Aktenzeichen RO 1 K 16.690
Leitsatz
Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Anspruch auf Erfüllungsübernahme besteht nur bei einem tätlichen Angriff nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.2015.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien hierauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erfüllungsübernahme hat.
Mit Art. 97 BayBG wurde insbesondere geregelt, dass der Dienstherr bei einem Beamten, der im Dienst einen „tätlichen rechtswidrigen Angriff … erleidet“ und der einen rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten hat, auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen kann, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Nach Art. 97 Abs. 2 BayBG liegt eine unbillige Härte insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 € erfolglos geblieben ist. Die Übernahme ist nach Art. 97 Abs. 3 BayBG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen.
Art. 97 BayBG wurde als Art. 9 Nr. 3 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 (Haushaltsgesetz 2015/2016 – HG 2015/2016, GVBl. S. 511) in das Bayerische Beamtengesetz eingefügt. Es hat weder für Bayerische Beamte, noch für Bundesbeamte Vorläuferregelungen gegeben, auch gibt es keine entsprechenden Regelungen in Gesetzen anderer Bundesländer.
Bei Art. 97 BayBG handelt es sich um eine besondere Fürsorgeleistung nach Abschnitt 7 des 4. Teils des Bayerischen Beamtengesetzes. Ohne diese Regelungen würde es sich nicht um eine zulässige Leistung des Dienstherrn nach Art. 5 BayBG handeln. Sie wäre damit unzulässig.
Abgesehen davon, dass der Kläger außer im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null bei der zu treffenden Ermessensentscheidung höchstens einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat, ist somit erforderlich, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet ist. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass dies vorliegend nicht der Fall ist, da hierzu alle Tatbestandsmerkmale und damit auch der tätliche Angriff nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung hätten verwirklicht werden müssen.
Nach Art. 17 HG 2015/2016 ist das Gesetz am 1.1.2015 in Kraft getreten. Da der Kläger nach diesem Zeitpunkt nicht den konkret bezeichneten Angriff „erleidet“, sondern bereits am 1.5.2013 erlitten hat, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzestextes, dass Art. 97 BayBG für den früheren Angriff nicht anwendbar ist. Der Angriff und auch die zugefügten Schmerzen waren bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen. Gleiches gilt vorliegend auch für die gerichtliche Entscheidung durch das Versäumnisurteil des Amtsgerichts K. vom 14.7.2014. Dass der Vollstreckungsversuch erst nach Inkrafttreten der Norm erfolglos geblieben ist, kann auch dann nicht zur Zulässigkeit des Antrags auf Erfüllungsübernahme führen, wenn der Antrag innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren gestellt wurde. Die erfolglose Vollstreckung ist nicht unmittelbares Tatbestandsmerkmal des Erfüllungsanspruchs nach Art. 97 Abs. 1 BayBG, sondern führt nur bei Beträgen von mindestens 500 EUR dazu, dass ein Regelfall einer unbilligen Härte vorliegt.
Eine rückwirkende Anwendung der Bestimmung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt ist nicht nur zulasten des Beamten unzulässig, sondern auch zugunsten des Beamten, wenn der Dienstherr damit nach Art. 5 BayBG unzulässige Leistungen gewähren würde. Entgegen der Darstellung des Klägervertreters stellt auch bei einer begünstigenden Regelung die rückwirkende Anwendbarkeit nicht den Regelfall dar.
Unzulässig ist auch eine entsprechende Anwendung des Art. 97 BayBG auf tätliche Angriffe, die vor dem 1.1.2015 stattgefunden haben. Die Schließung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie ist zwar auch bei Leistungen an Beamte nicht ausgeschlossen, setzt aber eine planwidrige Regelungslücke voraus. „Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein.“ (BVerwG, Urt.v. 27.3.2014, 2 C 2.13, juris).
Eine Regelungslücke kann bereits aufgrund der differenzierten Regelung in Art. 17 HG 2015/2016 nicht angenommen werden. Nach Art. 17 Abs. 2 HG 2015/2016 wurden für einzelne Bestimmungen, zu denen auch Änderungen der Beamtenbesoldung gehören, abweichende Regelungen hinsichtlich des Inkrafttretens getroffen. Hieraus kann darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber hinsichtlich aller weiteren Regelungen das Inkrafttreten zum 1.1.2015 wollte.
Dem steht nicht entgegen, dass Teile des Landtags nach Inkrafttreten des Art. 97 BayBG die Staatsregierung auffordern wollten, die Bestimmung auf Altfälle anzuwenden. Der Landtags-Drucksache kann dabei nicht entnommen werden, dass sich der Antrag nur auf einen unzulässigen Eingriff in die Verwaltung bezog. Die Ablehnung dieses Antrags mit Beschluss vom 1.10.2015 (LT-Drucks. 17/8221), ohne dass eine Gesetzesänderung beantragt wurde, zeigt vielmehr, dass eine Regelung für Altfälle nicht dem Mehrheitswillen des Gesetzgebers entsprach.
Bei einer Neuregelung ist eine Geltung ab einem bestimmten Stichtag zulässig. Stichtagsregelungen sind ein für eine ungleiche Behandlung von Sachverhalten, die vor bzw. nach dem Stichtag stattfanden, hinreichender Grund (BVerfG, B.v. 27.2.2007, 1 BvL 10/00, juris), wenn sie sachlich vertretbar sind. Dies ist bei der Neueinführung einer Leistung bei einer Geltung ab Inkrafttreten des Gesetzes regelmäßig der Fall. Eine Ungleichbehandlung von Beamten, die vor Inkrafttreten der Neuregelung einen tätlichen Angriff erlitten haben mit denen, die erst danach einen tätlichen Angriff erleiden, ist damit zulässig.
Hingewiesen wird noch darauf, dass auch im Übrigen die Klageerwiderung zutreffend ist. Der in Art. 97 Abs. 1 BayBG verwendete Begriff des tätlichen Angriffs bezieht sich nach der Gesetzesbegründung (Bay. Landtag Drucksache 17/2871, S. 44), wie bereits in Nr. 46.4.2 BayVV-Versorgung definiert, auf einen Angriff, der auf einen physischen Schaden gerichtet ist. Der Beamte muss eine körperliche Beeinträchtigung oder Gesundheitsschäden erleiden. Nicht erfasst werden bloße Beleidigungen und Bedrohungen, die zu keinen körperlichen oder nur zu psychischen Folgen führen.
Selbst wenn der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hätte, würde sich dieser nur auf ein Schmerzensgeld in Bezug auf einen körperlichen Angriff beziehen. Wenn, wie glaubhaft dargelegt, dabei nur Körperverletzungen als wesentlich angesehen werden, bei denen eine ärztliche Untersuchung erfolgte, ist die Ablehnung der Erfüllungsübernahme deshalb nicht ermessenswidrig. Im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung kann der Begriff des tätlichen Angriffs auf Angriffe mit einer Mindestschwere beschränkt werden, bei denen eine ärztliche Untersuchung erfolgt.
Damit war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.
Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst.