Arbeitsrecht

Erneute Berufung als Berufssoldaten wegen wiedererlangter Dienstfähigkeit

Aktenzeichen  M 21 K 15.4047

Datum:
25.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75 S. 2, § 102 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1, § 124, § 124a Abs. 4, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1
RDGEG RDGEG § 3, § 5
GKG GKG § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Für die Wiederverwendung als Berufssoldat nach § 51 Abs. 4 S. 2 SG kommt es nicht darauf an, ob die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit rechtmäßig gewesen ist, sondern ob der Soldat aktuell wieder dienstfähig ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Grundsätzlich sind nur Ärzte der Bundeswehr zur Feststellung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit berufen. Den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr kommt ein höherer Beweiswert zu als etwa haus- oder anderen fachärztlichen Gutachten. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters des Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage, deren Antrag in der mündlichen Verhandlung unproblematisch lediglich klargestellt worden ist (vgl. Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 91 Rn. 11 m.w.N.), ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage ist zulässig.
Die vorliegende Verpflichtungsklage ist als Untätigkeitsklage zulässig, weil über die Beschwerde des Klägers vom 14. Januar 2015 ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden (§ 75 Satz 1 VwGO) und die Klage nicht vor Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO erhoben worden ist.
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des BAPersBw vom 16. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm am 20. Januar 2014 beantragte erneute Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten.
Im Einzelnen:
Ist ein wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzter Berufssoldat wieder dienstfähig geworden, kann er nach § 51 Abs. 4 Satz 1 SG erneut in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen werden, wenn seit der Versetzung in den Ruhestand noch keine fünf Jahre vergangen sind und die allgemeine Altersgrenze noch nicht überschritten ist. § 51 Abs. 4 Satz 1 SG regelt die Konstellation der Reaktivierung des früheren, wieder dienstfähig gewordenen Berufssoldaten von Amts wegen gegen seinen Willen. Die Reaktivierung liegt in dieser – im Fall des Klägers nicht vorliegenden – Situation im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Dienststelle (vgl. zu all dem nur Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 51 Rn. 36 m.w.N.).
Beantragt der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Berufssoldat seine erneute Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten, ist diesem Antrag unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 4 Satz 1 SG stattzugeben, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 SG).
Ein Reaktivierungsanspruch des Klägers besteht nach § 51 Abs. 4 Satz 2 SG nicht, weil es an der tatbestandlichen Voraussetzung der wiedererlangten Dienstfähigkeit fehlt.
Der Kläger ist als Berufssoldat (rechtmäßig) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Das steht nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Oktober 2010 (M 21 K 10.373) rechtskräftig fest.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann dem Klagebegehren nicht entgegengehalten werden, dass derzeit seit der Versetzung des Klägers in den Ruhestand mehr als fünf Jahre vergangen sind. Zur Einhaltung der Fünfjahresfrist des § 51 Abs. 4 Satz 1 SG für die Reaktivierung des früheren Berufssoldaten auf dessen Antrag genügt die – wie hier erfolgte – rechtzeitige Stellung des Antrags (vgl. zu all dem Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 51 Rn. 36 m.w.N.).
Selbst wenn man für das Erfordernis der Einhaltung der allgemeinen Altersgrenze – der Reaktivierungsanspruch des Berufssoldaten kann nicht auf einen bestimmten Zeitraum, etwa bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenzen nach § 45 Abs. 2 SG, beschränkt werden (vgl. BVerwG, B.v. 22.9.2008 – 2 B 74/07 – juris Rn. 6) – auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellte, erfüllte es der Kläger, weil er aktuell 59 Jahre alt ist (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SG).
Jedoch ist der Kläger nicht wieder dienstfähig geworden. Deswegen kann seine Klage in der Sache keinen Erfolg haben.
