Arbeitsrecht

Erstattung des Ausbildungsgeldes für Studium der Humanmedizin nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis

Aktenzeichen  M 21 K 14.1250

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 55 Abs. 4 Satz 1 SG a.F
SG § 56 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 SG a.F

 

Leitsatz

1. § 56 Abs. 4 SG aF verstößt weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG, noch gegen Art. 14 GG oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Sanitätsoffizier-Anwärter muss das ihm gewährte Ausbildungsgeld nach § 56 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SG aF erstatten, wenn er seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 S. 1 SG vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein für das Medizinstudium vom militärischen Dienst beurlaubter Sanitätsoffizier-Anwärter verursacht seine Entlassung durch das Nichtantreten zum Zweiten Staatsexamen grob fahrlässig, wenn er – ohne seine Betreuungseinheit zu informieren – sein Studium zum Zwecke der Promotion um ein Semester verlängert. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Durch den weitgehenden Umfang der Erstattungspflicht soll dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzenden Soldaten aus der Bundeswehr wirksam entgegengewirkt werden, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu sichern (ebenso NdsOVG BeckRS 2016, 46062). (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Leistungsbescheid des PersABw vom 24. Januar 2013 und der Widerspruchsbescheid des BAPersBw vom 5. März 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte kann von der Klägerin die Erstattung des ihr gewährten Ausbildungsgeldes in Höhe von … £ verlangen.
Gemäß § 97 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (kurz: SG) sind auf Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die – wie die Klägerin – vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften vom 19. Dezember 2000 (BGBl I S. 1815) (24. Dezember 2000) ein Studium oder eine Fachausbildung begonnen haben, § 49 Abs. 4 und § 56 Abs. 4 in der bisherigen Fassung anzuwenden. Ausgangs- und Widerspruchsbescheid sind deshalb nach § 56 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 SG in der bis 23. Dezember 2000 geltenden Fassung der Neubekanntmachung des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1737) – im Folgenden kurz: SG a.F. – zu beurteilen (vgl. BayVGH, U.v. 18.5.2010 – 15 B 08.3111 – juris Rn. 14).
Die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 56 Abs. 4 SG a.F. teilt die Kammer nicht. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß.
§ 56 Abs. 4 SG a.F. verstößt weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG, noch gegen Art. 14 GG oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Art. 33 Abs. 5 GG findet auf Soldatenverhältnisse keine Anwendung (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1971 – 2 BvL 10/69 – juris Rn. 38). Der Anspruch des Soldaten auf Dienstbezüge und Versorgung ist zwar in seinem Kernbestand durch Art. 14 GG ebenso geschützt wie der des Beamten durch Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfG, B.v. 30.3.1977 – 2 BvR 1039/75 u.a. – juris Rn. 83 m.w.N.). Bei den Kosten des Studiums oder der Fachausbildung und bei dem Ausbildungsgeld handelt es sich aber nicht um einen Besoldungsbestandteil im Sinne des § 1 Abs. 2 BBesG oder um besoldungsähnliche Leistungen, die vom Alimentationsprinzip erfasst sind. Das Ausbildungsgeld wird auf der Grundlage des § 30 Abs. 2 SG gezahlt und ist eine Art Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Es wird gewährt, um Sanitätsoffizier-Anwärtern ein Studium, zu dem sie beurlaubt werden, ohne finanzielle Eigenbelastung zu ermöglichen und um die Laufbahn der Sanitätsoffiziere im Interesse der Nachwuchsgewinnung attraktiv zu gestalten (vgl. nur OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 44; OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 80 f. m.w.N.).
Es ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass zum Zweck des Studiums beurlaubte Sanitätsoffizier-Anwärter die besagte Vollfinanzierung und keine Besoldung erhalten, wie es bei Soldaten der Fall ist, die an einer Hochschule der Bundeswehr ein anderes Fach als Medizin studieren. Die Lebenssachverhalte sind schon nicht wesentlich gleich: Sanitätsoffizier-Anwärter, die Ausbildungsgeld erhalten, sind zum Studium beurlaubt, während Soldaten, die an einer Hochschule der Bundeswehr ein anderes Fach als Medizin studieren, ihre Ausbildung im Laufe ihrer Dienstzeit und unter vollständiger Einbindung in die Befehls- und Strukturgewalt der Bundeswehr absolvieren (vgl. nur OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 50). Dieser Unterschied zwischen einem für sein Studium freigestellten Sanitätsoffizier-Anwärter und einem Soldaten, der während seiner Ausbildung Dienst tut, ist von solcher Art und solchem Gewicht, dass er gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls die in § 56 Abs. 4 Satz 2 SG a.F. vorgenommene Differenzierung rechtfertigt (vgl. nur OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 78 m.w.N.).
