Aktenzeichen 11 Sa 798/18
Leitsatz
Gemäß § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ist – hierauf hat das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen bereits hingewiesen – ein Beschäftigter in derjenigen Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht, wobei die gesamte auszuübende Tätigkeit dann den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 Ca 676/18 2018-10-25 Endurteil ARBGAUGSBURG ArbG Augsburg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Augsburg (Az. 5 Ca 676/18) vom 25.10.2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Insoweit wird auf die ausführlichen und absolut zutreffenden Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichtes Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Zum weiteren Vorbringen in der Berufungsinstanz sind nur folgende Ausführungen veranlasst:
1. Die Klägerin ist nicht in Entgeltgruppe P 13 richtig eingruppiert, da auch weiterhin ein höheres Maß an Verantwortlichkeit sich nicht aus den Darlegungen der Klägerin hinreichend erschließen lässt.
a) Gemäß § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ist – hierauf hat das Arbeitsgericht in seinen Ent scheidungsgründen bereits hingewiesen – ein Beschäftigter in derjenigen Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht, wobei die gesamte auszuübende Tätigkeit dann den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
Demgemäß wäre es erforderlich gewesen, dass die Klägerin tatsächlich Arbeitsvorgänge aufzeigt und die Tatsachen vorträgt, aus denen sich insoweit bezogen auf diese Arbeitsvorgänge ein höheres Maß an Verantwortlichkeit ergibt sowie auch in zeitlicher Hinsicht aufzeigt, dass durch die Ausübung dieser Arbeitsvorgänge wenigstens die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch genommen wird. Hieran fehlt es.
b) Zum einen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Rahmen von Eingruppie rungsklagen es nicht ausreichend ist, lediglich die Tätigkeiten aufzulisten oder etwa auf Stellenbeschreibungen zu verweisen, vielmehr ist bei Tätigkeitsmerkmalen, die aufeinander aufbauen, für einen schlüssigen Vortrag nicht nur eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit ausreichend, sondern ein Vergleich mit nicht herausgehobenen Tätigkeiten erforderlich, was einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraussetzt, der einen wertenden Vergleich erlaubt (vgl. z. B. BAG vom 16.05.2013 – 4 AZR 445/11; vom 21.03.2012 – 4 AZR 292/10). Insofern sind die Darlegungen der Klägerin, wonach aufgrund der besonderen Unterbringung der Patienten und deren Fluchtgefahr oder etwa auch wegen des besonderen Krankheitsbildes der Patienten ein höheres Maß an Verantwortung gegeben sei, nicht ausreichend, da der Vortrag Darlegungen vermissen lässt dahingehend, inwieweit bestimmte Arbeitsvorgänge oder Tätigkeiten der Klägerin von diesen besonderen von ihr genannten Umständen, etwa der Fluchtgefahr, der Überwachungspflicht oder besonderer pflegerischer Anforderungen oder Kontaktformen jeweils betroffen sind, d. h. welche Tätigkeiten tatsächlich die Klägerin ausübt, die aufgrund dieser besonderen Umstände erforderlich sind oder davon beeinflusst werden. Nur dann ist es auch möglich, festzustellen, in welchem zeitlichen Umfang diese Tätigkeiten letzten Endes anfallen, so dass das Erfordernis einer wenigstens hälftigen Beanspruchung der Arbeitszeit erfüllt ist. Die Klägerin hat letztlich nur hinsichtlich dreier Tätigkeitspunkte aus ihrer Stellenbeschreibung eine entsprechende Begründung geliefert. Dabei kann es letzten Endes dahingestellt bleiben, ob bezüglich dieser drei Punkte, der Kontaktaufnahme zu anderen therapeutischen Diensten, der Kontaktpflege zu Patientinnen/Patienten und deren Angehörigen und der Aufgabenwahrnehmung als Bezugsperson zu Patienten tatsächlich ein höheres Maß an Verantwortlichkeit gegeben ist. Denn die Klägerin hat zur zeitlichen Komponente schon keinen Sachvortrag gebracht, außer der Behauptung, dass diese Tätigkeiten teilweise jeden Tag zu erbringen sind bzw. mehrere Stunden erfordern. Abgesehen davon, dass diese Darlegungen zu ungenau sind und schon gar nicht erkennen lassen, wie viele Stunden pro Woche etwa tatsächlich diese Tätigkeiten in Anspruch nehmen, ist angesichts der Vielzahl von Aufgaben, die in der Stellenbeschreibung der Klägerin, die diese vorgelegt hat, aufgelistet sind, auch nicht feststellbar, wie tatsächlich diese Aufgaben, d. h. in welchem Umfang, sie anfallen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit der Klägerin.
c) Schließlich hat die Klägerin auch, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht dargelegt, inwieweit sich hier die Verantwortlichkeit tatsächlich auf ihre eigene Tätigkeit als Stationsleiterin bezieht, inwieweit sie selbst also hier die Verantwortlichkeit trägt und inwieweit nicht diese etwa vom übergeordneten ärztlichen Personal letzten Endes wahrzunehmen ist.
