Aktenzeichen 6 Sa 83/17
BGB § 315
Leitsatz
Der Kläger ist durch Aufhebungsvertrag vorzeitig ausgeschieden. Im Aufhebungsvertrag wurde die betriebliche Rentenregelung durch eine günstigere Regelung abgelöst. Die Anpassung erfolgt nach den betrieblichen Regelungen, die eine Steigerung entsprechend der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht, wobei die Beklagte etwas Anderes beschließen darf, wenn sie die genannte Steigerung „für nicht vertretbar“ erachtet. Eine Entscheidung über eine geringere Steigerung (über Inflationsausgleich) war unwirksam, da die Beklagte das Vorliegen hinreichender wirtschaftlicher Gründe nicht darlegen konnte. (Rn. 44, 47, 59 – 60 und 87)
Verfahrensgang
2 Ca 418/16 2017-02-07 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 07.02.2017, Az.: 2 Ca 418/16, teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, beginnend ab Mai 2016, über die bisher gezahlte Betriebsrente in Höhe von 1.853,84 € (i. W.: Eintausendachthundertdreiundfünfzig 84/100 Euro) brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen weiteren Betrag in Höhe von 16,71 € (i. W.: Sechzehn 71/100 Euro) brutto, insgesamt demnach eine Betriebsrente in Höhe von 1.870,55 € (i. W.: Eintausendachthundertsiebzig 55/100 Euro) brutto, zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 30.04.2016 in Höhe von 167,10 € (i. W.: Einhundertsiebenundsechzig 10/100 Euro) brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 16,71 € (i. W.: Sechzehn 71/100 Euro) brutto seit dem 02.07., 02.08., 02.09., 02.10., 02.11., 02.12.2015, 02.01., 02.02., 02.03. und 02.04.2016.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 40%, die Beklagte 60%.
5. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
Die klagende Partei hat ab dem 01.07.2015 einen Anspruch auf eine um € 16,71 brutto höhere monatliche betriebliche Altersversorgung nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrages in Verbindung mit § 6 Ziffer 1 ABVW. Gleichzeitig steht ihr ein Anspruch auf Zahlung der aufgelaufenen Differenzen in Höhe von insgesamt € 167,10 brutto zu. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen und der Berufung teilweise stattzugeben.
Zur Begründung der Entscheidung schließt sich das erkennende Gericht den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Hamburg in seinem Urteil vom 09.11.2017, Az.: 7 Sa 95/16 (Aktenzeichen beim BAG 3 AZR 23/18, nach Juris) an unter Übertragung auf den vorliegenden Fall.
Die klagende Partei hat Anspruch auf Erhöhung ihrer monatlichen betrieblichen Versorgungsleistung aus Ziff. 8 des Aufhebungsvertrags um 2,0972% und nicht nur um 0,5%. Entgegen ihrer Ansicht hat sie aber nicht Anspruch auf Erhöhung auch der VK-Rente um 2,0972%. Die Beklagte schuldet nur die Anpassung des im Aufhebungsvertrag genannten Betrags (in Gestalt der jährlich erfolgten Steigerungen), da die nach dem BVW grundsätzlich vorgesehene Gesamtversorgungsleistung durch die Vereinbarungen in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags einvernehmlich abbedungen wurden. Das ergibt die Auslegung des Aufhebungsvertrags:
Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen.
Der Wortlaut in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags vom 14. Mai 1996 ist eindeutig. Ebenso die unterschiedliche Systematik der im Aufhebungsvertrag zugesagten Altersversorgung im Vergleich zu der des BVW. Wortlaut und Systematik lassen es nicht zu, auf den Willen der Vertragsparteien zu schließen, der klagenden Partei, die aufgrund des Aufhebungsvertrags im Rahmen einer Frühpensionierungsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, die Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung gemäß den Regelungen des BVW zukommen zu lassen.
So ist ausdrücklich bestimmt, dass die Arbeitgeberin der klagenden Partei unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen aus der Versorgungskasse mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab erstmals der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ggf. mit Abschlägen) möglich ist, eine monatliche Rente in Höhe des konkret bezifferten Betrags (DM 2.004,29 brutto) gewährt. Aus der Formulierung „unabhängig“ wird deutlich, dass keine Berechnung der betrieblichen Altersversorgung in Form der Pensionsergänzungsrente im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems, wie es das BVW vorsieht, erfolgen soll. Denn bei dem Gesamtversorgungssystem des BVW ist die Höhe der Pensionsergänzungsrente gerade abhängig von der Höhe der gesetzlichen Rente und der VK-Rente im Verhältnis zu der Versorgungsobergrenze, die dem jeweiligen Arbeitnehmer nach dem BVW zusteht (in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, vgl. § 4 ABVW). Ferner spricht die Tatsache, dass in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags ein bezifferter Betrag genannt ist, dafür, dass die Parteien von dem System des BVW abweichen wollten. Anderenfalls hätte eine Bezugnahme auf die betrieblichen Regelungen insgesamt genügt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach § 1 Ziff. 2 der ABVW die Zahlung der Pensionsergänzungsrente frühestens mit Beginn der Rentenzahlung aus der Versorgungskasse beginnt. Nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags erfolgt die Zahlung der dort zugesagten Altersversorgung bereits ab dem Bezug einer (ggf. vorgezogenen, mit Abschlägen versehenen) Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, also unabhängig von den Zahlungen aus der Versorgungskasse.
Diese Umstände belegen insgesamt den Willen der Parteien, sich von der Systematik des BVW loszulösen und stattdessen eine Direktzusage zu vereinbaren. Die klagende Partei hat keinen Anspruch mehr auf eine Gesamtversorgung nach dem BVW und damit auch nicht auf Erhöhung eines Gesamtversorgungsbetrags, von dem sodann zur Ermittlung der (neuen) Höhe der Pensionsergänzungsrente die (erhöhte) gesetzliche Rente und die (ggf. ebenfalls erhöhte) VK-Rente in Abzug zu bringen wären. Nur die Zahlung und Anpassung des zugesagten, konkret benannten Versorgungsbetrags soll sich nach Ziffer 8 S. 2 des Aufhebungsvertrags nach den „betrieblichen Bestimmungen“ richten, d.h. nach den Regelungen der ABVW.
Die Vereinbarung in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere war nicht erkennbar, dass die klagende Partei hierdurch auf Rechte aus der Gesamtbetriebsvereinbarung zu ihrem Nachteil verzichtet hatte, was ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats unwirksam wäre (§§ 77 Abs. 4 S. 2 BetrVG, 134 BGB).
Vielmehr ist der Verzicht auf Ansprüche aus dem BVW mit Blick auf die betriebliche Altersversorgung unter Berücksichtigung des Günstigkeitsprinzips wirksam.
Das Günstigkeitsprinzip findet bei einem individuellen Verzicht auf Ansprüche aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung Anwendung. Hiernach führt ein solcher Verzicht dann zur Unwirksamkeit einer Individualvereinbarung, wenn diese nicht zugunsten des Arbeitnehmers wirkt. Für die Prüfung ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen. Abzustellen ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt, zu dem sich Betriebsvereinbarung und einzelvertragliche Abrede erstmals konkurrierend gegenüberstehen. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass die von einer Betriebsvereinbarung abweichende Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist.
Vorzunehmen ist ein sog. Sachgruppenvergleich, d.h. die in einem inneren Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen sind zu vergleichen. Sind wiederkehrende Leistungen zu vergleichen, so ist ein überschaubarer Zeitraum zugrunde zu legen. Mittelbare Fernwirkungen bleiben wegen der Unsicherheit einer Prognose regelmäßig außer Betracht. Gleiches gilt für unwahrscheinliche Kausalverläufe. Ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die Abweichung für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden Geltung der Betriebsvereinbarung.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend von einer günstigeren Regelung in Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung im Vergleich zu den Ansprüchen aus dem BVW auszugehen. Der in der Aufhebungsvereinbarung zu sehende Verzicht auf die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nach dem BVW ist damit wirksam.
Unstreitig ist, dass der in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags konkret festgelegte Betrag höher ist als er nach den Regelungen der Ausführungsbestimmungen des BVW wäre. Es wurde nämlich das Gesamtversorgungsniveau (nach den Bestimmungen des BVW) auf ein Austrittsalter 65 bestimmt und keine Kürzung bei den anrechnungsfähigen Dienstjahren vorgenommen, obwohl die klagende Partei bereits mit 59 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Sodann wurden im Näherungsverfahren berechnete Beträge der gesetzlichen Rente und Ansprüche aus der Versorgungskasse abgezogen und die verbleibende Differenz auf ein Austrittsalter 63 gequotelt. Damit ergab sich unstreitig ein günstigerer betrieblicher Rentenbetrag als bei Annahme des tatsächlichen Austrittsdatums. Die negativen Auswirkungen des frühen Austrittsalters waren niedriger als nach den Bestimmungen des BVW, das Anfangsniveau des betrieblichen Versorgungsbetrags somit höher und damit günstiger als nach den betrieblichen Bestimmungen.
Ferner hatte die klagende Partei bereits einen Anspruch auf Zahlung der Altersversorgung durch die Beklagte ab dem Zeitpunkt, ab dem ihr Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ggf. mit Abschlägen) zustanden, wohingegen sie nach den Bestimmungen des BVW (wie oben dargelegt) erst dann eine betriebliche Altersversorgung hätte beanspruchen können, ab dem Zahlungen aus der Versorgungskasse erfolgten (§ 1 Ziffer 2 ABVW).
Die Anpassung des zugesagten Betrags richtet sich nach den gleichen Bestimmungen wie eine betriebliche Altersversorgung nach dem BVW, nämlich nach § 6 ABVW. Insoweit erfährt die klagende Partei auch keine ungünstigere Behandlung.