Ein Sanitätsoffizier-Anwärter muss das ihm gewährte Ausbildungsgeld nach § 56 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SG a.F. erstatten, wenn er seine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Die Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin erfüllt.
Die Bestandskraft des Entlassungsbescheids vom 14. Juni 2006 steht der Prüfung, ob die Klägerin ihre Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 SG a.F. grob fahrlässig verursacht hat, nicht entgegen. Die Klägerin ist wegen mangelnder Eignung entlassen worden. Darauf beschränkt sich die Tatbestandswirkung des Entlassungsbescheids. In diesem Bescheid ist lediglich als Element der Begründung und ohne rechtliche Bindungswirkung festgehalten worden, die eingetretenen Studienverzögerungen seien von der Klägerin zumindest grob fahrlässig verursacht worden, da sie eigenmächtig nicht zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung angetreten sei und die zweite Promotionsarbeit begonnen habe (vgl. BayVGH, U.v. 18.5.2010 – 15 B 08.3111 – juris Rn. 18).
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SG a.F. liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder wenn die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht angestellt werden. Dieser Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Ob Fahrlässigkeit als einfach oder grob zu bewerten ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung aller objektiven und subjek tiven Umstände im Einzelfall ab (vgl. BayVGH, U.v. 18.5.2010 – 15 B 08.3111 – juris Rn. 16).
Daran gemessen hat die Klägerin ihre Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 1 SG a.F. grob fahrlässig verursacht.
Wie im von der Klägerin unterzeichneten Aktenvermerk des PersABw vom 16. März 2006 über das Personalgespräch am 8. März 2006 dokumentiert, ist die Klägerin nach dem Sommersemester 2005 nicht zum Zweiten Staatsexamen angetreten. Dieses Verhalten hat ihre Entlassung verursacht. Die Klägerin hat zwar behauptet, im Februar 2005 ihrer Betreuungseinheit ihre Absicht mitgeteilt zu haben, den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erst im Frühjahr 2006 absolvieren zu wollen. Weder ihrer Betreuungseinheit, noch dem PersABw war jedoch ein Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zusatzsemesters vorgelegen. Obwohl seitens der personalführenden Stellen keine Reaktion – insbesondere nicht in Form einer Genehmigung – auf den Antrag der Klägerin erfolgt ist, ist sie ohne weitere Nachfrage zu ihrem Antrag nicht zum Zweiten Staatsexamen nach dem Sommersemester 2005 angetreten und hat stattdessen an ihrer zweiten Doktorarbeit gearbeitet. Dieses Verhalten hat das Bayerische Verwaltungsgericht München in seinem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom 16. März 2012 (M 21 K 10.1076) bereits mit überzeugender Begründung als grob fahrlässig bewertet. Dieser Begründung ist nur Folgendes hinzuzufügen. Durch ihr Verhalten hat die Klägerin erstens die insbesondere Nummer 3.3.3 Abs. 2 des Rahmenerlasses für die Einstellung, rechtliche Stellung, Ausbildung, Betreuung und Fürsorge der Sanitätsoffizier-Anwärter vom 3. August 1998 – InSan II 3- Az 3531/3202 – (kurz: Rahmenerlass 1998) zu entnehmende Pflicht, Studienverzögerungen zu vermeiden, schwerwiegend verletzt. Denn zum einen hatte sie sich beruflich auf Basis des ihr gewährten Ausbildungsgeldes allein mit dem zügigen Abschluss ihres Studiums zu befassen. Zum anderen ergibt sich klar aus Nummer
3.3.13 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenerlasses 1998, dass die Verlängerung der Beurlaubung zum Studium zum Zwecke der Promotion grundsätzlich – aber eben nicht ausnahmslos – nicht zulässig ist. Das Erfordernis einer Ausnahmegenehmigung für eine Beurlaubung zur Promotion war damit auf der Hand gelegen. Im erwähnten Personalgespräch am 8. März 2006 hat die Klägerin bestätigt, diesen Rahmenerlass 1998 zur Kenntnis genommen, allerdings im Rahmen der Antragstellung nicht mehr nachgelesen zu haben, welche Regelungen bezüglich einer Promotion gelten. Darin liegt eine zweite schwerwiegende Pflichtverletzung der Klägerin. Damit hat sie ihre Entlassung durch das Nichtantreten zum Zweiten Staatsexamen grob fahrlässig verursacht. Der Klägerin hat es als Sanitätsoffizier-Anwärterin, die zuvor insbesondere mehrere Anzeigeverfahren zum Zweck von Auslandsfamulaturen durchlaufen hatte (vgl. Nummer 3.3.12 des Rahmenerlasses 1998), und die später selbst einmal bei der Bundeswehr Vorgesetzte mit Personalverantwortung sein sollte, einleuchten müssen, dass sie unter den vorgenannten Umständen keinesfalls ohne weiteres ihrem Staatsexamenstermin nach dem Sommersemester 2005 fernbleiben darf.
Ferner hat es ihr – ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme – einleuchten müssen, dass dieses Fernbleiben von der Staatsprüfung zu ihrer Entlassung führen kann. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten hat die Klägerin nicht deswegen mit ihrem Verbleib im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit rechnen dürfen, weil Nummer 3.3.5 Abs. 1 Satz 2 des Rahmenerlasses 1998 bei Überschreiten der Mindeststudienzeit um mehr als zwei Semester grundsätzlich den Widerruf der Beurlaubung zum Studium sowie die Einleitung des Entlassungsverfahrens vorsieht. Diese Bestimmung ist nicht etwa als abschließende Sonderregelung für Sanktionen im Fall von Studienverzögerungen verstehen. Das folgt aus Nummer 3.1.11 des Rahmenerlasses 1998, auf dessen Absatz 2 Nummer 3.3.5 Abs. 1 Satz 2 des Rahmenerlasses 1998 verweist. Nummer 3.1.11 Abs. 1 des Rahmenerlasses 1998 hält in sachlicher Übereinstimmung mit § 55 Abs. 4 Satz 1 SG a.F. fest, dass ein Sa nitätsoffizier-Anwärter grundsätzlich aus der Bundeswehr entlassen wird, wenn sich während der Ausbildung herausstellt, dass er nicht zum Sanitätsoffizier geeignet ist. Dass die – aus welchen Gründen auch immer bestehende – Unfähigkeit, ein Studium ordnungsgemäß zu absolvieren, für einen Sanitätsoffizier-Anwärter das prognostische Urteil der Nichteignung im Sinne des § 55 Abs. 4 Satz 1 SG a.F. sowie der Nummer 3.1.11 Abs. 1 des Rahmenerlasses 1998 rechtfertigt, war auch für die Klägerin offensichtlich und durch die Rechtsprechung seit Langem anerkannt (vgl. Sohm in Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55 Rn. 37 m.w.N.).
Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin Ausbildungsgeld in Höhe von … £ bezahlt.
Dass die Beklagte für die Berechnung der Höhe des von der Klägerin auf der Grundlage von § 56 Abs. 4 Satz 2 SG a.F. zu erstattenden Ausbildungsgeldes auf die von ihr tatsächlich erbrachten Bruttobeträge abgestellt hat, ist nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückforderung überzahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge können diese grundsätzlich in Höhe des Bruttobetrags zurückgefordert werden, obwohl der Empfänger nur den um die Steuer verminderten Nettobetrag erhalten hat. Mit der Abführung der Lohnsteuer an das Finanzamt wird der Empfänger der Dienst- oder Versorgungsbezüge von einer eigenen Steuerschuld befreit und ist in diesem Umfang bereichert. Er ist vorrangig darauf zu verweisen, die Rückzahlung der überzahlten Bezüge im Kalenderjahr der Rückzahlung als negative Einkünfte steuerlich abzusetzen und auf diesem Weg einen steuerlichen Ausgleich für die bereits gezahlten Steuern zu erreichen. Erst wenn dies scheitert, kommt eine Reduktion des Rückzahlungsbetrags in Betracht (vgl. zu all dem OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 51 ff. m.w.N; OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 90).
Im Fall der Klägerin ist weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass ihr eine steuerliche Geltendmachung der Rückzahlung nicht möglich (gewesen) wäre und ihr durch die Rückforderung des Bruttostatt des Nettobetrages finanzielle Nachteile entstehen könnten. Das nur pauschale Behaupten solcher Nachteile genügt nicht (vgl. OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 57; OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 90).
Die angegriffenen Bescheide tragen auch der Härtefallregelung in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG a.F. in nicht zu beanstandender Weise Rechnung. Nach dieser Vorschrift kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde.
Da die Klägerin Humanmedizin an der Universität … als ziviler Ausbildungseinrichtung studiert hat, war ein Kostenvergleich nach Ziffer 3.3 der einschlägigen, nicht zu beanstandenden Bemessungsgrundsätze des Bundesministeriums der Verteidigung vom 17. Dezember 2012 – P II 1 – Az 1611/Bemessungsgrundsätze -(kurz: Bemessungsgrundsätze) in der Tat obsolet und daher nicht geeignet, die Annahme einer besonderen Härte zu begründen.
Mit Recht hat die Beklagte den Fall der Klägerin auch nicht der Fallgruppe der Entlassung aus Gewissensgründen (Ziffer 3.2 der Bemessungsgrundsätze) zugeordnet. Die Beklagte war – entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten – auch nicht etwa gehalten, im Hinblick auf den Gesetzeszweck des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG a.F. einen Teilverzicht auf die Erstattungsforderung auszusprechen.
Die Härteregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG dahin auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihres Studiums nur im Umfang des geld werten Vorteils erstatten müssen, der ihnen aus der genossenen Ausbildung für ihr weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben ist; Art. 4 Abs. 3 GG fordert, dass diese Reduzierung zu dem Betrag führt, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm in seinem weiteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 15 und 17).
Hieraus folgt aber nicht, dass Zweck der Erstattungspflicht nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ausschließlich der wirtschaftliche Ausgleich desjenigen Vorteils ist, den der Soldat durch die besondere Ausbildung erhalten hat. Vielmehr betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (nur) diejenigen Berufs- und Zeitsoldaten, die wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vorzeitig aus der Bundeswehr ausgeschieden sind. In jenen Fällen stellt die Zwangslage, in der sich ein Soldat befindet, der eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen hat und der wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassen worden ist, eine besondere Härte dar. Die wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassenen Soldaten haben deshalb die Kosten einer Fachausbildung nur insoweit zu erstatten, als ihnen ein Vorteil aus der Ausbildung verblieben ist (vgl. OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 107).
In den anderen Fällen der nicht wegen Kriegsdienstverweigerung anerkannten Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit aber dient die Erstattungspflicht nicht primär dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten, indem verhindert werden soll, dass ein Soldat die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihm das Studium oder die Fachausbildung vermittelt haben, unentgeltlich im zivilen Berufsleben verwertet. Die Regelungen über die Entlassung von Soldaten sowie über die Erstattungspflicht sollen vielmehr die Personalplanung und damit die Verteidigungsbereitschaft der Bundes wehr sicherstellen. Durch den unterschiedlich ausgestalteten Umfang der Erstattungspflicht soll dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzenden Soldaten aus der Bundeswehr wirksam entgegengewirkt werden, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu sichern. Die Kostenerstattungspflicht ist dabei lediglich ein Mittel, um dieses eigentliche, für die gesamte staatliche Gemeinschaft bedeutsame Ziel zu erreichen (vgl. OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 108 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte hier rechtmäßig von einem Teilverzicht auf die Erstattungsforderung abgesehen. Die Klägerin ist eben nicht wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vorzeitig aus der Bundeswehr ausgeschieden, sondern durch Bescheid des PersABw vom 14. Juni 2006 wegen mangelnder Eignung (bestandskräftig) aus der Bundeswehr entlassen worden. Daher kann sie für sich nicht die eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG a.F. begründende Zwangslage, in der sich ein Soldat befindet, der wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassen worden ist, in Anspruch nehmen. Wie das Bayerische Verwaltungsgericht München bereits in seinem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom 16. März 2012 (M 21 K 10.1076) entschieden hat, war die Erstattungspflicht, der sich die Klägerin nun gegenüber sieht, somit nicht dazu geeignet, sie von der Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abzuhalten. Zur Bewirkung ihrer Entlassung wegen der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (§§ 55 Abs. 1, 46 Abs. 2 Nr. 7 SG a.F.) hätte die Klägerin ihren beim VG … gegen die Ablehnung ihres Entlassungsantrags nach § 55 Abs. 3 SG a.F. angestrengten Rechtsstreit (3 K 1369/05) fortführen (vgl. insoweit auch OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 125 f. m.w.N.) und zugleich einen weiteren Rechtsstreit gegen ihre Entlassung wegen mangelnder Eignung durch Bescheid des PersABw vom 14. Juni 2006 führen müssen. Beides ist jedoch nicht geschehen, obwohl es der Klägerin jeweils möglich gewesen wäre. Schon deswegen kann sie nun auf der Ebene der Kostenerstattung – entgegen der sich wohl an den Rechtsgedanken der Folgenbeseitigung anlehnenden Ansicht der Klägerbevollmächtigten – nicht verlangen, so gestellt zu werden, als ob sie wegen einer Gewissensentscheidung entlassen worden wäre. Die Kostenerstattungspflicht ist somit vorliegend auch ein legitimes Mittel dazu, dem vorzeitigen Ausscheiden von besonders ausgebildeten und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzenden Soldaten aus der Bundeswehr wirksam zur Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr entgegen zu wirken.
Ausweislich Ziffer 2. des Tenors des angegriffenen Leistungsbescheids vom 24. Januar 2013 – die Gründe dieses Bescheids sind insoweit missverständlich – hat die Beklagte im Fall der Klägerin „unter Berücksichtigung ihrer dargelegten wirtschaftlichen Situation“ die Fallgruppe einer ernstlichen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz (Ziffer 3.5 der Bemessungsgrundsätze) angenommen. Das ist angesichts der Erklärung, welche die Klägerin dem PersABw mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2012 über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse hat vorlegen lassen, nicht zu beanstanden.
Rechtlich einwandfrei ist auch die der Klägerin daraufhin von der Beklagten gewährte befristete, verzinsliche Stundung.
Die Behörde ist berechtigt, bei Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine Stundung zu gewähren und Stundungszinsen zu erheben. Rechtliche Grundlage dafür ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG selbst. Diese Vorschrift erwähnt zwar nur den – vollen oder teilweisen – Verzicht auf die Forderung ausdrücklich. Hierdurch sind aber auch sonstige Maßnahmen, die einer durch die Erstattung ansonsten eintretenden besonderen Härte für den Schuldner entgegenwirken sollen, wie etwa Stundung oder Festsetzung von Raten, nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte bezüglich der Konkretisierung und näheren Ausge staltung der Härteregelung einen Ermessensspielraum. Dies schließt auch die Entscheidung mit ein, ob und in welcher Höhe sie für die Stundung bzw. die Bewilligung von Ratenzahlung Stundungszinsen fordert. Da infolge der aufgeschobenen Tilgung die Hauptforderung dem Haushalt der Beklagten nicht sofort zur Verfügung steht und hierdurch auch auf Seiten der Beklagten ein Zinsverlust eintritt, ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte dies über eine Verzinsung der gestundeten Beträge zumindest in gewissem Umfang auszugleichen sucht (vgl. OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 94 ff; OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 135 ff.).
Auch die von der Beklagten geltend gemachte Höhe der Stundungszinsen von vier Prozent ist nicht zu beanstanden (vgl. nur OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 -juris Rn. 100 ff; OVG NI, U.v. 26.4.2016 – 5 LB 156/15 – juris Rn. 139 ff; BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides erscheint eine Zinshöhe nicht ermessensfehlerhaft, die sich an einem seit vielen Jahren unbeanstandeten Wert orientiert, der im Übrigen einem Niveau entspricht, das selbst in der aktuellen Niedrigzinsphase durchaus etwa bei Konsumentenkrediten oder dem Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau üblich ist (vgl. nur OVG NW, U.v. 20.7.2016 – 1 A 2104/14 – juris Rn. 100 ff.).
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

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