde durch das Verhalten des Klägers insoweit auch kein Schaden entstanden ist. Da der Pächter der Gaststätte unstrittig nur die Essensmarken abgerechnet hat, die bei ihm als Zahlungsmittel eingesetzt worden sind, wurde ihm gegenüber tatsächlich auch nur der Geldbetrag abgerechnet, in dessen Höhe die Gemeinde ihren Mitarbeitern einen werktäglichen Essenszuschuss durch die Ausgabe der Essensmarken bereits bezahlt hatte. Dass dieser Essenzuschuss seit 2003 als unzulässig anzusehen war und nur auf Anordnung des damaligen Ersten Bürgermeisters weiter bezahlt worden ist, lässt diese Betrachtung unberührt. Denn im Rahmen ihrer Haushaltsansätze hat die Gemeinde den Wert dieser Essensmarken tatsächlich als Ausgaben für die Mitarbeiter getätigt, dem Pächter gegenüber ist keine Mehrbetrag bezahlt worden, dem nicht eine „Gegenleistung“ im Verhältnis Gemeinde – Mitarbeiter gegenüber gestanden hat.
d) Insgesamt ist das Disziplinargericht damit zwar wie die Disziplinarbehörde davon überzeugt, dass dem Kläger die große Anzahl der abgerechneten Essensmarken hätte auffallen können und müssen. Das Gericht verneint jedoch das Vorliegen einer Dienstpflicht des Klägers zur weiteren Kontrolle der zur Abrechnung eingereichten Essensmarken hinsichtlich eines Abgleichs der eingereichten Essensmarken mit der Anzahl der im Vormonat an die Mitarbeiter ausgegebenen Essensmarken.
2. Durch die Genehmigung des Klägers, dass die bei dem Mitarbeiter zwischen den Jahren 1995 und 2003 tatsächlich angefallenen Überstunden diesem – ohne erkennbare weitere Prüfungen – ausbezahlt werden, hat der Kläger die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt.
a) Entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde ist zwar nach den tatsächlichen Feststellungen davon auszugehen, dass die Überstunden bei dem Mitarbeiter in dem Umfang angefallen sind, in dem sie ab dem Jahr 2004 auch ausbezahlt worden sind. Wie oben zu II.2 im Einzelnen dargestellt, bestehen nach den Ermittlungen in den beiden Strafverfahren Az. 124 Js 10571/10 und Az. 124 Js 159511/11 für das Disziplinargericht im Ergebnis keine Zweifel daran, dass der Mitarbeiter in den Jahren zwischen 1995 und 2003 Überstunden in dem abgerechneten Umfang erbracht hat.
b) Diese Überstunden wurden durch die Genehmigung des Klägers dem Mitarbeiter ausbezahlt, ohne dass der Kläger eine nachvollziehbare und vorrangig durchzuführende Prüfung der Frage vorgenommen hat, ob der Mitarbeiter diese Überstunden durch Freizeitausgleich abbauen kann. Auch hat der Kläger vorwerfbar eine nachvollziehbare Prüfung unterlassen, ob diese Überstunden nach den tarifvertraglichen Regelungen verfallen sind.
aa) Die Genehmigung der Überstunden des Mitarbeiters für die (neben seiner Aufgaben in der Personalstelle zusätzliche) EDV-Tätigkeit durch den Kläger mit dem Formblatt vom 7. November 1995 stellt die Grundlage für die tatsächlich angefallenen Überstunden dar. Auch wenn diese Genehmigung im Hinblick auf die Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit in der Gemeinde wegen der fehlenden Begrenzung und ihrer Unbestimmtheit bereits bedenklich ist, bestehen insoweit keine (durchgreifenden) Bedenken gegen die Wertung der Disziplinarbehörde, dass dieses Verhalten des Klägers keine Dienstpflichtverletzung darstellt.
bb) Nach der Beendigung der EDV-Tätigkeit des Mitarbeiters zum 31. Dezember 2003 war dem Kläger bekannt, dass bei dem Mitarbeiter Überstunden in erheblichem Umfang angefallen waren. Gleichzeitig war dem Kläger aufgrund der von ihm veranlassten absichtlich falschen Angabe gegenüber dem örtlichen Rechnungsprüfungsausschuss im Zusammenhang mit den Stundensaldos mehrerer Beschäftigter (einschließlich des Mitarbeiters) bewusst, dass er im Falle einer Befassung des Ersten Bürgermeisters oder des Gemeinderates für eine Auszahlung dieser angefallenen Überstunden einer besonders unangenehmen „Rechtfertigungssituation“ ausgesetzt ist.
cc) Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Situation wäre es in besonderer Weise die Pflicht des Klägers gewesen, eine nachvollziehbare und vollständige Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die angefallenen Überstunden des Mitarbeiters ausbezahlt werden können. Denn selbst wenn die Anordnung der Auszahlung der Überstunden in der alleinigen Kompetenz des Klägers gelegen hätte – was im Hinblick auf die Organkompetenz gemäß Art. 29 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) für das Gericht zweifelhaft erscheint -, bedurfte es nach den falschen Angaben des Klägers im Rahmen der örtlichen Rechnungsprüfung und der deshalb fehlenden Plausibilität des tatsächlichen Anfalls der Überstunden des Mitarbeiters einer für die Gemeindeverwaltung nachvollziehbaren Grundlage für die Auszahlungsanordnung. Der Kläger hat diese nachvollziehbare Grundlage bewusst nicht geschaffen und damit gegen seine Dienstpflichten verstoßen.
dd) Von dieser Bewertung ist auch nach den Einlassungen des Bevollmächtigten des Klägers im Verfahren nicht abzuweichen.
(1) Entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten ist diese Dienstpflichtverletzung des Klägers nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil ihm eine Kontrolle der Tätigkeiten des Mitarbeiters im Rahmen von dessen EDV-Funktion im Detail nicht möglich gewesen war. Auch wenn die „pauschale“ Genehmigung der Überstunden durch den Kläger mit dem Formblatt vom 7. November 1995 eine genauere (fortlaufende) Überprüfung nicht erfordert hat, so oblag es dem Kläger als Vorgesetztem aber jedenfalls bei der Beendigung der EDV-Tätigkeit des Mitarbeiters, die bis dahin angefallenen Überstunden auf Plausibilität zu kontrollieren und nachvollziehbar darüber zu entscheiden, wie diese Überstunden abgebaut werden können.
(2) Diese nachvollziehbare Entscheidung des Klägers liegt entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten auch nicht in dessen Aktenvermerk vom 28. Januar 2008 (Bl. 273 der Disziplinarakte).
Darin führt der Kläger zwar aus, dass ein Freizeitausgleich der Überstunden nicht möglich war. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Bewertung des Klägers ist damit aber nicht erkennbar. Nach dem Ergebnis der überörtlichen Rechnungsprüfung bestanden vielmehr im Aufgabenbereich Personalwesen – wo der Mitarbeiter ohne Unterbrechung eingesetzt war – bis zum Jahr 2008 erhebliche Personalüberhänge (vgl. Bericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands über die überörtliche Prüfung der Jahresrechnungen 2004 – 2007 vom 6.4.2009, Beiakte I „restliche Unterlagen“, dort S. 13 ff. zu TZ 5 – Bl. 28 ff.). Vor diesem Hintergrund wäre es in besonderer Weise nötig gewesen, dass der Kläger als Geschäftsleitender Beamter nachvollziehbar darlegt, dass trotz dieser Situation ein Freizeitausgleich nicht möglich war.
Hinzu kommt, dass der Aktenvermerk vom 28. Januar 2008 in keinster Weise eine Prüfung des Klägers erkennen lässt, dass dieser die tarifvertraglichen Ausschlussfristen bei seiner Entscheidung zur Genehmigung der Auszahlung der Überstunden berücksichtigt hat. Nach den unstreitigen Regelungen des § 70 BAT bzw. § 37 TVöD-L verfallen die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb der tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist von sechs Monaten von dem Beschäftigten geltend gemacht werden. Für die bis 2003 angefallenen Überstunden des Mitarbeiters war diese Ausschlussfrist im Zeitpunkt der Genehmigung der Auszahlung der Überstunden ab dem Jahr 2004 abgelaufen. Ob der Kläger diese Ausschlussfrist vor der von ihm erteilten Genehmigung geprüft hat, ist in keinster Weise belegt.
(3) Auch die vom Bevollmächtigten im gerichtlichen Erörterungstermin vom 10. November 2015 vorgelegte schriftliche Äußerung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e.V. vom 30. September 2011 (Bl. 29 der Gerichtsakte) rechtfertigt keine andere Bewertung.
In dem Schreiben vom 30. September 2011 wird auf die Anfrage der Gemeinde vom 27. September 2011 (Bl. 54 der Gerichtsakte) zur Auszahlung von Überstunden dargelegt, dass sich die Gemeinde als Arbeitgeber auf die tarifvertraglichen Ausschlussfristen dem Arbeitnehmer gegenüber unter bestimmten Bedingungen nicht berufen kann. Dass der Kläger im Rahmen seiner ihm obliegenden Dienstpflichten eine Prüfung dieser Bedingungen vorgenommen hat, lässt sich daraus jedoch in keiner Weise ableiten. Im Gegenteil spricht das Fehlen einer entsprechenden eigenen Anfrage des Klägers im Rahmen der von ihm erteilten Genehmigung der Auszahlung der Überstunden an den Mitarbeiter dafür, dass der Kläger eine derartige Prüfung unterlassen hat.
Im Übrigen wird in dem Schreiben vom 30. September 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Klärung sämtlicher Umstände im konkreten Einzelfall durch die Gemeinde notwendig ist, um über die Anwendbarkeit der tarifvertraglichen Ausschlussfrist entscheiden zu können (Schreiben vom 30.9.2011, S. 2 Absatz 1 a.E.). Gerade diese Einzelfallprüfung ist vom Kläger aber in keinster Weise nachvollziehbar vorgenommen worden.
(4) Diese wegen des Fehlens einer nachvollziehbaren Prüfung, ob vorrangig die Überstunden des Mitarbeiters durch Freizeit auszugleichen sind oder ob die angefallenen Überstunden aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussregelungen verfallen waren, durch den Kläger vorwerfbar begangene Dienstpflichtverletzung wäre auch durch die vom Bevollmächtigten beantragte weitere Beweiserhebung nicht zu widerlegen.
Der mit dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. Februar 2011 beantragten Beweiserhebung (Bl. 505 ff. der Disziplinarakte) ist die Disziplinarbehörde bereits durch die Zeugeneinvernahme des im Zeitraum von 2002 bis 2008 amtierenden Ersten Bürgermeisters der Gemeinde und des Mitarbeiters in Bezug auf die angefallenen Überstunden nachgekommen (Niederschriften vom 20.5.2010, Bl. 231 ff. der Disziplinarakte, und vom 15.3.2011, Bl. 542e ff. der Disziplinarakte). Eine weitere Vernehmung des vor dem Jahr 2002 amtierenden Ersten Bürgermeisters war nicht geboten, da nach dem Ergebnis der Ermittlungen feststeht, dass die Überstunden des Mitarbeiters tatsächlich angefallen sind.
Auch dem in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2016 vom Bevollmächtigten des Klägers weiter gestellten Beweisantrag zur Vernehmung des ab dem Jahr 2008 amtierenden Ersten Bürgermeisters der Gemeinde war nicht stattzugeben. Diese weitere Beweiserhebung ist für die Feststellung der Dienstpflichtverletzung des Klägers unbehelflich.
Selbst wenn – wie von der Klägerseite behauptet – auch nach dem Jahr 2008 für die bei Beschäftigen der Gemeinde angefallenen Überstunden eine Auszahlung dieser Überstunden unter Verletzung formaler Vorgaben erfolgt ist, berührt dies das dienstpflichtwidrige Verhalten des Klägers nicht. Der Kläger war in der Zeit, als er als Geschäftsleitender Beamter tätig war, verpflichtet, durch die Prüfung des Anfalls der Überstunden und im Falle der Genehmigung der Auszahlung von angefallenen Überstunden durch die nachvollziehbare Prüfung, ob diese rechtmäßig erfolgen darf, zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verpflichtet. Von dieser Dienstpflicht stellt ihn ein mögliches fehlerhaftes Verhalten anderer Beamter nicht frei.
Hinzu kommt, dass der Beweisantrag nicht erkennen lässt, inwieweit die Beweiserhebung sich auf den Zeitraum der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und die von ihm in diesem Zeitraum begangenen Dienstpflichtverletzungen beziehen soll. Der Kläger war (nur) bis zum April 2007 als Geschäftsleitender Beamter tätig, ab dem 1. Juni 2010 befand er sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Wieso Vorgänge in den Jahren 2009 und 2011, die im Beweisantrag genannt sind, im Zusammenhang mit den Dienstpflichten des Klägers in seiner Funktion als Geschäftsleitender Beamter stehen sollen, erschließt sich somit nicht.
ee) Im Ergebnis ist das Dienstgericht somit davon überzeugt, dass der Kläger gegen die ihm obliegende Dienstpflicht zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verstoßen hat, in dem er vorwerfbar eine nachvollziehbare Prüfung des vorrangigen Ausgleichs der bei dem Mitarbeiter angefallenen Überstunden durch Freizeit und einer nachvollziehbaren Prüfung der Anwendbarkeit der tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterlassen hat. Unabhängig davon war es aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles geboten, dass der Kläger vor der Genehmigung der Auszahlung der Überstunden jedenfalls die Zustimmung des Ersten Bürgermeisters als Leiter der Gemeindeverwaltung bzw. im Rahmen der Organzuständigkeit die Beschlussfassung durch den Gemeinderat einholt. Dies hat er ebenfalls pflichtwidrig unterlassen.
IV.
Die zu vorstehender Ziffer III.2. festgestellten Dienstvergehen des Klägers gegen die ihm aus § 34 BeamtStG obliegenden Pflichten sind nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen. Dies führt vorliegend im Ergebnis dazu, die gegen den Kläger mit der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 7. April 201 verhängte Gehaltskürzung (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG) aufzuheben. Eine nach dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand nunmehr nur noch zulässige Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehalts war nicht zu verhängen, da diese Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig ist (Art. 58 Abs. 3 BayDG).
1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach Art. 14 Abs. 1 BayDG durch das Gericht „über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. (…) Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten“ (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59/07 – juris Rn. 16).
Damit ist maßgebliches Kriterium der Zumessung zunächst die Schwere des Dienstvergehens. Diese ist zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, nach Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) zu bewerten. Zum anderen sind für die Bewertung die Form und das Gewicht des Verschuldens und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) heranzuziehen. Weiter sind die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich oder für Dritte in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 13).
Ist durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist der Beamte gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dazu bedarf es der Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten. Wenn aufgrund dieser der Schluss zu ziehen ist, dass der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, ist das Beamtenverhältnis zu beenden (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 18).
Die festgestellten Dienstvergehen sind nach ihrem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Dabei sind die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen für bestimmte Regeleinstufungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage kommt es dann für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zur Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als diejenige, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert ist, notwendig ist (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 20).
2. In Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend das Folgende:
a) Das für die Maßnahmenzumessung in erster Linie heranzuziehende Kriterium der Schwere des Dienstvergehens führt vorliegend auf der Ebene der objektiven und subjektiven Handlungsmerkmale dazu, von einer Dienstpflichtverletzung im mittleren Bereich auszugehen.
aa) Das Verhalten betrifft hinsichtlich der objektiven Handlungsmerkmale den Kernbereich der früheren dienstlichen Tätigkeit des Klägers als Geschäftsleitender Beamter. Als Leiter der Verwaltung und Vorgesetzter des Mitarbeiters war es im Kern seine Aufgabe, die notwendigen Prüfungen vor der Genehmigung der Auszahlung der Überstunden vorzunehmen.
bb) Auch hinsichtlich der subjektiven Handlungsmerkmale ist das Verhalten des Klägers im Bereich einer mittleren Dienstpflichtverletzung einzuordnen. Der Kläger hat die ihm obliegenden Prüfungen vorwerfbar unterlassen. Insbesondere ist die vom Kläger genehmigte Auszahlung der Überstunden an den Mitarbeiter wegen der vom ihm veranlassten falschen Angaben gegenüber dem örtlichen Rechnungsprüfungsausschuss bewusst auch unter Umgehung einer Kontrolle durch den 1. Bürgermeister und dem Gemeinderat erfolgt. Gerade dieses Verhalten ist im konkreten Einzelfall als schwerwiegend zu werten, da damit eine sachgerechte Befassung der zuständigen Gremien mit den Fragen der personellen Ausstattung der Gemeindeverwaltung ausgeschlossen worden ist.
b) Für diese Dienstpflichtverletzung besteht keine Regeleinstufung. Für einen im aktiven Dienst befindlichen Beamten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof allerdings im Falle einer herausgehobenen Position (Leiter der Stabsstelle „Recht“ eines Universitätsklinikums; BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 16a DZ 13.84) im Falle einer als mittelschwer angesehenen Verletzung der Pflicht, die ihm obliegenden Tätigkeiten auszuführen, die Verhängung einer Geldbuße als sachgerecht angesehen. Eine Geldbuße kann jedoch gegen den im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in Ruhestand eingetretenen Kläger nicht (mehr) verhängt werden (Art. 6 Abs. 2 BayDG).
c) Entgegen der von der Disziplinarbehörde vorgenommenen Maßnahmenzumessung ist das Gericht auch der Auffassung, dass die Verhängung einer Gehaltskürzung unverhältnismäßig wäre.
Zu Recht geht die Disziplinarbehörde davon aus, dass die Unterlassung der dem Kläger obliegenden Prüfungen und die Anordnung der Auszahlung der Überstunden des Mitarbeiters ohne diese Prüfungen als mittelschwere Dienstpflichtverletzung einzuordnen ist. Allerdings berücksichtigt die Disziplinarbehörde bei dieser Bewertung aufgrund ihrer Rechtsauffassung auch die dem Kläger vorgeworfene Dienstpflichtverletzung im Hinblick auf den „Komplex Essensmarken“ erschwerend bei der Maßnahmenzumessung.
Dieser Auffassung folgt das Gericht, wie oben zu III.1. im Einzelnen dargestellt, nicht. Auch ist zugunsten des Klägers entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde davon auszugehen, dass die dem Mitarbeiter ab dem Jahr 2004 ausbezahlten Überstunden tatsächlich angefallen sind. Dies lässt zwar die dem Kläger obliegende Prüfungsverpflichtung nicht entfallen. Damit ist aber – in dubio pro reo – der Eintritt eines Schadens, der im Rahmen der Maßnahmenzumessung als erschwerend zu berücksichtigen wäre, als ausgeschlossen anzusehen. Denn eine Abgeltung der tatsächlich angefallenen Überstunden wäre wohl – davon kann zugunsten des Klägers ausgegangen werden – in irgendeiner Form geboten gewesen.
Insgesamt ist damit das Disziplinargericht in Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls der Überzeugung, dass eine Gehaltskürzung gegen den Kläger, und nach dessen Eintritt in den Ruhestand die Kürzung des Ruhegehalts als unverhältnismäßig anzusehen ist. Das Gericht hat deshalb (Art. 58 Abs. 3 BayDG) die angefochtene Disziplinarverfügung aufzuheben.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 2 BayDG.
1. Für die Kostenentscheidung im Verfahren einer Anfechtung einer Disziplinarverfügung ist nach der Systematik des BayDG vom Grundsatz her von den Regelungen der §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auszugehen. Die Anfechtung ist als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet, für die die Regelungen der Kostenfolgen sachgerecht in der Verfahrensordnung des Anfechtungsprozesses zu finden sind (Findeisen, Kommentar zum BayDG, Stand September 2014, Art. 72 zu 1.).
Allerdings enthält das Disziplinarrecht in Art. 72 Abs. 2 BayDG eine für den Fall der Anfechtungsklage gegen eine Disziplinarverfügung abdrängende Sonderregelung. Nach dieser Vorschrift können durch das Dienstgericht, „wenn eine Disziplinarverfügung trotz des Vorliegens eines Dienstvergehens aufgehoben wird, eine entsprechende Anfechtungsklage des betroffenen Beamten also erfolgreich ist“, diesem „trotz des Obsiegens (…) die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden“ (Findeisen, a.a.O., zu 3.).
2. In Anwendung dieser gesetzgeberischen Entscheidung sind vorliegend dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Für die gerichtliche Entscheidung sind dabei nach Art. 72 Abs. 2 BayDG die Schwere des Dienstvergehens des Klägers und die sonstigen, auch im Rahmen einer Zumessungsentscheidung nach Art. 14 BayDG zu berücksichtigenden Umstände in die Entscheidung über die Kostenverteilung einzustellen (Findeisen, a.a.O., zu 3.).
Vorliegend geht das Disziplinargericht von einer mittelschweren Dienstpflichtverletzung des Klägers aus, die – wäre er noch im aktiven Dienst – die Verhängung einer Geldbuße als verhältnismäßige Disziplinarmaßnahme zur Folge gehabt hätte. In diesem Fall wäre auf die Anfechtungsklage hin, die Disziplinarverfügung vom 7. April 2011 entsprechend abzuändern und der Kläger zur Kostentragung nach Art. 71 Abs. 4 BayDG zu verurteilen.
Nur weil sich der Kläger zwischenzeitlich im Ruhestand befindet und damit eine Geldbuße als zulässige Disziplinarmaßnahme ausscheidet, war die angefochtene Disziplinarverfügung aufzuheben. Diese alleine auf den durch den Zeitablauf eingetretenen Folgen rechtfertigen es nicht, den Kläger von der Kostenlast frei zu stellen. Dem Kläger waren damit in Anwendung von Art. 72 Abs. 2 BayDG die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang aufzuerlegen.
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf Art. 3 BayDG i.V.m. § 167 Abs. 2 VWGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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