Arbeitsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  B 1 K 16.515

Datum:
25.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51074
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2 S. 3, Abs. 8, § 43 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Das Gericht konnte aufgrund der Einverständniserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Die Klage hat keinen Erfolg. Die Frage nach der statthaften Klageart (hierzu unter Buchst. a) kann offen bleiben, weil sich der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts vom 27.06.2016 als rechtmäßig erweist (hierzu unter Buchst. b), so dass die Klage in jedem Fall zumindest unbegründet ist. Die Klage ist daher abzuweisen.
a) Zwar spricht viel dafür, dass die vorliegende Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig ist, da eine Enthaftung des Beklagten aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.08.2016 (Az.: B 1 K 16.514) nicht möglich sein dürfte. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der sogenannten Kollegialgerichtsrichtlinie ist nämlich, dass das Kollegialgericht das beanstandete Verhalten eines Amtswalters nicht nur aufgrund einer überschlägigen, summarischen Prüfung, wie etwa in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern auf der Grundlage einer vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage gebilligt hat (vgl. BeckOK, VwGO, § 113 Rn. 87.3 unter Verweis u.a. auf BGHZ 117, 240). Aber auch wenn man diesbezüglich die Fortsetzungsfeststellungsklage – weder direkt noch analog – gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und ggf. auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht als statthaft ansehen wollte, verbliebe jedenfalls das Begehren des Klägers sich (auch) gegen die durch den Bescheid vom 15.12.2016 nicht aufgehobenen Ziffern 5 und 6 des Bescheids vom 27.06.2016 (Kostengrund- und -Kostenhöheentscheidung) zur Wehr setzen zu wollen. Trotz der Umstellung des Klagebegehrens auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag durch den Kläger im Schriftsatz vom 02.01.2017 würde eine sachgerechte Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) dann dazu führen, dass eine Anfechtungsklage gegen die nach wie vor wirksame Kostenentscheidung statthaft wäre. Im Rahmen einer solchen wäre dann ebenfalls gemäß Art. 16 Abs. 5 des Kostengesetzes (BayKG) die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Verfügungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 zu prüfen. Im Ergebnis wäre also in jedem Fall in der Sache die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 zu prüfen. Da sich letzterer aber als rechtmäßig erweist (siehe hierzu sogleich unter Buchst. b) bedarf es keiner Entscheidung des Gerichts über die statthafte Klageart. Denn in jedem Fall hätte die Klage wegen der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 in der Sache keinen Erfolg, so dass es auf die Frage der statthaften Klageart nicht in streitentscheidender Weise ankommt.
b) Der Bescheid des Landratsamts vom 27.06.2016 erweist sich als rechtmäßig. Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung dieses Bescheids und führt hierzu noch Folgendes aus:
aa) Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, U.v. 27.09.1995 – 11 C 34.94), hier also den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids des Landratsamts am 27.06.2016. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger dem Landratsamt lediglich das psychologische Zusatzgutachten zu seiner bei der TÜV S. L. Service GmbH in … durchgeführten Begutachtung vorgelegt. Das „eigentliche“ ärztliche Gutachten von Herrn Dr. … legte der Kläger aber erst mit Klageerhebung als Anlage zur Klageschrift vom 15.07.2016 vor. Das Gutachten von Herrn Dr. … kann deshalb im Entziehungsverfahren und damit auch bei der hier vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamts vom 27.06.2016 keine Berücksichtigung mehr finden. Auf die Frage, ob dieses Gutachten inhaltlich richtig ist, kommt es deshalb nicht an.
bb) Die Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 erweist sich als hinreichend bestimmt. Zwar wird in der Begutachtungsaufforderung an mehreren Stellen auch von einer „fachärztlichen“ Begutachtung gesprochen. Dies ist aber im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb unschädlich, weil sowohl der Kläger als auch das Landratsamt davon ausgingen, dass mit der Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 die Vorlage eines „einfachen“ ärztlichen (und keines fachärztlichen) Gutachtens eines Arztes einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV verlangt wurde. Nach dem aus dem Zivilrecht herrührenden Rechtsgrundsatz „falsa demonstratio non nocet“ sind daher im vorliegenden Fall die „sprachlichen Ungereimtheiten“ in der Begutachtungsaufforderung unbeachtlich.
Im Falle des Landratsamts ergibt sich dieses Verständnis der Begutachtungsaufforderung aus der Begründung seines Bescheids vom 27.06.2016, in der das Landratsamt ausdrücklich ausführt, zur Vorlage eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV aufgefordert zu haben. Zudem sind auch regelmäßig in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung keine (spezialisierten) Fachärzte tätig. Nach einer vom erkennenden Gericht eingeholten Auskunft (Bl. 81 der Gerichtsakte) befindet sich unter den für die in der bzw. für die Begutachtungsstelle … des TÜV S. L. Service GmbH tätigen Ärzten weder ein Facharzt für Innere Medizin noch ein Diabetologe.