Der zukünftige Unterschied ist einzig der, dass die klagende Partei nach dem BVW eine Gesamtversorgung zugestanden hätte, nach Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags jedoch ein konkret zugesagter Betrag – dieser allerdings höher als nach den Bestimmungen des BVW. Ein Nachteil der klagenden Partei könnte sich somit nur ergeben, wenn in der Zukunft die Altersversorgung nach dem BVW (als Gesamtversorgung) zu einem höheren Versorgungsniveau führt als die Ansprüche, die der klagenden Partei aus dem Aufhebungsvertrag zustehen (betriebliche Rente gemäß Aufhebungsvertrag zzgl. die gesetzliche Rente und die VK-Rente, die sich jeweils unabhängig voneinander erhöhen). Das wiederum wäre nur dann denkbar, wenn die VK-Rente zukünftig nicht oder nur in ganz geringem Umfang erhöht würde. In diesem Fall könnte es rechnerisch zu einem ungewissen, irgendwann in der Zukunft liegenden Zeitpunkt dazu kommen, dass der Gesamtversorgungsbetrag höher ist als der Rentenanspruch der klagenden Partei plus gesetzliche Rente plus VK-Rente. Dieser Zeitpunkt ist jedoch weder erkennbar noch näher bestimmbar. Ebenso liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor, dass die VK-Rente – dauerhaft – stagnieren könnte. Zudem hat sich die klagende Partei nicht darauf berufen, dass die Vereinbarung im Aufhebungsvertrag sie ungünstiger stellen würde. Eine Parallelrechnung, die verdeutlich hätte, dass ihr nach den Bestimmungen des BVW ein höherer Betrag zustünde oder in überschaubarer Zukunft zustehen wird, ist nicht erfolgt. Insgesamt war damit aufgrund der erkennbaren Umstände, insbesondere aufgrund des höheren Rentenbetrags in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags im Vergleich zu dem entsprechenden Pensionsergänzungsbetrags nach dem BVW, davon auszugehen, dass die Vereinbarung im Aufhebungsvertrag die klagende Partei begünstigte bzw. begünstigt.
Der klagenden Partei steht nach den betrieblichen Bestimmungen in § 6 Ziffer 1 ABVW i.V.m. Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags grundsätzlich eine Anpassung ihrer betrieblichen Altersversorgung entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Renten zu. Diese stiegen im Jahr 2015 um 2,0972%. Das ergibt im Fall der klagenden Partei eine monatliche Differenz in Höhe von € 16,71 brutto (ab dem 1.7.2015) (€ 1.335,65 zzgl. 2,0972% = € 1.303,66 abzgl. € 1.346,95 = € 16,71 brutto) sowie eine aufgelaufene Differenz bis 30.04.2016 in Höhe von insgesamt € 167,10 brutto.
Diesem Anspruch auf Erhöhung der monatlichen Versorgungsleistung (aus Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags) um 2,0972% konnte die Beklagte nicht die Beschlüsse vom 26. August/9. Oktober 2015 nach § 6 Ziff. 3 der ABVW entgegen setzen, wonach „die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten“ nur um 0,5% steigen sollten. Dieser Beschluss ist unwirksam. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der – auch im Fall der klagenden Partei anwendbaren – Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW. Ob die Entscheidungen zudem systemwidrig waren, da die Verteilungsgrundsätze der ABVW nicht beachtet wurden, ob die Beklagte gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen hat und ob sich solche Rechtsverstöße auch gegenüber der klagenden Partei auswirkten, kann dahinstehen.
Der klagenden Partei steht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ab Juli 2015 in Höhe von monatlich € 16,71 brutto zu, da die Beklagte gem. § 6 Ziffer 1 der ABVW verpflichtet war, die betriebliche Versorgungsleistung der klagenden Partei aus Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags zum 1. Juli 2015 um 2,0972% anzupassen.
Unstreitig und im Übrigen eindeutig ist in Ziffer 8 des Aufhebungsvertrags vereinbart, dass sich die Anpassung der zugesagten und im Aufhebungsvertrag konkret bezifferten Betriebsrente nach den betrieblichen Bestimmungen richtet, d.h. nach § 6 ABVW. Ebenso unstreitig wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2015 um 2,0972% angehoben.
Die nur um 0,5% erhöhte betriebliche Rente führt zu einer monatlichen Differenz in Höhe von € 16,71 brutto, ausgehend von einer Erhöhung der Versorgungsbezüge um 2,0972%.
Die Anpassungsverpflichtungen gem. § 6 Ziff. 1 der ABVW wurden – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht gem. § 6 Ziff. 3 der ABVW durch den Beschluss der Beklagten vom 26. August/09. Oktober 2015 ersetzt, da dieser Beschluss unwirksam ist.
Die Unwirksamkeit des vorgenannten Beschlusses folgt daraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW nicht erfüllt waren.
Nach § 6 Ziff. 1 ABVW werden die Gesamtversorgungsbezüge jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst und zwar gemäß Ziff. 2 zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
Nach § 6 Ziff. 3 ABVW darf die Beklagte für den Fall, dass der Vorstand die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 ABVW für nicht vertretbar hält, vorschlagen und sodann gemeinsam mit dem Aufsichtsrat beschließen, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
§ 6 Ziff. 1 ABVW beinhaltet eine Anpassungsautomatik als Grundsatz, ohne dass eine Entscheidung der Beklagten getroffen werden muss. Der Wortlaut der Bestimmung ist an dieser Stelle eindeutig. Sprachlich wird eine direkte Verbindung zur gesetzlichen Regelung in § 49 AVG bzw. dessen Nachfolgeregelung in §§ 65, 68 SGB VI gezogen, und es wird ein Grundsatz formuliert, wie die Gesamtversorgungsbezüge in der Zukunft angepasst werden sollen, ohne dass dem eine Entscheidung auf Seiten der Arbeitgeberin vorangehen muss. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel mit § 6 Ziff. 3, S. 2 ABVW: hiernach „ersetzt“ der Beschluss die Anpassung nach § 6 Ziff. 1. Ersetzt werden kann aber nur etwas Bestehendes bzw. Feststehendes.
