Arbeitsrecht

Eigenheimzulage, Selbstnutzung, Verwaltungsgerichte, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, Ständige Verwaltungspraxis, Haushaltsangehörige, Streitwertfestsetzung, Zuwendungen, Befähigung zum Richteramt, Eigennutzung, Gleichheitssatz, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gleichbehandlungsgrundsatz, mündlich Verhandlung, Maßgeblicher Zeitpunkt, Rechtsmittelbelehrung, Abgeschlossene Wohnung, Ablehnungsbescheid, Prozeßkostenhilfeverfahren, Unterhaltsberechtigter

Aktenzeichen  W 8 K 20.965

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2884
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
GG Art. 3
BayBO Art. 46
Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien – EHZR

 

Leitsatz

Tenor

I.    Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom 20. Juli 2020 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR zu gewähren. 
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsklage zulässig.
Die Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 20. Juli 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der EHZR.
Denn bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris sowie B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris).
Dabei dürfen solche Richtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris; B.v. 22.5.2020 – 6 ZB 20.216 – juris).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 – juris).
Ausgangspunkt ist demnach die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen bei deren Missachtung ein Verstoß gegen Art. 23 BayHO sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorläge, der eine gleichmäßige Verwaltungspraxis gebietet (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 24 und 32).
Die BayernLabo hat für den Beklagten auf konkrete Nachfrage des Verwaltungsgerichts zu seiner Verwaltungspraxis in der vorliegenden Fallkonstellation mit Schriftsatz vom 14. Januar 2021 ausdrücklich mitgeteilt: Gemäß Nr. 2 EHZR wird das Schaffen von Eigenwohnraum (Wohneigentum) zur Selbstnutzung unter anderem durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden Gebäudes gefördert, soweit eine zusätzliche Wohnung neu geschaffen wird. Die Schaffung von Eigenwohnraum zur Selbstnutzung im Zuge der Maßnahmenart „Änderung/Erweiterung“ kann dabei gefördert werden, soweit dadurch eine zusätzliche Wohnung neu geschaffen wird. Die gängige Verwaltungspraxis sieht dabei vor, dass eine neu geschaffene Wohnung gefördert werden kann, wenn diese durch den Antragsteller und seine Haushaltsangehörigen zusätzlich zum bisherigen Wohneigentum genutzt wird.
Gleichwohl lehnte die BayernLabo eine Förderung ab, weil sie davon ausging und offenbar weiterhin davon ausgeht, dass die neu geschaffene Wohnung nicht vom Kläger selbst, sondern von seiner erwachsenen Tochter bewohnt wird, von dieser allein genutzt wird, dass sie einen eigenen Haushalt führt und dass sie somit nicht mehr dem elterlichen Haushalt zugehörig ist.
Diese Schlussfolgerung widerspricht aber den Feststellungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2020 und den sonstigen aktenkundigen Tatsachen.
Die Annahme der BayernLabo träfe nur zu, wenn der Kläger oder ein Haushaltsangehöriger die Wohnung nicht selbst nutzen würde, sondern sie einem Dritten überlässt, weil er dann nicht die neue selbständige Wohnung bezogen hätte. Dem ist aber nicht so.
Die vorliegende Wohnung ist neu geschaffen und eigenständig gemäß Art. 46 BayBO, wie der Kläger anhand von Plänen belegt hat und in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert hat.
Des Weiteren gehört und gehörte die Tochter als Haushaltsangehörige zum Haushalt des Klägers. Der Kläger hat unter anderem eine (einfache) Meldebescheinigung der Tochter mit Einzugsdatum ihres Geburtstages vorgelegt. Dazu ist anzumerken, dass der Beklagte – wie gerichtsbekannt ist – in ständiger Verwaltungspraxis von den melderechtlichen Bescheinigungen ausgeht, gerade wenn es um die Frage des Einzugsdatums, auch wenn der Einzug tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt sein sollte (vgl. nur VG Würzburg, U.v. 18.1.2021 – W 8 K 20.970 – juris m.w.N.).
Des Weiteren ist der Kläger für die erwachsene, noch studierende Tochter kindergeldberechtigt. Die Tochter ist auch im Förderantrag aufgeführt. Nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 3 EHZR sind bei der Einkommensermittlung Kinder zu berücksichtigen, für die eine Kindergeldberechtigung vorliegt.
In Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 EHZR ist bestimmt, dass zum Haushalt der Personen rechnen, die miteinander eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen.
Auf der Basis des glaubhaften Vorbringens der Beteiligten und gerade des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung steht nach Überzeugung des Gerichts fest, dass die Tochter und die übrigen Familienmitglieder eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führten und führen und beide Wohnungen zusammen benutzen. Die Tochter hat danach während ihres dualen Studiums unter der Woche in H … gewohnt und ist am Wochenende zu Hause gewesen. Von März bis Juli 2020 ist sie durchweg zu Hause gewesen und hat in der streitgegenständlichen Wohnung gewohnt, vor allem hat sie dort geschlafen. Die Tochter bildete zusammen mit den anderen Familienangehörigen (Eltern, Brüder) eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Die Tochter ist auch jetzt zusammen mit allen anderen gemeinsam im Haus. Die neue Wohnung wurde und wird von allen zusätzlich genutzt, z.B. zum Kochen, als Fitnessraum, als Homeoffice Platz oder für das Internet. Im Frühjahr hat die Tochter die neue Wohnung nicht ausschließlich allein genutzt, sondern lediglich den kleineren Raum als Schlafraum genutzt. Der Rest der Haushaltsführung wie Waschen, Kochen usw. ist zusammen mit den Anderen in der alten Wohnung geschehen.
Die Aussage der BayernLabo im Schriftsatz vom 14. Januar 2021, dass die Tochter „offensichtlich“ ihren eigenen Haushalt geführt habe und folglich dem elterlichen Haushalt nicht mehr zugehörig sei, entsprach und entspricht nicht der Realität. Selbst wenn die anderen Familienmitglieder von März bis Juli 2020 die neue Wohnung überhaupt nicht benutzt hätten – was jedoch nicht der Fall war -, hätte die Tochter gleichwohl nicht in einem eigenständigen Haushalt und getrennt von den Anderen in einer abgeschlossenen Wohnung nach Art. 46 BayBO für sich allein gewohnt, sondern sie hätte gleichwohl als Haushaltsangehörige zusammen mit den anderen eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft geführt.
Gerade aufgrund dieser – nach Überzeugung des Gerichts feststehenden -Sachlage hatte das Gericht um ausdrückliche Stellungnahme zur Verwaltungspraxis in den Fällen gebeten, in denen ein neuer eigener Wohnraum zur Selbstnutzung geschaffen wurde, aber vom Antragsteller und seinen Haushaltsangehörigen der alte Wohnraum nicht gleichzeitig aufgegeben worden ist, sondern das neue Wohnungseigentum von allen zusammen zusätzlich mitgenutzt wird. Bezogen auf diese Fallgestaltung hat die BayernLabo eine Förderung nach ihrer Verwaltungspraxis ausdrücklich bestätigt.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis und verbietet eine nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigte Differenzierung.
Nach alledem besteht im vorliegenden Einzelfall ein Anspruch auf Förderung über den Grundsatz der Selbstbildung der Verwaltung und den Gleichheitssatz, weil die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und nach der ausdrücklichen Stellungnahme der BayernLabo vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis auch positiv verbeschieden wurden.
Nach alledem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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