Insofern war es nicht feststellbar, dass die Arbeitsvorgänge der Klägerin überhaupt ein höheres Maß an Verantwortlichkeit beinhalten und inwieweit insbesondere die zeitliche Komponente von wenigstens 50% der Arbeitszeit nach den Eingruppierungsregelungen erfüllt ist.
2. Die Eingruppierung in Gruppe P 13 ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „großen Station“. Dieser Begriff ist auslegungsbedürftig.
a) Bei der Auslegung eines Tarifvertrages ist – worauf bereits das Arbeitsgericht hinge wiesen hat – zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfrei Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG vom 02.11.2016 – 10 AZR 615/15; vom 28.08.2013 – 10 AZR 701/12).
b) Zurecht hat das Arbeitsgericht insoweit dargelegt, dass sich jedenfalls aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung, der Begrifflichkeit „große Station“, kein Hinweis ergibt dahingehend, wie diese „große Station“ zu verstehen ist. Der Begriff „groß“ ist insoweit so weitläufig, dass er sich nicht aus dem Wortlaut selbst heraus erschließt.
c) Ein weiterer Hinweis auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien kann dem Tarifvertrag darüber hinaus auch nicht entnommen werden. Letztlich verbleibt an sich aus Gründen der Systematik heraus nur die Bezugnahme auf die Vorbemerkung der Anlage 1 Entgeltordnung (VKA) Teil B XI 2. Leitende Beschäftigte, wonach einer Stationsleitung in der Regel nicht mehr als 12 Beschäftigte unterstellt sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier aber nicht eine Maximalanzahl von Beschäftigten einer Station geregelt, sondern vielmehr die regelhafte Besetzung einer Station angegeben. Dabei versteht die Kammer die Begrifflichkeit „in der Regel“ so, dass der Normalfall einer Station eine unterstellte Mitarbeiteranzahl von bis zu 12 Mitarbeitern beinhaltet. Dies ist noch die regelhafte normale Größe einer Station.
d) Zurecht hat auch das Arbeitsgericht die Praktikabilität dieser Auslegung betont und in Abwägung auch zu einer Auslegung, wie sie etwa von Seiten der Klägerin angestellt wird, wonach bereits bei einer bestimmten Mitarbeiterzahl unterhalb von 12 unterstellten Mitarbeitern eine große Station vorliegen würde, diese als nicht sachgerecht und praktikabel gegenüber der strikten Grenze von 12 Mitarbeitern zurücktreten lassen. Denn es kann nicht ohne weiteres eine Drittelung etwa in der Form, wie von Seiten der Klägerin vorgeschlagen, vorgenommen werden, wonach im oberen Drittel von 12 Mitarbeitern eine große, im mittleren eine mittlere Station und im unteren Drittel eine kleine Station vorliegen würde. Denn denkbar wäre es auch, dass eine große Station tatsächlich erst etwa ab 10 oder 11 Mitarbeitern beginnt. Insoweit käme es also zu Anwendungsproblemen, da es an einer klaren Abgrenzung fehlt. Diese Schwierigkeiten werden vermieden, wenn man von einer klaren Grenze von 12 Mitarbeitern ausgeht. Da in der Vorbemerkung die Rede ist von in der Regel, kann auch auf einen Willen der Tarifvertragsparteien dahingehend geschlossen werden, dass diese Regelhaftigkeit die Normalstärke einer Station beschreibt und dass im Hinblick auf eine möglichst handhabbare und rechtssichere Anwendung der Eingruppierungsregeln dies die Grenze auch zur großen Station darstellen soll. Diese Auslegung macht letzten Endes die tarifliche Regelung, die unklar und auslegungsbedürftig ist, eindeutig handhabbar. Daher ist dieser Auslegung der Vorzug zu geben. Weitere Hinweise, dass etwa die Tarifvertragsparteien die 12 Mitarbeiter nicht als Grenze zur großen Station verstanden haben, finden sich im Tarifvertrag nicht. Mithin ist damit von einer großen Station bei der Station der Klägerin nicht auszugehen.
Soweit die Klägerin zuletzt die Behauptung aufgestellt hat, es würden auf ihrer Station mehr als 12 unterstellte Mitarbeiter beschäftigt, ist sie dafür beweispflichtig geblieben. Tatsächlich hat sie nicht weiter dargelegt, trotz des Bestreitens der Beklagten, inwieweit etwa die zwei Reinigungskräfte, die bei einer externen Reinigungsfirma angestellt sind, ihr unterstellt wären oder inwieweit etwa die Praktikantin als Beschäftigte ihrer Station anzusehen ist. Damit ergibt sich aber in jedem Fall eine Beschäftigtenanzahl unter 12.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
IV.
Aufgrund der grundlegenden Bedeutung zur Abklärung der Begrifflichkeit „große Station“ und der Bedeutung in einer Vielzahl von Fällen, war die Revision zuzulassen.