§ 6 Ziff. 3 ABVW regelt sodann unter bestimmten Voraussetzungen einen Anpassungsvorbehalt zugunsten der Beklagten. Dabei darf sie auf der Tatbestandsebene entscheiden, ob die Anpassung nach § 6 Ziff. 1 ABVW nicht vertretbar ist, sowie zum anderen auf der Rechtsfolgenebene vorschlagen und beschließen, was stattdessen geschehen soll.
Diese Regelungen sind wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt.
Die Formulierung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW „für nicht vertretbar hält“ ist hinreichend bestimmt, was die Auslegung dieser Regelung ergibt.
Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt. Ist eine Ausnahmeregelung gegeben, so ist eine solche grundsätzlich nicht extensiv, sondern eng auszulegen.
Richtig ist, dass auch Betriebspartner bei Aufstellen ihrer normativen Regelungen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot unterliegen. Allerdings dürfen auch die Betriebspartner unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe können die Betriebspartner eine Auslegung und Anwendung der Betriebsvereinbarung auf der Basis geänderter tatsächlicher Verhältnisse ermöglichen, wenn dies aufgrund der Besonderheiten des Regelungsgegenstandes erforderlich ist.
Die Formulierung „nicht für vertretbar halten“ stellt einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Dieser Rechtsbegriff ist aber auslegungsfähig. Unter Beachtung der vorgenannten Auslegungsgrundsätze ergibt sich vorliegend, dass die in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW auf der Tatbestandsebene gegebene Formulierung „für nicht vertretbar hält“ im Wege der Auslegung einen hinreichend bestimmten Inhalt erhält. Sie ist dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitgeberin von der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW nur dann Gebrauch machen darf, wenn sie eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die auf Arbeitgeberseite wirtschaftlich veränderte, finanziell belastende Verhältnisse einzubeziehen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat. Dabei muss sie den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes wahren. Im Ergebnis haben ihre Interessen die der Betriebsrentner zu überwiegen.
Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung, von dem Anpassungsgrundsatz abweichen zu wollen, eine Interessenabwägung vorzunehmen hat. Der Begriff „für nicht vertretbar hält“ ist gleichbedeutend mit „nicht verantworten“ können. Wird etwas als nicht zu verantworten eingeschätzt, so setzt das einen Abwägungsvorgang, d.h. eine Interessenabwägung voraus und zwar vorliegend, ob im konkreten Einzelfall (hier für die Jahre 2015 und 2016) von § 6 Ziff. 1 ABVW abgewichen werden darf. Eine solche Interessenabwägung hat die in der Regel gegenläufigen Interessen der Betriebsrentner und die Interessen der Beklagten einzubeziehen.
Auf Arbeitgeberseite hat die Interessenabwägung auf wirtschaftliche, sprich finanzielle Gründe abzustellen, die im konkreten Einzelfall dazu führen, dass die Weitergabe der Anpassung nach § 6 Ziff. 1 ABVW aus Unternehmersicht nicht verantwortet werden kann. Das folgt zunächst aus dem Wortlaut der Überschrift von § 6 ABVW („Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse“): auf der Ebene der Betriebsrentner bedeutet dies die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch erhöhte gesetzliche Renten; auf der Ebene der Beklagten sind entsprechend ihre – veränderten – wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die der grundsätzlich vorgesehen Anpassung (§ 6 Ziff.1 ABVW) als rechtfertigender Sachgrund entgegen stehen müssen.
Systematisch fügt sich das ein in das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 6 Ziff. 1 zu § 6 Ziff. 3 ABVW und berücksichtigt den Umstand, dass Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sind. Der Grundsatz besagt, dass die Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten zu erfolgen hat. Seinerzeit, bei Abschluss der Betriebsvereinbarung, hatte sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin dazu entschieden, für die grundsätzlich vorgesehene Anpassung nach § 6 Ziff. 1 ABVW entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Dieser Bezug zu den finanziell zur Verfügung gestellten Mitteln und die Überschrift von § 6 ABVW sowie der Umstand, dass ein Abweichen von § 6 Ziff. 1 nur im Ausnahmefall – nach entsprechender Prüfung durch den Vorstand – erfolgen soll, verdeutlichen, dass jeweils im konkreten Einzelfall der vorgesehenen Gesamtversorgungssteigerung wirtschaftliche, sprich finanzielle Gründe gegeben sein müssen, um eine andere Entscheidung treffen zu dürfen. Aus dem Ausnahmecharakter von § 6 Ziff. 3 ABVW folgt zugleich, dass die Betriebsparteien als Normgeber der Arbeitgeberin nicht freie Hand bezüglich der Frage geben wollten, ob von § 6 Ziff. 1 ABVW abgewichen werden darf, sondern dass die Sichtweise eines vernünftigen Vorstands maßgeblich sein soll, der die grundsätzlich vorgesehene Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, die Interessen der Betriebsrentner und die eigene wirtschaftliche Interessenlage objektiv betrachtet und gegeneinander abwägt. Dabei müssen die wirtschaftlichen Gründe, auf die die Arbeitgeberin ihre Entscheidung, die grundsätzlich vorgesehene Erhöhung der Betriebsrenten bzw. der Gesamtversorgung nicht weiter geben zu wollen, stützt, nicht die Anforderungen von § 16 BetrAVG erfüllen. Denn es geht nicht um die gesetzlich vorgesehene Betriebsrentenanpassung. Der systematische Zusammenhang zwischen dem Grundsatz in § 6 Ziff. 1 und der Ausnahme in § 6 Ziff. 3 verdeutlicht aber eine Wechselbeziehung zwischen der in Ziff. 1 vorgesehenen Anpassung gemäß dem Steigerungssatz der gesetzlichen Renten, für den sich die Betriebsparteien entschieden haben, und der Finanzierbarkeit einer solchen Anpassung. Wenn diese Finanzierbarkeit, entgegen der insoweit bei Inkrafttreten des Betrieblichen Versorgungswerks zur Verfügung gestellten bzw. grundsätzlich versprochenen Finanzmittel, nicht für gegeben erachtet wird, darf eine andere Vorgehensweise beschlossen werden. Da es somit um die Frage der Finanzierbarkeit der Anpassung der Gesamtversorgung geht, müssen entsprechende finanzielle Gründe im Rahmen der Entscheidung nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW berücksichtigt und angeführt werden. Anderenfalls wäre die Regel-Ausnahme-Vorschrift in sich nicht schlüssig. Welches Ausmaß die finanziellen Gründe haben müssen, ist davon abhängig, wie weitgehend in den Anpassungsgrundsatz eingegriffen wird, d.h. in welchem Ausmaß die nach § 6 Ziff. 1 ABVW vorgesehene Anpassung nicht gewährt wird.
Auch der Zweck der Norm spricht dafür, einen Eingriff in den Anpassungsgrundsatz nur dann zuzulassen, wenn die Finanzierbarkeit der Rentensteigerung in Frage steht. Dabei folgt der Zweck der Norm aus dem Zusammenhang der Bestimmungen in § 6 Ziff. 1 und § 6 Ziff. 3 ABVW: grundsätzlich entsprach es dem Willen der Betriebsparteien, die Betriebsrenten im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen mit dem Ziel, die betrieblichen Renten einer Dynamisierung im Gleichlauf mit den gesetzlichen Rentensteigerungen zu unterwerfen, um so den Lebensstandard halten zu können und die Betriebsrenten vor einer Auszehrung zu schützen. Dabei wurde als sachgerechter Maßstab die Entscheidung des Gesetzgebers gesehen und akzeptiert, ob und in welchem Umfang die gesetzlichen Renten jährlich steigen. Soll dieses Ziel im Regelfall auch erreicht werden, so sind für eine Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrenten geringer (oder gar nicht) steigen zu lassen als die gesetzlichen Renten, höhere Anforderungen zu stellen als allein das Vorliegen eines willkürfreien, sachlichen, nachvollziehbaren Grundes. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Betriebsrentner ihre Gegenleistung für die zugesagten Betriebsrenten bereits erbracht haben und dass die Betriebsrenten insbesondere ab dem Zeitpunkt des Versorgungsfalls einen besonderen Schutz genießen, weil die Betriebsrentner selbst nicht mehr für einen anderweitigen Ausgleich von Versorgungslücken sorgen können.
Schließlich kann im Hinblick auf die Anforderungen, die an den sachlichen Grund für eine Abweichung vom Anpassungsgrundsatz zu stellen sind, auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Eingriffen in Betriebsrentenansprüche zurückgegriffen werden (sog. Drei-Stufen-Modell). Zwar geht es vorliegend nicht um einen klassischen Eingriff in Versorgungsanwartschaften oder in Renten-Dynamiken. Ebenso geht es nicht um einen Eingriff in Anpassungsregelungen, da der Anpassungsvorbehalt von vornherein der Bestimmung in § 6 Ziff. 3 ABVW inne wohnte. Aber es geht um ein Abweichen der grundsätzlich zugesagten Erhöhung der Betriebsrenten bzw. der Gesamtversorgung gemäß der Steigerungsrate der gesetzlichen Renten (§ 6 Ziff. 1 ABVW). Das rechtfertigt es bei der Prüfung des die Entscheidung der Arbeitgeberin rechtfertigenden Grundes, jedenfalls die hinter der vorgenannten Rechtsprechung stehenden Grundsätze auch vorliegend zur Anwendung gelangen zu lassen, nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dabei erscheint es vorliegend allerdings nicht ausreichend, einen irgendwie nachvollziehbaren, willkürfreien, sachlichen Grund für das Abweichen vom Anpassungsgrundsatz genügen zu lassen. Zwar ist der Beklagten Recht darin zu geben, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dies für Eingriffe in Anpassungsregelungen dann genügen lässt, wenn ein geringfügiger Eingriff gegeben ist. Ebenso mag hier ein geringfügiger Eingriff vorliegen, weil die Kaufkraft der Renten durch den Ausgleich der Inflationsrate gewahrt blieb und die Rentner insoweit keinen Anlass gehabt hätten, anderweitig eine Versorgungslücke zu schließen. Allerdings ist zu beachten, dass es eben nicht um einen Eingriff in eine Anpassungsregelung geht, welchen die Normgeber – hier die Betriebsparteien – gemeinsam vorgenommen haben. Sondern es geht um ein von vornherein vorgesehenes einseitiges Recht der Arbeitgeberin, in den gemeinsam aufgestellten Anpassungsgrundsatz im Ausnahmefall eingreifen zu dürfen. Da in einem solchen Fall die Arbeitgeberin allein entscheiden darf und zudem eine Ausnahmebestimmung vorliegt, sind die Entscheidungsgrenzen eng zu ziehen, um den gemeinsamen Willen der Betriebsparteien, grundsätzlich sei die gesetzliche Rentensteigerung an die Betriebsrentner weiter zu geben, nicht leer laufen zu lassen. Das spricht dafür, nicht jeden willkürfreien, sachlichen Grund genügen zu lassen, sondern die Ausnahme auf wirtschaftliche Gründe zu beschränken, d.h. vorliegend finanzielle Gründe von der Beklagten zu fordern, die den Eingriff in den Anpassungsgrundsatz rechtfertigen müssen.