Dass dem Kläger ebenfalls bewusst war, dass von ihm ein „einfaches“ ärztliches Gutachten – und kein Facharztgutachten – einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung verlangt wurde, ergibt sich aus Folgendem:
Der Kläger hat das von ihm geforderte Gutachten in einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung – der TÜV S. L. Service GmbH in … – erstellen lassen. Dies zeigt, dass dem Kläger klar war, dass das von ihm geforderte Gutachten in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV zu erstellen war. Andernfalls hätte der Kläger für seine Begutachtung keine Begutachtungsstelle für Fahreignung ausgewählt.
Nach Erstellung des Gutachtens hat der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 22.04.2016 gegenüber dem Landratsamt erklärt, dass er auf seine Fahrerlaubnis nicht freiwillig verzichte, aber bereit sei, eine Begutachtung durch einen Internisten/Diabetologen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation durchführen zu lassen. Der Kläger war dabei der Meinung, dass ein solches Gutachten eines (spezialisierten) Facharztes die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seine Fahreignung besser beurteilen könne als ein Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle.
Der Kläger hat damit angeboten, ein weiteres Gutachten eines (auf Diabetes spezialisierten) Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV beizubringen. Dies zeigt aber auch, dass dem Kläger bewusst gewesen war, dass er in der Begutachtungsstelle lediglich ein „einfaches“ ärztliches Gutachten erhalten hatte und vom Landratsamt auch nur ein solches verlangt wurde. Wäre dies dem Kläger nicht bewusst gewesen, hätte er keinen Anlass gehabt, eine fachärztliche Begutachtung wegen der aus seiner Sicht besseren Eignung eines Facharztes für seine Begutachtung anzubieten. Hätte der Kläger hingegen die Begutachtungsaufforderung so verstanden, dass von ihm kein „einfaches“ ärztliches Gutachten, sondern ein fachärztliches Gutachten verlangt werde, das in einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen sei, so hätte der Kläger gegenüber dem Landratsamt wohl darauf hingewiesen, dass in der von ihm aus den Vorschlägen des Landratsamts ausgewählten Begutachtungsstelle kein entsprechender Facharzt tätig sei, aber sich nicht generell gegen die Begutachtung durch einen Arzt einer Begutachtungsstelle nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV gewandt und eine weitere Begutachtung durch einen (externen) Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV angeboten.
cc) Die getroffene Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV legt die Behörde fest, von welchem der in den Nummern 1 bis 5 genannten Gutachtern das Gutachten erstellt werden soll. Den Fahrerlaubnisbehörden steht also ein Auswahlermessen dahingehend zu, dem Pflichtigen verbindlich vorzugeben, von welchem der in § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV aufgeführten Ärzte ein beizubringendes Gutachten erstellt werden muss (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 43). Unabhängig von der Frage, ob die Nummern 5.3 und 5.4 der Anlage 4 zur FeV und die Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen für den Fall einer Erkrankung an Diabetes mellitus die Begutachtung durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinscher Qualifikation gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV überhaupt inhaltlich verbindlich anordnen wollen und dies rechtlich können, ist die Begutachtungsaufforderung des Landratsamts vom 25.01.2016 jedenfalls auf Grund der (damaligen) Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als rechtmäßig anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung sind nämlich erfahrungsgemäß bei der Begutachtung durch Ärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV Ungenauigkeiten bei der Begutachtung festzustellen. Andere Gutachtergruppen arbeiten genauer und sorgfältiger. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beschränkt deshalb in ständiger Rechtsprechung den Kreis der Ärzte, die ein Verfahrensbeteiligter mit der verkehrsmedizinischen Begutachtung betrauen darf, auf Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 FeV), auf Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Facharzt für Rechtsmedizin“ (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 FeV) und auf Ärzte in Begutachtungsstellen für Fahreignung, die die Anforderung der Anlage 14 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfüllen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), so dass die Begutachtungsaufforderung nicht zu beanstanden ist (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 45).
dd) Da der Kläger das geforderte ärztliche Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht fristgerecht beigebracht bzw. dem Landratsamt vorgelegt hat, durfte und musste das Landratsamt nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen; hierauf hat das Landratsamt den Kläger in der Begutachtungsaufforderung vom 25.01.2016 auch gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen. Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV räumt der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 – juris, Rn. 13. m.w.N.). Vielmehr ist der Widerruf in einem solchen Fall zwingend.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. In Abweichung von seiner unter Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc der Entscheidungsgründe angeführten (bisherigen) Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im richterlichen Hinweis vom 29.09.2016 in dem zu dieser Sache gegen die Ablehnung des gestellten Eilantrags durch das Verwaltungsgericht Bayreuth geführten Beschwerdeverfahren (Az. 11 CS 16.1717) eine erneute Begutachtung des Klägers durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation angeregt. Insoweit steht eine Fortentwicklung bzw. Änderung der bisherigen Rechtsprechung im Raum, die das erkennende Gericht als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht.

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