Arbeitsrecht

Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginn einer Arbeitsunfähigkeit und einer Kündigung

Aktenzeichen  7 Ca 1354/18

Datum:
26.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50624
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
EFZG § 3, § 8

 

Leitsatz

Besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Beginn einer Arbeitsunfähigkeit und einer Kündigung, so wird eine Anlasskündigung i. S. d. § 8 EFZG vermutet. Der Arbeitgeber kann den Beweis, dass eine Anlasskündigung nicht vorliegt, durch entsprechenden Sachvortrag und Beweisantritt führen. Auch wenn seitens des Arbeitgebers im Vorfeld der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt wird, kann eine eingetretene Erkrankung entscheidender Anstoß zum Ausspruch der Kündigung sein. (Rn. 15 und 17)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.066,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.12.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 1.066,52 € festgesetzt.
4. Eine gesonderte Zulassung der Berufung erfolgt nicht.

Gründe

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 46, 48 ArbGG, §§ 17 ff. GVG. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 17 ZPO zuständig.
Die Klage ist begründet,
der Kläger hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung über den 16.11.2017 hinaus bis 01.12.2017.
Kündigt ein Arbeitgeber in zeitlichem Zusammenhang mit der Krankmeldung eines Arbeitnehmers oder der Anzeige der Fortdauer einer bekannten Arbeitsunfähigkeit, so spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit oder deren Fortdauer Anlass der Kündigung war. Diesen Beweis des ersten Anscheins kann der Arbeitgeber nur dadurch erschüttern, dass er Tatsachen vorträgt und erforderlichenfalls beweist, aus denen sich ergibt, dass andere Gründe seinen Kündigungsentschluss bestimmt haben (BAG 5 AZR 896/79). Für die Schlüssigkeit des Anspruchs genügt daher die Darlegung, dass der Arbeitgeber Kenntnis von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat und ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Arbeitsverhinderung und Kündigung besteht (ErfK/Reinhard EFZG § 8 Rn 10).
Vorliegend war der Kläger ab Montag 06.11.2017 arbeitsunfähig erkrankt und nicht mehr im Betrieb bei der Beklagten. Die Kündigung der Beklagten datiert von Dienstag 14.11.2017, war dem Kläger per Mail am selben Tag angekündigt und ist ihm am 15.11.2017 zugegangen. Dies genügt für die Schlüssigkeit des Anspruchs.
Diesen Indizienschluss hat die Beklagte nicht durch ausreichenden Tatsachenvortrag erschüttert. Soweit die Beklagte geltend macht, die Kündigung sei deshalb erfolgt, weil der Kläger den Anforderungen an die Arbeit nicht gewachsen war und in zwei Fällen Schäden an dem Radlader verursacht habe, verkennt die Beklagte, dass im Rahmen von § 8 EFZG maßgebend ist, was zu dem Zeitpunkt der Anlass, der entscheidende Anstoß zum Ausspruch der Kündigung war und nicht ob ein Kündigungsgrund gegeben war, der bisher aber nicht zum Ausspruch der Kündigung geführt hatte. Die Beklagte beruft sich insoweit auf eine Vereinbarung durch die Herrn V. in einem Gespräch am 27.10.2017 mit dem Kläger. Danach sei vereinbart worden, der Kläger bleibe noch die nächsten 2 Wochen angestellt, um ihm die Möglichkeit zu geben direkt in eine neue Arbeitsstelle zu wechseln. Der Kläger bestätigt das insoweit, als man ihm noch Zeit lassen wollte, aber er bestreitet, dass von einem Zeitraum von 2 Wochen die Rede gewesen sei. Der von der Beklagten insoweit vorgelegten Aktennotiz (Bl. 30 d. A.) kommt ein Beweiswert nicht zu, diese weist als Erstellungsdatum den 20.04.2018 aus, beinhaltet keine Unterschrift, nur die maschinenschriftliche Zeile „i.V. F.“. Eine Einvernahme der benannten Zeugen V. war nicht veranlasst. Es ist schon nicht dargelegt, dass die Herrn V… kraft ihrer Funktion – Vorarbeiter – oder auf Grund entsprechender Bevollmächtigung berechtigt waren, die behauptete Vereinbarung mit dem Kläger zu treffen. Dem steht nicht entgegen, dass sie gegebenenfalls entsprechende Vorschläge an die Personalverantwortlichen machen konnten. Des Weiteren, den Vortrag der Beklagten unterstellt, der Kläger „bleibe die nächsten 2 Wochen angestellt“ beseitigt dies nicht den Anschein, dass die Kündigungserklärung vom 14.11.2017 aus Anlass der Krankheit erfolgte. Es ist schon nicht richtig, dass der Kläger unmittelbar nach diesem Gespräch erkrankte und nicht mehr im Betrieb anwesend war. Das Gespräch war am Freitag 27.10.2017, unstreitig tragen beide Parteien vor, dass der Kläger aber erst ab Montag 06.11.2017 arbeitsunfähig erkrankte. Zwischen dem Gespräch und der Erkrankung liegt daher eine ganze Arbeitswoche. Die behauptete Vereinbarung soll am Freitag 27.10.2017 getroffen worden sein, die 2 Wochen wären dann jedoch am 10.11.2017 abgelaufen, §§ 187 I, 188 II BGB. Die insoweit gesetzlich definierte Wochenfrist entspricht auch dem allgemeinen Verständnis und dem jeweiligen Empfängerhorizont eines Arbeitnehmers. Es entspricht weder dem allgemeinen Verständnis, noch dem Empfängerhorizont eines Arbeitnehmers, dass mit 2 Wochen, oder auch 14 Tagen, nur Arbeitstage gemeint sein sollen, wie erstmals in der Verhandlung am 26.09.2018 geltend gemacht. Daraus folgt nach Auffassung des Gerichts, dass für den Ausspruch der Kündigung vom 14.11.2017 nicht die behauptete Vereinbarung Anlass war, die Kündigung hätte demnach früher erfolgen müssen, sondern die indiziellen Wirkungen die sich aus dem zeitlichen Ablauf ergeben sind weiterhin gegeben da nicht erschüttert und haben weiterhin Bestand.
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verfallen.
Nach § 11 Abs. 2 MTV soll die Lohnabrechnung spätestens zum 10. Arbeitstag des folgenden Monats, die Zahlung bis spätestens 15. Kalendertage nach Ablauf des monatlichen Lohnabrechnungszeitraumes erfolgen, § 11 Abs. 3 MTV. Davon abweichende Regelungen enthält der Arbeitsvertrag nicht, abweichende betriebliche Regelungen sind nicht dargelegt. Abrechnungszeitraum ist der jeweilige Kalendermonat, § 11 Abs. 2 Satz 1 MTV. Nachdem die Ausschlussfristen nach § 26 MTV jeweils mit der Fälligkeit des Anspruchs beginnen, waren die Entgeltfortzahlungsansprüche für den hiesigen Zeitraum fällig zum 15.12.2017. Der Kläger hat mit dem Schreiben vom 14.02.2018 die Geltendmachungsfrist in der ersten Stufe, § 26 Abs. 1 MTV, und nach Ablehnung der Beklagten durch Schreiben vom 06.03.2018 mit der Klage vom 12.03.2018 auch die zweite Stufe, § 26 Abs. 2 MTV, eingehalten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lief die zweite Stufe der Ausschlussfrist, § 26 Abs. 2 MTV, nicht schon mit dem Schreiben vom 30.11.2017. Zu diesem Zeitpunkt war, wie oben ausgeführt, der Anspruch nicht fällig (ErfK/Preis § 218 BGB Rn 52). Die Beklagte kann die tarifvertraglichen Ausschlussfristen nicht dadurch verkürzen, dass diese vor Fälligkeit einen Anspruch ablehnt.
Die Berechnung und Höhe des Anspruchs nach § 4 EFZG ist unstreitig.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG § 91 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO.
Eine gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG war mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht veranlasst.

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