Soweit die Beklagte eingewendet hat, die Forderung nach wirtschaftlichen Gründen auf ihrer Seite habe keinen Niederschlag im Wortlaut der Norm gefunden, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist dieses Ergebnis die Folge der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, den die Betriebsparteien verwendet haben. Insoweit kann das Fordern wirtschaftlicher Gründe in die Formulierung „nicht für vertretbar halten“ aus den angeführten Gründen hineingelesen werden. Zum anderen findet diese Anforderung ihren Niederschlag in der Überschrift von § 6 ABVW.
Insgesamt führen die vorstehenden Erwägungen demnach zu dem Ergebnis, dass der Begriff „nicht für vertretbar hält“ auslegungsfähig ist und der Regelung so ein hinreichend bestimmter Inhalt zugeführt werden kann: Es hat eine Interessenabwägung zu erfolgen, die auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen hat, den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts beachten muss und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes zu wahren hat. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite finanzielle Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird. Dieses Auslegungsergebnis führt zu einer pragmatischen, handhabbaren und interessengerechten Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt aber nicht jedweder willkürfreier, sachlich nachvollziehbarer Grund.
Auf der Rechtsfolgenebene von § 6 Ziff. 3 ABVW, wonach der Vorstand vorschlagen (und mit dem Aufsichtsrat entscheiden) darf, „was geschehen soll“, erscheint die Frage nach hinreichender Bestimmtheit weniger kritisch, da hier mangels genannter Kriterien die gesetzliche Regelung von § 315 BGB eingreift: d.h. die Beklagte hat ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und darf nach billigem Ermessen entscheiden, in welcher Höhe die Anpassung erfolgen soll.
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat.
Auf der Rechtsfolgenebene ist vorliegend zusätzlich zu beachten, dass § 6 Ziff. 3 ABVW eine mitbestimmte Regelung ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Insoweit hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Rahmen von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW die gemeinsam aufgestellten Verteilungsgrundsätze zu beachten. Verstößt sie hiergegen, erweist sich die Entscheidung wegen Verstoßes gegen die Betriebsvereinbarung unabhängig von der Frage, ob billiges Ermessen gewahrt wurde, als unwirksam.
Das Mitbestimmungsrecht des (Gesamt-)Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hat sich der Arbeitgeber verpflichtet, selbst Versorgungsleistungen zu erbringen, so ergibt sich das Recht des Betriebsrats, bei der Regelung von Fragen der betrieblichen Altersversorgung mitzubestimmen, aus 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wobei sich diese Mitbestimmung auf die konkrete Ausgestaltung der Leistungsordnung bezieht. Die Mitbestimmung soll der Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Entgeltgefüges und der Wahrung der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit dienen. Die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er überhaupt eine betriebliche Altersversorgung gewährt und welche Mittel er dafür zur Verfügung stellt, ist mitbestimmungsfrei. Mitbestimmungspflichtig sind aber alle Regeln, mit denen die zur Verfügung stehenden Mittel auf die Begünstigten verteilt werden. Dies gilt auch für die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen. Diesem Mitbestimmungsrecht ist mit der Betriebsvereinbarung „ABVW“ zwar hinreichend Genüge getan worden. Dabei ist in § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW der Beklagten in Form eines Anpassungsvorbehalts i.V.m. § 315 BGB ein Entscheidungsspielraum eingeräumt worden, was grundsätzlich zulässig ist. Dieser ist allerdings dahingehend auszulegen, dass die Beklagte – unter Wahrung von § 315 Abs. 1 BGB – nicht völlig frei entscheiden kann, was im Fall des Gebrauchmachens von dem Anpassungsvorbehalt geschehen soll. Vielmehr ist sie im Hinblick auf ihre Ermessenentscheidung an die Grundsätze und den Rahmen des gemeinsam aufgestellten Versorgungssystems gebunden. In diesem Rahmen hat sich ihre Ermessensentscheidung zu bewegen, und die mitbestimmten Verteilungsgrundsätze sind einzuhalten. Nur ein solches Verständnis von § 6 Ziff. 3, 2. Hs. führt zu dem Ergebnis, dass der Gesamtbetriebsrat wirksam von seinem Mitbestimmungsrecht Gebraucht gemacht und hierauf nicht unzulässiger Weise verzichtet hat.
Wollte man § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW dahingehend verstehen, dass die Beklagte auf Rechtsfolgenseite generell freie Hand und die mitbestimmten Verteilungsgrundsätze nicht zu beachten hätte, so wäre von einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auszugehen. Dann nämlich könnte die Beklagte – vorausgesetzt, die Voraussetzungen von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW sind erfüllt – über die Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel ohne Beachtung der mitbestimmten Verteilungsgrundsätze entscheiden und hiervon abweichen. Das hätte zum Ergebnis, dass der Gesamtbetriebsrat in § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW bei Aufstellen der Verteilungsgrundsätze in unzulässiger Weise auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorab verzichtet hätte. Bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung (hier § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW) ist jedoch zu beachten, dass sich die Betriebspartner grundsätzlich gesetzeskonform verhalten und die Mitbestimmungsrechte achten und wahren wollen. Insofern ist § 6 Ziff. 3, 2. Hs. ABVW so zu interpretieren, dass die Beklagte zwar ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugewiesen bekommen hat. Allerdings ist dieses Leistungsbestimmungsrecht einschränkend dahingehend auszulegen, dass sich die Entscheidung der Arbeitgeberin in dem gemeinsam aufgestellten System der Betriebsvereinbarung zum BVW bewegen und die dortigen Verteilungsgrundsätze einhalten muss.
Hält sich die Beklagte nicht hieran, so verstößt sie gegen die Regelungen der Betriebsvereinbarung mit der Folge, dass eine solche Entscheidung unbeachtlich ist, da Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten (§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG). Dabei geht es – wie bereits dargelegt – nicht um die Frage, ob billiges Ermessen (§ 315 BGB) gewahrt wurde, sondern um die Frage, ob die konkrete Entscheidung der Arbeitgeberin an sich wirksam ist oder nicht. Letzteres ist der Fall, wenn sie die in den ABVW vorgegebene Entscheidungskompetenz überschritten hat.
Ausgehend von diesem Verständnis von § 6 Ziff. 3, 1. und 2. Hs. ABVW zeigt sich, dass die Beklagte aus den von ihr angeführten Gründen nicht von dem Anpassungsgrundsatz in § 6 Ziff. 1 ABVW nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW abweichen durfte, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Ob die Beklagte mit ihrer Entscheidung, im Jahr 2015 nur die Pensionsergänzungsrente um 0,5% zu erhöhen und nicht die Gesamtversorgung gleichmäßig anzuheben, die ihr von der Betriebsvereinbarung zugewiesene Entscheidungskompetenz überschritten hat und dies auch gegenüber der klagenden Partei zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt, kann dahinstehen. Denn der Beschluss der Beklagten aus 2015 ist jedenfalls deshalb – auch gegenüber der klagenden Partei – unwirksam, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Im Einzelnen:
Die Beklagte durfte vorliegend nicht von der Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 3 ABVW Gebrauch machen, was zur Unwirksamkeit ihrer Entscheidung vom 26. August/9. Oktober 2015 führt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die von § 6 Ziff. 1 ABVW abweichende Entscheidung nach § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW waren nicht erfüllt. Es fehlte insoweit an einem hinreichenden sachlichen Grund.
Wie dargestellt, hat im Hinblick auf die Frage, ob von der Grundregelung in § 6 Ziff. 1 ABVW abgewichen werden darf, eine Interessenabwägung zu erfolgen. Diese hat auf wirtschaftlich veränderte Verhältnisse abzustellen und sich auf entsprechende sachliche Gründe zu stützen, den Ausnahmecharakter des Anpassungsvorbehalts zu beachten und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sowie des Vertrauensschutzes zu wahren. Das Gewicht des sachlichen Grundes, der auf Beklagtenseite finanzielle Aspekte zu beinhalten hat, hängt davon ab, wie stark im konkreten Fall in die nach § 6 Ziff. 1 ABVW grundsätzlich vorgesehene Steigerung eingegriffen wird.
Legt man dies zugrunde, so zeigt sich, dass die Entscheidung der Beklagten, nur die Pensionsergänzungsrenten und diese jeweils nur um 0,5% zu erhöhen, unwirksam ist, weil kein hinreichender sachlicher Grund für diese von § 6 Ziff. 1 ABVW abweichenden Anpassungsentscheidungen (zuungunsten der klagenden Partei) vorlag.
Mit der Entscheidung, nicht die Gesamtversorgung, sondern nur die Pensionsergänzungsrenten um lediglich 0,5% zu erhöhen, hat die Beklagte in 2015 deutlich weniger als die nach § 6 Ziff. 1 ABVW vorgesehenen Erhöhung weiter gegeben. Beachtet man allerdings, dass aufgrund des Inflationsausgleichs jedenfalls die Kaufkraft gewahrt wurde, mag sich der Eingriff relativieren.
