Arbeitsrecht

Eingruppierung eines Wachpolizisten im Objektschutz

Aktenzeichen  4 AZR 562/17

Datum:
27.2.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2019:270219.U.4AZR562.17.0
Normen:
§ 22 Abs 1 UAbs 1 BAT
§ 22 Abs 1 UAbs 2 S 1 BAT
Anl 1a VergGr VII Fallgr 1b BAT
Anl 1a VergGr VII Fallgr 1b BAT-O
§ 22 Abs 1 UAbs 2 S 1 BAT-O
§ 22 Abs 1 UAbs 1 BAT-O
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Berlin, 3. Februar 2016, Az: 56 Ca 4309/15, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 14. Juni 2017, Az: 20 Sa 640/16, Urteil

Tenor

1. Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2017 – 20 Sa 640/16 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des bei dem beklagten Land beschäftigten Klägers.
2
Dieser war seit Beginn seiner Tätigkeit am 1. Dezember 2009 bis zum 25. Februar 2018 als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist in § 2 Abs. 1 vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom 31. Juli 2003 in der jeweiligen Fassung bestimmt. Nach § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags sollen Tarifverträge, die das Land Berlin nach dem 1. August 2003 abschließt oder denen das Land Berlin im Falle eines Eintritts in einen Arbeitgeberverband dann unterworfen ist, „die o.g. Arbeitsbedingungen … ergänzen bzw. ersetzen.“
3
Vom 1. Dezember 2009 bis zum 10. März 2010 absolvierte der Kläger den Grundlehrgang für „Polizeiangestellte im Objektschutz“. Die Tätigkeit dieser Angestellten wird in einer Beschreibung des Aufgabenkreises aus dem Jahr 1984 (Muster-BAK 1984) erläutert. Weitere Grundlage des Einsatzes der Polizeiangestellten im Objektschutz ist die Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Dienstkräfte der Polizei vom 17. Februar 1993 (PDieVO).
4
Der Kläger wurde als sog. Springer zum Schutz ausländischer Botschaften und auch in mobilen Objektschutzstreifen eingesetzt, die diplomatische und konsularische Einrichtungen aufgrund des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (WÜD) und des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (WÜK) schützen.
5
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 für diesen sowie zugleich für eine Vielzahl weiterer namentlich benannter Beschäftigter an das beklagte Land und führte ua. aus:
        
„… sind die im Objektschutz eingesetzten Beschäftigten … regelmäßig nur in die Vergütungsgruppe E 3 bzw. E 5 eingruppiert.
        
Ich gehe davon aus, daß Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür haben, daß ich Sie namens und in Vollmacht meiner vorgenannten Mandanten bitten muß, die Eingruppierungen meiner Mandanten zu überprüfen und meine Mandanten aus den vorgenannten Gründen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in die Vergütungsgruppe E 4 bzw. E 8 höherzugruppieren.“
6
Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8, hilfsweise der Entgeltgruppe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Seine Tätigkeit, die einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstelle, erfordere für die nach der Muster-BAK 1984 und der PDieVO durchzuführenden Aufgaben gründliche und vielseitige Fachkenntnisse. Für die im Falle eines Angriffs auf ein geschütztes Objekt zu ergreifenden Maßnahmen, ggf. unter Einsatz von Schusswaffen, seien umfangreiche und vielseitige Kenntnisse einer großen Anzahl von Gesetzen sowie der jeweiligen Geschäftsanweisungen erforderlich. Diese gingen deutlich über die von „Jedermannrechten“ wie etwa Notwehr und Nothilfe hinaus. Ferner müsse er aufgrund der zu schützenden Objekte Kenntnisse über das WÜD und das WÜK sowie die daraus resultierenden Pflichten besitzen. Aufgrund einer verschärften Sicherheitslage sei der Objektschutz nunmehr unter erheblich gefährlicheren Bedingungen zu erbringen. Das führe zu erhöhten Anforderungen und erfordere selbständige Leistungen in erheblichem Umfang, sei doch die Verhältnismäßigkeit von Schutzmaßnahmen abzuwägen. Eine Dienstanweisung vom 22. Januar 2002 sehe überdies vor, dass die Polizeiangestellten im Objektschutz in Einzelverantwortung tätig seien, eigene Überlegungen anzustellen und selbständig die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hätten.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt
        
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn vom 1. Juni 2012 bis zum 25. Februar 2018 nach Maßgabe der Entgeltgruppe 8, hilfsweise der Entgeltgruppe 6 TV-L zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 5 und der Entgeltgruppe 8, hilfsweise der Entgeltgruppe 6 TV-L beginnend mit dem 1. Juni 2012 ab dem jeweiligen 1. Tag des Folgemonats – bzw. falls es sich dabei um einen Samstag, Sonntag oder Feiertag handelt, mit dem folgenden Werktag – mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
8
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, anders als bei der Tätigkeit im allgemeinen Ordnungsdienst sei beim Objektschutz keine Vielfalt von Vorschriften zu beachten. Für die Tätigkeit des Klägers seien oberflächliche Kenntnisse der in der Muster-BAK 1984 und der PDieVO genannten Vorschriften ausreichend. Das Wissen über Geschäftsanweisungen und Posten-/Streifenanweisungen führe nicht zu „gründlichen Fachkenntnissen“ im Tarifsinne, sondern beschränke sich auf Informationen und Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten. Für die Einschätzung von gefährlichen Situationen und das Ergreifen von erforderlichen Maßnahmen reiche die allgemeine Lebenserfahrung aus. Diese Kenntnisse seien bereits von dem Tarifmerkmal der „schwierigeren Tätigkeit“ erfasst. Aus den Wiener Übereinkommen ergäben sich keine Handlungsanweisungen für den Kläger. Die geänderte Sicherheitslage wirke sich auf die seit Erstellung der Muster-BAK 1984 gleich gebliebenen Aufgaben nicht in erheblicher Weise aus. Bei der Aufgabenaufstellung vom 22. Januar 2002 handele es sich nicht um eine Dienstanweisung, sondern um eine interne Zusammenfassung. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Geltendmachung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hinsichtlich des Hilfsantrags stattgegeben und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger seinen Hauptantrag weiter, während das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt.

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