Aktenzeichen S 8 SF 13/15 E
RVG § 8 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 33 Abs. 3, Abs. 7, § 55, § 56 Abs. 2
BGB §§ 194 ff.
VV § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1
Leitsatz
Die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist an keine Frist gebunden und selbst dann noch zulässig, wenn die festgesetzte Vergütung bereits ausgezahlt ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 10.03.2015 wird die Festsetzung der Prozesskostenhilfe vom 23.02.2015 aufgehoben.
II. Die Vergütung der Erinnerungsgegnerin wird endgültig auf 0,- € festgesetzt.
III. Die Erinnerungsgegnerin hat der Erinnerungsführerin die gezahlte Vergütung in Höhe von 690,20 € zurückzuerstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des Kostenstreits ist die Vergütung der Erinnerungsführerin in dem Hauptsacheverfahren S 13 AS 389/07.
In diesem Verfahren ist der vormaligen Klägerin J. F. mit Beschluss vom 03.03.2008 Frau Rechtsanwältin B., Erinnerungsgegnerin, beigeordnet worden.
Das o.g. Hauptsacheverfahren ist gemäß Niederschrift am 26.11.2008 vergleichsweise wie folgt beendet worden:
I. Die Beklagte bietet hinsichtlich der Ortsabwesenheit in den Monaten Februar und März 2007 eine vom Gericht so vorgeschlagene EVS basierte Nachzahlung in Höhe von 320,93 Euro an.
II.
Die Klägerin nimmt dieses Angebot in Absprache mit ihrer Prozessbevollmächtigten an und erklärt den Rechtsstreit S 13 AS 389/07 für erledigt. Darüber hinaus verzichtet die Klägerin auf weitere Rechtsmittel gegen die Widerspruchsbescheide vom 06.12.2007 mit den Az.: W 931/07 und W 946/07.
III.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die unter II. genannten Rechtsstreitigkeiten mit dieser Vereinbarung ihre vollständige Erledigung gefunden haben.
Mit Kostennote vom 16.02.2015 (B 90/07BR/sc D1) beantragte die Erinnerungsgegnerin die Vergütung für das oben genannte Verfahren mit einem Betrag in Höhe von 785,40 € festzusetzen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgericht Landshut hat mit Schreiben vom 23.02.2015 der Erinnerungsgegnerin mitgeteilt, die Verfahrensgebühr sei hier nicht, wie beantragt, nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250 € zu vergüten, sondern nach Nr. 3103 VV RVG nur in Höhe von 170 €; es würden daher insgesamt 690,20 € auf das in der Kostennote angegebene Konto überwiesen.
Mit Datum vom 23.02.2015 ist dieser Betrag zur Zahlung auf das Konto der Erinnerungsgegnerin angewiesen worden.
Mit der am 11.03.2015 erhobenen Erinnerung macht der Erinnerungsführer geltend, der am 17.02.2015 eingegangene Vergütungsantrag der Erinnerungsgegnerin sei verjährt:
Die Vergütung des Rechtsanwalts werde mit Beendigung des Rechtszuges fällig. Der Anspruch wegen Gebühren und Auslagen verjähre gem. § 195 BGB in 3 Jahren. Die Verjährung beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 BGB). Der Anspruch auf die PKH-Vergütung sei daher zum 01.01.2012 verjährt.
Die zu Unrecht gezahlte Vergütung sei zurückzuerstatten.
Mit Schreiben vom 19.03.2015 ist die Erinnerung der zuständigen Kostenkammer zur Entscheidung vorgelegt worden.
Mit Schriftsatz vom 02.04.2015 beantragt die Erinnerungsgegnerin,
die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 11.03.2015 zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung u. a. aus: Die Erinnerung hätte innerhalb von 14 Tagen „nach Entscheidung über die Auszahlung“ vom 23.02.2015 erhoben werden müssen. Die mit Schreiben vom 11.03.2015 eingelegte Erinnerung sei daher verfristet. Des Weiteren werde ihrerseits gegenüber der Rückerstattungsforderung die Aufrechnung gegen die Steuerschuld des Freistaates Bayern aus ihrem noch nicht bestandskräftigen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2012 erklärt.
Mit Schreiben vom 10.04.2015 verwies der Bezirksrevisor auf das Erinnerungsrecht der Staatskasse, das lediglich verwirkt sein könne, dies sei in Anbetracht der hier gegebenen Zeitläufe nicht der Fall. Mit Schreiben vom 09.03.2016 hat die Staatskasse unter Berücksichtigung der Einwände der Erinnerungsgegnerin im Schriftsatz vom 02.04.2015 zur Zulässigkeit der Verjährungseinrede wie folgt Stellung genommen:
„Durch den am 26.11.08 in der Klage mit dem Az. S 13 AS 389/07 geschlossenen Vergleich ohne Kostenregelung bestand gemäß § 195 SGG keinerlei Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten durch die Beklagte. Der einzige Anspruch des Erinnerungsgegners war der aus der bewilligten PKH, der aber mit Ablauf des 31.12.2011 um 24:00 Uhr verjährte. Warum diese Vergütung erst mit am 17.02.15 beim zuständigen SG Landshut eingegangenem Antrag vom 16.02.15, also über 3 Jahre nach Eintritt der Verjährung, geltend gemacht wurde, also keineswegs nur verhältnismäßig kurze Zeit nach Fristablauf, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere steht der verspätete Vergütungsantrag auch nicht im sachlichen Zusammenhang mit einem schwebenden Rechtsmittel in einem Parallelprozess, längerem Ruhen des Verfahrens oder Tod eines Anspruchsberechtigten.“
Im Übrigen – so der Erinnerungsführer unter Hinweis auf den Beschluss des BayVGH vom 19.08.99, Az.: 4 C 99.1971 – sei die Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren ausgeschlossen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Entgegen dem Vorbringen der Erinnerungsgegnerin war die Erinnerung des Erinnerungsführers weder verfristet noch verwirkt.