Der rechtliche Schluss, den die Klägerbevollmächtigten aus dem nervenärztlichen Gutachten des Prof. Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 23. Dezember 2013 ziehen, trägt nicht. Die Ansicht, der Kläger habe einen Anspruch auf erneute Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten, da er nie hätte wegen Dienstunfähigkeit hätte entlassen werden dürfen, greift nicht durch, weil es – wie die Beklagte mit Recht hervorhebt – für die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Wiederverwendung nach § 51 Abs. 4 Satz 2 SG nicht darauf ankommt, ob die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit rechtmäßig gewesen ist – das steht hier zudem rechtskräftig fest – sondern darauf, ob der Kläger wieder dienstfähig geworden ist. Zu diesem hier maßgeblichen Aspekt der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit äußert sich das retrospektive nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. S. vom 23. Dezember 2013 jedoch nicht. Im Kern kritisiert dieses Gutachten nur, dass die in den ärztlichen Vorbefunden und Gutachten getroffenen diagnostischen Feststellungen in ihrer Gesamtheit und im Lichte der verpflichtenden, internationalen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV-R nicht nachvollziehbar seien. Daraus schließt Prof. Dr. S. lediglich, dass es beim Kläger an der Feststellung einer konkreten Gesundheitsstörung fehle.
Darüber hinaus sind grundsätzlich nur Ärzte der Bundeswehr zur Feststellung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit im Sinne des § 51 Abs. 4 SG berufen.
§ 51 Abs. 4 Satz 3 SG verweist zwar nicht auf § 44 Abs. 4 Satz 1 SG, wonach die Dienstunfähigkeit aufgrund des Gutachtens eines Arztes der Bundeswehr von Amts wegen oder auf Antrag festgestellt wird. Mit einer solchen Verweisung wäre klargestellt, dass nur Ärzte der Bundeswehr zur Feststellung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit berufen sind.
Die Wertung, dass grundsätzlich nur Ärzte der Bundeswehr zur Feststellung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit im Sinne des § 51 Abs. 4 SG berufen sind, ist jedoch der Verweisung des § 51 Abs. 4 Satz 3 SG auf § 44 Abs. 4 Sätze 3 und 4 SG zu entnehmen, weil sich der Berufssoldat danach grundsätzlich von Ärzten der Bundeswehr oder von hierzu bestimmten Ärzten untersuchen zu lassen hat und es das Gesetz der entscheidenden Stelle nur ausnahmsweise gestattet, auch andere Beweise zu erheben. Auch durch § 51 Abs. 4 Satz 3 SG kommt somit zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr aufgrund des bei diesen vorhandenen Sachverstands über die Feststellung der Dienst(un) fähigkeit eines Soldaten besonderes Gewicht beimisst. Den Ärzten der Bundeswehr kann grundsätzlich ein spezifischer Sachverstand unterstellt werden, der insbesondere auf der Kenntnis der Belange der Bundeswehr beruht. Daher muss es in erster Linie deren Beurteilung obliegen, ob und wann eine Gesundheitsstörung mit Krankheitswert die Dienstfähigkeit eines Soldaten derart beeinträchtigt, dass er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Für die Beurteilung der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit gilt nichts anderes. Den Gutachten der Ärzte der Bundeswehr kommt daher ein höherer Beweiswert zu als etwa haus- oder anderen fachärztlichen Gutachten (vgl. nur BayVGH, B.v. 2.4.2013 – 6 ZB 12.2141 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Der Kläger hat vor diesem Hintergrund keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die gutachterliche Stellungnahme des Beratenden Arztes des BAPersBw, auf die sich der Ausgangsbescheid des BAPersBw vom 16. Dezember 2014 bezieht, und die zum abschließenden Begutachtungsergebnis „nicht dienstfähig“ kommt, fehlerhaft sein könnte. Das nervenärztliche Gutachten des Prof. Dr. S. vom 23. Dezember 2013 hat die besagte gutachterliche Stellungnahme des Beratenden Arztes des BAPersBw schon allein vom Zeitablauf her noch gar nicht berücksichtigen können.
Weil auch im Übrigen insbesondere militärärztlicherseits kein greifbarer Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Kläger wieder dienstfähig geworden sein könnte, ist diese tatbestandliche Voraussetzung des § 51 Abs. 4 Satz 1 SG für eine erneute Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nicht erfüllt.
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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