Aktenzeichen M 5 M 18.33949
Leitsatz
1 Erhält von mehreren Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite nur ein Teil Prozesskostenhilfe, so sind die diesbezüglichen Rechtsanwaltsgebühren ausgehend vom gesetzlichen Gegenstandswert nach Kopfteilen zu berechnen. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch bei Aufstockungsklagen syrischer Staatsangehöriger hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist ein Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde zu legen (Anschluss an OVG Bremen BeckRS 2018, 3050). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zur Durchführung der nach § 58 Abs. 2 erforderlichen Berechnungen. (Rn. 11 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Auf die Erinnerung des Bevollmächtigten des Klägers zu 1 wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom … Oktober 2018 abgeändert und die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende Vergütung aus der Landeskasse auf insgesamt 409,06 EUR festgesetzt.
II. Kosten werden nicht erstattet. Für das Erinnerungsverfahren werden Gerichtsgebühren nicht erhoben.
Gründe
I.
Mit rechtkräftigem Urteil vom 17. Juli 2018 (M 5 K 16.33366) wurde die Bundesrepublik Deutschland unter entsprechender Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. September 2016 verpflichtet, dem Kläger zu 1 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Im Übrigen – betreffend die Klägerin zu 2 – wurde die Klage abgewiesen. Zuvor war mit Beschluss vom 19. April 2018 dem Kläger zu 1 Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren bewilligt und der Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden. Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zu 2 abgelehnt.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten setzte die Urkundsbeamtin mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 8. Oktober 2018 die dem Rechtsanwalt als beigeordneten Anwalt zustehende Vergütung auf 288,48 EUR fest. Dabei ermittelte sie die Gebühren anhand eines Streitwerts von 6.000,- EUR und halbierte den sich daraus ergebenden Betrag. Hiervon brachte sie einen an den Rechtsanwalt bereits bezahlten Vorschuss der Kläger von 250,- EUR in Abzug.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2018, eingegangen bei Gericht einen Tag später, hat der Bevollmächtigte des Klägers zu 1 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Die Halbierung der Gebühren überzeuge nicht. Ebenso dürfe der Vorschuss nicht in Abzug gebracht werden. Die Mandanten hätten den Vorschuss gemeinsam gezahlt, daher dürfte auch nur die Hälfte beim Kläger zu 1 in Abzug gebracht werden.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte diese dem Gericht vor.
II.
Über die Erinnerung entscheidet gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) der Einzelrichter.
Zur Klarstellung war als Antragsteller ausschließlich der Bevollmächtigte des Klägers zu1 im Klageverfahren M 5 K 16.33366 aufzunehmen. Denn er macht einen Anspruch als Rechtsanwalt auf ausschließlich ihm zustehende Gebühren geltend.
Die gegen die Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung ist begründet. Die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger zu 1 ist auf insgesamt 409,06 EUR festzusetzen. Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2018 ist entsprechend abzuändern. Abzüglich der im Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 8. Oktober 2018 bereits festgesetzten Vergütung von 288,48 EUR steht dem beigeordneten Rechtsanwalt ein weiterer Betrag in Höhe von 120,58 EUR als Vergütung zu (409,06 EUR – 288,48 EUR). Der von den Klägern geleistete Vorschuss bewirkt keine Verringerung des Vergütungsanspruchs.
1. Der Anspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist in §§ 45 ff. RVG geregelt. Die gesetzliche Vergütung umfasst dabei nach § 48 Abs. 1 RVG dasjenige Verfahren und denjenigen Umfang, für den das Gericht den Rechtsanwalt beigeordnet hat. Wird die Prozesskostenhilfe und Beiordnung in diesem Sinne auf einen Teilanspruch beschränkt, erhält der beigeordnete Anwalt die Vergütung nur aus dem Teilwert.
a) Im Rahmen der Kostenfestsetzung ist es vorliegend erforderlich, für den Teil des Klagegegenstandes, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde (Kläger zu 1), eine gesonderte Berechnung der Gebühren durchzuführen. Das Rechtsanwaltsgebührengesetz regelt nicht ausdrücklich, wie diese Berechnung vorzunehmen ist. Nach Auffassung des Gerichtes hat eine Berechnungsmethode zum Einen in ausreichendem Maße dem Umstand Rechnung tragen, dass auch die Staatskasse, die Prozesskostenhilfe finanziert, an der dem Rechtsanwaltsgebührengesetz zugrunde liegenden Kostendegression (vgl. Anlage zu § 13 Abs. 1 RVG) teilnimmt. Zum Anderen ist zu beachten, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht dazu führen darf, dass im Falle des Obsiegens entsprechend dem Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung die Staatskasse eine höhere Gebühr zu entrichten hat, als der Prozesskostenhilfebegünstigte von seinem Prozessgegner erlangen kann. Daher erscheint eine Aufteilung nach Kopfteilen ausgehend von dem sich ergebenden Gesamtstreitwert gerechtfertigt (VG Würzburg, B.v. 9.4.2018 – W 8 M 18.30390 – juris Rn. 23 f. – auch zur abweichenden Ansicht, die einen gesonderten Gegenstandswert zur Berechnung der Prozesskostenhilfe bestimmt; ebenso: Verwaltungsgericht des Saarlandes, B.v. 9.11.2006 – 5 K 153/05.A – juris Rn. 4). Das bildet zum einen die Gebührendegression bei mehreren Personen auf der Seite eines Beteiligten ab, andererseits aber auch den Umstand, dass die Ansprüche mehrerer Beteiligter unterschiedlich rechtlich zu beurteilen sind. Soweit der Antragsteller im Schriftsatz vom 26. Oktober 2018 darauf hinweist, dass in Asylsachen keine Mehrvertretungsgebühr errechnet werden könne und daher die Gebühren ausgehend von einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR für eine Person zu berechnen seien, überzeugt das nicht. Das widerspricht der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG sowie den dargelegten Gründen, die für eine Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ausgehend von dem gesetzlichen Gegenstandwert nach Kopfteilen sprechen.
b) Die Urkundsbeamtin hat zu Recht einen Gegenstandswert von 6.000,- EUR festgesetzt, da die Klage ausdrücklich in Bezug auf zwei Kläger (Kläger zu 1 und Klägerin zu 2) erhoben worden war (§ 30 Abs. 1 Satz 2 RVG). Auch bei Aufstockungsklage syrischer Staatsangehöriger hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist ein Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde zu legen (OVG Bremen, U.v. 24.1.2018 – 2 LB 194/17 – juris Rn. 81). Die sich ergebende Summe ist für den Anteil des Klägers zu 1, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden war zu halbieren. Ausgehend hiervon sind folgende Gebühren zu berechnen (vgl. Aufstellung des Rechtsanwalts im Erinnerungsschreiben vom 18.10.2018):
Verfahrensgebühr 1,3-fach aus 267,- EUR = 347,10 EUR
Terminsgebühr 1,2-fach aus 267,- EUR = 320,40 EUR
Telekommunikationspauschale 20,- EUR Summe 687,50 EUR
Mehrwertsteuer aus 687,50 EUR 130,63 EUR
Gesamtsumme 818,13 EUR
Hälfteanteil auf den Kläger zu 1 entfallend 409,06 EUR.
2. Die Anrechnung des geleisteten Vorschusses erfolgt nach § 58 Abs. 2 RVG. Nach dieser Vorschrift sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Das führt vorliegend dazu, dass der Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten nicht zu verringern ist.
a) Die Anwendung dieser Vorschrift setzt eine dreifache Rechnung voraus (vgl. zum Ganzen: VG München, B.v. 1.12.2014 – M 24 M 14.31118 – juris Rn. 34 ff. m.w.N.):
In einem ersten Schritt ist die Summe der anrechenbaren Beträge (erhaltene Vorschüsse und Zahlungen) zu ermitteln, wobei hierunter insbesondere auch die Zahlungen durch die Gegenseite des Ausgangsrechtsstreits fallen.
In einem zweiten Schritt sind diese insgesamt anrechenbaren Beträge „zunächst“ auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung, die der rechtsanwaltlichen Vertretung gegen seine Mandantschaft an sich zugestanden hätte, wenn § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (i.V.m. § 166 VwGO) nicht eingriffe, einerseits und der im Rahmen der Prozesskostenhilfe und Beiordnung im Ausgangspunkt zu zahlenden Vergütung (PKH-Ausgangsvergütungsanspruch) andererseits anzurechnen. Dabei ist diese Differenz i.S.v. § 58 Abs. 2 RVG diejenige „Vergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht.
In einem dritten Schritt wird dann der PKH-Ausgangsvergütungsanspruch im Wege weiterer Anrechnung (des verbliebenen anrechenbaren Restbetrages) gekürzt, und zwar nur soweit „erhaltene Vorschüsse und Zahlungen“ nicht schon beim zweiten Schritt zur Anrechnung gekommen sind. Wenn die im Ausgangspunkt insgesamt anrechenbaren Beträge kleiner waren als die „Differenz“ (zwischen Wahlvergütungs- und PKH-Ausgangsvergütungsanspruch), entfällt der dritte Schritt.
b) Das ergibt vorliegend folgende Berechnung:
1. Anrechenbarer Betrag: Vorschuss durch beide Kläger 250,- EUR, Hälfteanteil für den Kläger zu 125,- EUR, da der Vorschuss für beide Kläger zu gleichen Teilen geleistet worden ist.
2. Differenz Wahlanwaltsvergütung zu PKH-Ausgangsvergütung:
– Wahlanwaltsvergütung (Berechnung im Kostenfestsetzungsbeschluss): 1.076,95 EUR, Hälfteanteil für Kläger zu 1: 538,47 EUR
– PKH-Ausgangsvergütung (Berechnung s.o. unter Nr. 1): 818,13 EUR, Hälfteanteil für den Kläger zu 1: 409,06 EUR
– Differenz Wahlanwaltsvergütung zu PKH-Ausgangsvergütung: 258,82 EUR, Hälfteanteil für den Kläger zu 1: 129,14 EUR
Damit ist der Vorschuss bereits auf der zweiten Stufe der Berechnung „aufgebraucht“, die dritte Stufe kommt nicht mehr zur Anwendung. Die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und PKH-Vergütung (129,14 EUR) ist höher als der geleistete Vorschuss (125,- EUR).
Da der geleistete Vorschussanteil, der auf den Kläger zu 1 anfällt, geringer ist als die Differenz zwischen den Gebühren, die der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten nach den in Anlage 2 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz festgelegten Gebührensätzen berechnen kann gegenüber den geringeren Sätzen in § 49 RVG, ist eine Kürzung der Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts nicht gerechtfertigt. Denn der Vorschuss geht in der Differenz zwischen (regulären) Gebühren und den Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts nach Prozesskostenhilfebewilligung auf (§ 58 Abs. 2 RVG).
3. Die Gebührenfreiheit des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG (ebenso § 83b AsylG), der Ausschluss der Kostenerstattung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG; aus diesem Grund hat die Erinnerungsentscheidung eine darüber hinausgehende Kostenentscheidung nicht zu enthalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).