Dennoch rechtfertigen die von der Beklagten angeführten Gründe die Entscheidung für das Jahr 2015 nicht. Die Beklagte führt für ihre unternehmerische Entscheidung letztlich das sog. S.-Konzept an, das sie aufgrund der Marktbedingungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen beschlossen hatte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Gewinne zu sichern bzw. steigern und ihr Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Insoweit hat sich die Beklagte zwar auf wirtschaftliche Aspekte berufen, allerdings nicht auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit. Sie hat ihre Entscheidung auf ein Reorganisations- und Umstrukturierungsprogramm des Gesamtkonzerns zur Gewinnstabilisierung bzw. -steigerung und Stärkung ihrer Marktposition gestützt. Das genügte aber nicht. Wie dargelegt, müssen bei Nichtweitergabe der grundsätzlich in § 6 Ziff. 1 ABVW vorgesehenen Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge auf Beklagtenseite zur Rechtfertigung dieser Entscheidung finanzielle Gründe vorliegen. Der Wunsch nach Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, nach Stärkung der Marktposition und zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns bzw. Unternehmens der Beklagten reichte zur Rechtfertigung nicht aus, auch wenn insoweit eine willkürfreie Entscheidung gegeben ist, die aus unternehmerischer Sicht sachlich nachvollziehbar ist. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Beklagten ist vorliegend aufgrund der Bindung an die Betriebsvereinbarungen zum Betrieblichen Versorgungswerk eingeschränkt. Wie gezeigt, darf von § 6 Ziff. 1 ABVW nur abgewichen werden, wenn die grundsätzlich vorgesehene und zugesagte Erhöhung der Gesamtversorgung wirtschaftlich für das Unternehmen nicht vertretbar ist. Ein „Nicht-Können“ legt die Beklagte aber nicht dar. Ein „Nicht-Wollen“ ist nicht genügend. Ebenso genügen wirtschaftlich motivierte Gründe, die durch ein selbst gestaltetes Umstrukturierungs- und Reorganisationsprogramm geschaffen werden, nicht, um den Eingriff in den Anpassungsgrundsatz zu rechtfertigen. Eine solche Entscheidung entspricht nicht der Grundentscheidung der Betriebspartner, die Gesamtversorgungsbezüge im Gleichlauf mit den gesetzlichen Renten zu erhöhen.
Soweit es um die von der Beklagten vorzunehmende Interessenabwägung geht, sind zudem folgende Aspekte zu beachten:
Die aktiven Mitarbeiter hatten keine finanziellen Nachteile bzw. Einschnitte hinzunehmen (mit Ausnahme der außertariflichen Mitarbeiter, die allerdings erst im Jahr 2016 eine Nullrunde hinzunehmen hatten). Es wurden auch keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen noch sind solche konkret geplant. Die Mitarbeiter mögen ihren Beitrag auf andere Art und Weise leisten, z.B. durch Einschränkungen aufgrund von Standortverlagerungen, Einschnitten bei Fortbildungs- und Reisekosten sowie bei Spesenregelungen, etc. Ein vergleichbarer Beitrag ist den Betriebsrentnern jedoch nicht mehr möglich, führt im Umkehrschluss aber nicht dazu, dass sie dann finanzielle Einbußen hinzunehmen hätten. Des Weiteren hatte der A.-Konzern im Jahr 2015 so viel verdient, wie seit 8 Jahren nicht mehr, was eindeutig gegen wirtschaftlich notwendige Einsparungen durch Kürzungen bei der Anpassung der Gesamtversorgung spricht. Das Gleiche gilt für die Erhöhung der Dividenden im Jahr 2015.
Die übrigen angeführten Gründe, die letztlich zum S.-Konzept geführt haben, stellen ebenfalls keine ausreichenden Sachgründe im Sinne von § 6 Ziff. 3, 1. Hs. ABVW dar. Zum einen ist der Vortrag der Beklagten an dieser Stelle sehr allgemein gehalten, z.B. soweit es um Lebenserwartungen, niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen, vertriebliche Herausforderungen im Branchenumfeld, geringste Überschussbeteiligung in der Versicherungsbranche, etc. geht. Zum anderen sind konkrete Auswirkungen in finanzieller Hinsicht nicht dargelegt, d.h. wie diese Umstände die Beklagte wirtschaftlich belasten und dass und warum aus finanziellen Gründen daher die nach § 6 Ziff. 1 ABVW vorgesehene Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge nicht vertretbar ist. Zu erwartende Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind nicht dargestellt. Außerdem stützt die Beklagte ihre Entscheidung ausdrücklich nicht auf ihre aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern auf das schwierige Marktumfeld und die aus ihrer Sicht notwendige zukünftige Neuausrichtung des Konzerns bzw. ihres Unternehmens, wozu auch die Rentner ihren Beitrag leisten sollten. Soweit auf das hohe Versorgungsniveau der Mitarbeiter der ehemaligen B.-Unternehmen abgestellt wird, ist es zwar richtig, dass die Vereinheitlichung verschiedener in einem Unternehmen zur Anwendung kommenden Versorgungsordnungen ein Kriterium für die Veränderung solcher Versorgungsordnungen sein kann. Allerdings hat die Beklagte keine solche Anpassung vorgenommen, denn die Versorgungsordnungen an sich blieben unberührt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass jeweils eine konzernweite Entscheidung getroffen und dargestellt wurde unabhängig von den (wirtschaftlichen) Verhältnissen der einzelnen Unternehmen und damit auch unabhängig von der konkreten Lage der Beklagten. Eine Interessenabwägung hat aber grundsätzlich die konkrete Lage der Beteiligten zu berücksichtigen. Eine dementsprechende Abwägung hat offensichtlich nicht stattgefunden.
Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB. Der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge ist zum letzten Tag des Monats fällig. Mit Ablauf dieses Tages befand sich die Beklagte mit der Zahlung der monatlichen Differenz in Verzug.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Ausgehend von einem Streitwert in Höhe von € 986,04 (36 x € 27,39) sowohl in der ersten auch in der zweiten Instanz hat die klagende Partei jeweils mit 60% obsiegt (36 x € 16,71).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und der Vielzahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte zuzulassen.