Aktenzeichen M 23 M 14.30269
AsylG AsylG § 80
Leitsatz
Auf den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse sind die Zahlungen anzurechnen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat. Lediglich – auch durch Beschluss – festgesetzte Beträge sind von dem Vergütungsanspruch zunächst nicht in Abzug zu bringen. (redaktioneller Leitsatz)
Dass zunächst keine Anrechnung der lediglich festgesetzten Beträge auf den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts erfolgt, schließt eine Anrechnung späterer Zahlungen nicht aus. Diese können zu Rückforderungsansprüchen führen. Insoweit besteht eine Meldepflicht des Bevollmächtigten über den Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung hinaus. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Auf die Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts hin wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 4. Februar 2014 abgeändert und die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende Vergütung aus der Landeskasse unter Berücksichtigung anzurechnender Beträge auf noch verbleibende 15,00 EUR festgesetzt.
II.
Kosten werden nicht erstattet. Für das Erinnerungsverfahren werden Gerichtsgebühren nicht erhoben.
Gründe
I.
Das Erinnerungsverfahren betrifft die Höhe der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts.
Im asylrechtlichen Ausgangsverfahren M 23 K … war ein Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. März 2011 streitgegenständlich, mit dem der Asylantrag des dortigen Klägers abgelehnt wurde (Ziff. 1 des Bescheids), festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziff. 2 des Bescheids) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG verneint wurden (Ziff. 3 des Bescheids). Des Weiteren wurde der damalige Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen Staat angedroht, in den der damalige Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziff. 4 des Bescheids). Im Rahmen der hiergegen erhobenen Klage wurde beantragt, den Bescheid des Bundesamts in Ziffern 2 bis 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei dem damaligen Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezüglich Afghanistans vorliegen. Des Weiteren wurde Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 18. Juli 2011 gewährte das Gericht dem damaligen Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete den bevollmächtigten Rechtsanwalt bei.
Durch Beschluss der Kammer vom 26. März 2013 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG a. F.).
In der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2013 beschränkte der Bevollmächtigte die Klage auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und nahm die Klage im Übrigen zurück.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2013 wurde das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde. Der Bescheid des Bundesamts vom 30. März 2011 wurde in Ziff. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege und die damalige Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Zudem wurde Ziff. 4 des Bescheids aufgehoben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden zu ¾ dem Kläger und zu ¼ der Beklagten auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Januar 2014 setzte die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München die dem Kläger von der Beklagten noch zu erstattenden Aufwendungen unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 3.000,00 EUR auf insgesamt 131,52 EUR fest (Ziff. 1) und sah insoweit eine Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor (Ziff. 2). Der Kostenausgleichsbetrag ergab sich durch Abzug des von dem Kläger an die Beklagte zu zahlenden Betrags von 15,00 EUR von dem von der Beklagten an den Kläger zu zahlenden Betrag von 146,52 EUR.
Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 beantragte der Bevollmächtigte die Festsetzung seiner Vergütung im Wege der Prozesskostenhilfe in Höhe von 454,56 EUR. Er legte dabei den Gegenstandswert von 3.000,00 EUR zugrunde und verringerte den hierdurch entstandenen Gesamtbetrag von brutto 586,08 EUR um den durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Januar 2014 festgesetzten Kostenausgleichsbetrag von 131,52 EUR.
Mit dem streitgegenständlichen Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 4. Februar 2014 setzte die Urkundsbeamtin die dem beigeordneten Bevollmächtigten gegenüber der Staatskasse zustehende gesetzliche Vergütung auf 439,56 EUR fest. Diesen Betrag hatte die Urkundsbeamtin dadurch errechnet, dass sie die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 586,08 EUR um einen Betrag in Höhe von 146,52 EUR kürzte, da dieser Betrag bereits im Rahmen des Kostenausgleichs gegen die Beklagte festgesetzt worden sei. Die Aufwendungen der Beklagten seien im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht erstattungsfähig.
Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2014, eingegangen bei Gericht am 10. Februar 2014, beantragte der beigeordnete Rechtsanwalt die Entscheidung des Gerichts mit dem Ziel, seine Prozesskostenvergütung auf 454,56 EUR festzusetzen. Der ihm zustehende Betrag auf Prozesskostenhilfe sei nur insoweit zu kürzen, als er bereits Zahlungen von der Staatskasse oder durch Dritte erhalten habe bzw. eine Erstattung bereits festgesetzt worden sei. Da nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Januar 2014 nur der Betrag von 131,52 EUR festgesetzt worden sei, sei auch nur dieser Betrag von seinen Kosten in Höhe von 586,08 EUR abzuziehen.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2014 erklärte die Urkundsbeamtin, dass dem Antrag nicht abgeholfen werde und legte den Vorgang dem Gericht zur Entscheidung vor.
Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 20. Mai 2016, dass an ihn zwischenzeitlich durch die Staatsoberkasse 439,56 Euro und durch die Bundeskasse 131,52 Euro zuzüglich Zinsen überwiesen worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte M 23 M … sowie auf die Gerichtsakte zum Ausgangsklageverfahren M 23 K … Bezug genommen.
II.
Die nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zulässige Erinnerung, über die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG der Einzelrichter zu entscheiden hat, hat in der Sache Erfolg.
Die Urkundsbeamtin hat zu Unrecht den Betrag von 15,00 EUR, den der Kläger der Beklagten gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss schuldet, von der dem beigeordneten Bevollmächtigten zustehenden Vergütung aus der Staatskasse in Abzug gebracht.
Gemäß § 45 Abs. 3 RVG hat der beigeordnete Bevollmächtigte einen Anspruch auf seine Vergütung aus der Landeskasse. Nach § 55 Abs. 1 RVG wird die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf Antrag des Bevollmächtigten von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Bevollmächtigte bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat, § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG.
Dem Bevollmächtigten steht unstrittig dem Grunde nach gemäß dem Beschluss vom 18. Juli 2011, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Bevollmächtigte beigeordnet wurde, eine Vergütung durch die Staatskasse in Höhe von 586,08 EUR zu. Hierbei war die Rechtsanwaltsvergütung bei einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auf Grundlage der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gebühren zu berechnen (vgl. VG …, B.v. 6.8.2014 – M 23 M …).
Während der Bevollmächtigte in seinem Antrag von diesem Betrag den durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Januar 2014 festgesetzten Erstattungsbetrag von 131,52 EUR abzog und damit einen Betrag von 454,56 EUR beantragte, berücksichtigte die Urkundsbeamtin zusätzlich auch den durch Kostenfestsetzungsbeschluss angesetzten Erstattungsbetrag der Beklagten gegen den Kläger von 15,00 EUR.
Nach § 58 Abs. 2 RVG – der im vorliegenden Verfahren einschlägig ist, da sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen – sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Sofern ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse in voller Höhe besteht, sind demnach erhaltene Vorschüsse und Zahlungen an den Rechtsanwalt auf diese gesamte Vergütung anzurechnen.
Gemäß dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erfolgt eine Anrechnung lediglich von erfolgten Zahlungen und nicht bereits von – auch durch Beschlüsse – festgesetzten Beträgen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 58 Rn. 37; Bayerisches Landessozialgericht, B.v. 3.7.2013 – L 15 SF 241/12 B – juris).
Im vorliegenden Fall hatte der Bevollmächtigte im Zeitpunkt der Antragstellung gemäß seiner Auskunft im Antrag noch keinerlei Zahlungen erhalten. Eine Anrechnung hätte daher zum damaligen Zeitpunkt nicht erfolgen dürfen.
Allerdings hat eine Anrechnung zu erfolgen, sobald der Bevollmächtigte Leistungen Dritter erhält. Dies gilt auch für spätere Zahlungen, die gegebenenfalls zu Rückforderungsansprüchen führen. Dementsprechend besteht auch die Meldepflicht des Bevollmächtigten über den Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung hinaus, vgl. § 55 Abs. 5 Satz 4 RVG (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 55 Rn. 22; § 58 Rn. 27; § 59 Rn. 78).
Gemäß schriftlicher Mitteilung des Bevollmächtigten gegenüber dem Gericht hat er zwischenzeitlich von der Bundeskasse als Beklagten einen Betrag von 131,52 EUR zuzüglich Zinsen sowie von der Staatsoberkasse einen Betrag von 439,56 Euro erhalten. Diese Beträge sind auf die dem Bevollmächtigten zustehende Vergütung im Sinne des § 58 Abs. 2 RVG anzurechnen.
Nach Anrechnung der erhaltenen Beträge von gesamt 571,08 Euro verbleibt somit von der im Kostenfestsetzungsbeschluss festgelegten Gesamtvergütung von 586,08 Euro ein Restbetrag von 15,00 Euro, welcher dem Bevollmächtigten im vorliegenden Verfahren entsprechend seinem Antrag zur Erinnerung als weitere Vergütung aus der Landeskasse zugesprochen wird.
Sollte der Bevollmächtigte darüber hinaus Zahlungen von seinem Mandanten erhalten, so sind auch diese gemäß § 55 Abs. 5 Satz 4 RVG anzuzeigen und im Rahmen des § 58 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen.
Das Verfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.