Die Einlegung der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 56 Abs. 2 RVG ist an keine Frist gebunden (vgl. OLG Naumburg RPfl. 2012, 156; Riedel/ Sußbauer/Schmahl RVG 9. Aufl. § 56 Rz. 5; Gerold/Schmidt/Müller-Raabe RVG, 21. Aufl. § 56 Rz. 7). Dies folgt schon daraus, dass § 56 Abs. 2 RVG für das Erinnerungsverfahren im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren nicht auf § 33 Abs. 3 RVG, sondern lediglich auf § 33 Abs. 7 RVG verweist. Damit hat der Gesetzgeber mit dem Justizkommunikationsgesetz vom 22.03.2005 klargestellt, dass eine Erinnerung nicht an eine Frist gebunden ist (vgl. OLG Brandenburg JurBüro 2010, 308, vgl. Hartmann KostG 43. Aufl. § 56 RVG Rz. 6). Vielmehr ist die Erinnerung selbst dann noch zulässig, wenn wie hier, die festgesetzte Vergütung bereits ausgezahlt ist (vgl. OLG Thüringen JurBüro 2006 366; Landesarbeitsgericht München vom 23.12.2013 – 1 Ta 246/12).
Selbst wenn im Übrigen von der Möglichkeit der Verwirkung der Erinnerung auszugehen wäre, ist diese hier nicht eingetreten. Denn es entspricht – soweit ersichtlich – allgemeiner Meinung, dass selbst in diesem Fall das Erinnerungsrecht der Staatskasse frühestens mit Ablauf des mit der Kostenfestsetzung folgenden Jahres erlischt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.11.2016 – Az.: L 15 SF 97/16 E; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.11.2015 – Az.: L 4 AS 427/15 B; Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 04.03.2014 – Az.: 1 Ta 416/12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.10.2012 – Az.: L 15 SF 131/11 B E; OLG Rostock JurBüro 2012, 197; OLG Brandenburg JurBüro 2010, 308; OLG Koblenz RPfl 1993, 290; Gerold/ Schmidt/Müller-Raabe a.a.O. § 55 Rn. 44).
Die Erinnerung des Bezirksrevisors ist noch vor Ablauf dieses Zeitraumes bei dem Sozialgericht Landshut eingegangen.
Die Festsetzung der Prozesskostenhilfe durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgte am 23.02.2015 und die Erinnerung des Erinnerungsführers ging am 11.03.2015 bei dem Sozialgericht Landshut ein.
Damit ist vorliegend Verwirkung hinsichtlich des in Rede stehenden Zeitlaufs nicht eingetreten. Eine ausnahmsweise kürzere Verwirkungsfrist ist in Anbetracht des hier vorliegenden Zeitraums unter keinem Gesichtspunkt gegeben.
Die Kammer schließt sich hierbei der Rechtsprechung der 4. Kammer des Sozialgerichts Landshut im Beschluss vom 09.12.2016, Az.: S 4 SF 15/14 E an.
Für die Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe in dem Rechtsstreit S 13 AS 389/07 hat die Erinnerungsgegnerin keinen Anspruch auf Vergütung. Der Vergütungsanspruch der Erinnerungsgegnerin gem. § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV), § 14 Abs. 1 RVG ist verjährt.
Die Verjährung des Vergütungsanspruchs richtet sich nach §§ 8 Abs. 1 RVG, 194 ff BGB.
Danach ist im vorliegenden Fall der Anspruch mit dem wirksamen Vergleich vom 26.11.2008 beendet worden. Die Verjährung beginnt somit gem. § 199 BGB am 31.12.2008. Der Anspruch ist damit gem. § 195 BGB nach 3 Jahren zum 01.01.2012 verjährt.
Die Einwendungen der Erinnerungsgegnerin im Schriftsatz vom 02.04.2015 sind aus Sicht der Kammer nicht überzeugend. Ein Ermessensfehlgebrauch der Einrede der Verjährung durch den Erinnerungsführer ist nach Überprüfung der hier vorliegenden Einzelumstände auch für die Kammer nicht nachvollziehbar gewesen; es wird daher im Übrigen auf die Ausführungen des Erinnerungsführers verwiesen. Dies gilt ebenfalls für die von der Erinnerungsgegnerin erklärte Aufrechnung gegenüber der Rückerstattungsforderung des Erinnerungsführers.
Die auf dem am 17.02.2015 eingegangenen Vergütungsantrag festgestellte und mit Datum vom 23.02.2015 an die Erinnerungsgegnerin ausgezahlte Vergütung ist an die Staatskasse zurückzuerstatten.
Diese Entscheidung ergeht im gebührenfreien Verfahren (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).