Arbeitsrecht

Eingruppierung einer Gruppen-/Teamleitung – Freiwillige nach dem BFDG

Aktenzeichen  4 AZR 309/20

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:240221.U.4AZR309.20.0
Normen:
§ 12 TVöD
Anl 1 Vorbem 9 TVöD
Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 2 Vorbem 1 TVöD
Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 2 Entgeltgr P11 TVöD
Spruchkörper:
4. Senat

Leitsatz

1. Beschäftigte in der Pflege leiten im Regelfall eine “große Gruppe” oder ein “großes Team” iSd. Entgeltgruppe P 11 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA, wenn ihnen als Gruppen- oder Teamleitung mehr als neun Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) fachlich unterstellt sind. Mit dem Begriff “in der Regel” haben die Tarifvertragsparteien aber zu erkennen gegeben, dass im Ausnahmefall neben der Zahl fachlich unterstellter Beschäftigter auch andere Faktoren für die Bewertung maßgeblich sein können, ob eine Gruppe oder ein Team als “groß” im Tarifsinn anzusehen ist.
2. Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) sind keine Beschäftigten iSd. Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA, da sie nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Der Gruppen- oder Teamleitung fachlich unterstellte Freiwillige nach dem BFDG sind aber bei der Wertung, ob eine Gruppe oder ein Team ausnahmsweise als “groß” anzusehen ist, zu berücksichtigen.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Bochum, 24. Juli 2019, Az: 3 Ca 397/19, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 14. Mai 2020, Az: 17 Sa 1458/19, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Mai 2020 – 17 Sa 1458/19 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 24. Juli 2019 – 3 Ca 397/19 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Januar 2017 Vergütung nach der Entgeltgruppe P 11 TVöD/VKA zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
2
Die Klägerin ist seit dem 1. April 2013 Leiterin des pflegerischen Dienstes in einer vom Beklagten betriebenen Förderschule. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 26./27. Februar 2013 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis ua. „nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-VKA)“.
3
Zu den Aufgaben der Klägerin gehören die fachliche Leitung des Pflegedienstes, die Steuerung der inhaltlichen und organisatorischen Abläufe sowie Ausbau und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebote. Sie ist zudem Hygienebeauftragte. Im Rahmen der fachlichen Leitung hat sie bei der Personalbedarfsplanung, der Personalauswahl und der Einstellung sowie Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen mitzuwirken, Dienstpläne unter Berücksichtigung der schulischen Belange vorzubereiten, Mitarbeitergespräche zu führen und dienstliche Beurteilungen und Zeugnisse zu entwerfen. Darüber hinaus obliegen ihr die Wahrnehmung von Unternehmerpflichten in der Arbeitssicherheit und im Arbeitsschutz sowie die diesbezügliche Unterweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zur Steuerung der inhaltlichen und organisatorischen Abläufe gehören ua. die Koordinierung des Personaleinsatzes, die Umsetzung von Trägervorgaben und Dienstanweisungen sowie die fachliche Unterstützung der im Pflegedienst tätigen Personen sowie das Beschaffungswesen. Der Aufgabenbereich Ausbau und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebote betrifft die Qualitätssicherung (insbesondere Pflegedokumentation) und die Fortbildung.
4
Die Klägerin ist Fachvorgesetzte von acht Pflegefachkräften sowie acht Pflegehilfskräften. Als Pflegehilfskräfte werden Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) eingesetzt. Kann der Bedarf nicht mit diesen gedeckt werden, erfolgt ersatzweise die Einstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer. Im Stellenbesetzungsplan sind für den Pflegedienst der Förderschule ohne die Stelle der Klägerin drei Vollzeitstellen und sechs Stellen mit einem Arbeitsanteil von 0,5 ausgewiesen. Die Freiwilligen nach dem BFDG sind in diesem Plan an anderer Stelle als „Sonstiges Personal“ vermerkt. Die Pflegehilfskräfte sind nicht im Rahmen der medizinischen Behandlungspflege eingesetzt. Sie führen aber nach Einweisung und unter Aufsicht selbständig grundpflegerische Aufgaben wie das Wechseln von Windelhosen oder das Anreichen von Essen aus.
5
Die Klägerin erhielt zunächst eine Vergütung nach Entgeltgruppe P 7 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Mit Schreiben vom 7. November 2017 beantragte sie eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe P 11 Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA (nachfolgend TVöD/VKA). Der Beklagte vergütete die Klägerin seither nach Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA, eine weiter gehende Höhergruppierung lehnte er ab.
6
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Leiterin einer großen Gruppe iSd. Entgeltgruppe P 11 TVöD/VKA, da ihr mehr als neun Beschäftigte unterstellt seien. Neben den Pflegefachkräften seien auch die Pflegehilfskräfte als Beschäftigte anzusehen. Zudem sei ihre Tätigkeit auch mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit verbunden. Sie sei nicht in ein organisatorisches Gesamtkonzept wie in einem Krankenhaus eingebunden und könne daher weder Personalengpässe ausgleichen noch kollegiale Beratung in Anspruch nehmen.
7
Die Klägerin hat beantragt
        
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Januar 2017 Vergütung aus der Entgeltgruppe P 11 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B XI Nr. 2 zu zahlen.
8
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin leite keine große Gruppe. Für die Anzahl der unterstellten Beschäftigten sei allein auf die im Stellenbesetzungsplan ausgewiesenen Stellen abzustellen. Bei den Freiwilligen nach dem BFDG handele es sich zudem nicht um Beschäftigte im Tarifsinn. Sie seien der Klägerin auch nicht „fachlich“ iSd. tariflichen Anforderung unterstellt, weil ihre Tätigkeit nicht das erforderliche Mindestmaß an Qualifikation aufweise. Der Einsatz von Freiwilligen nach dem BFDG führe auch nicht zu einem erhöhten Maß von Verantwortlichkeit. Dieser sei an Förderschulen der Regelfall.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen