Aktenzeichen M 21 K 16.2406
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, Art. 33 Abs. 5
Leitsatz
1. Ein Berufssoldat kann sich nicht auf das Alimentationsprinzip berufen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 56 Abs. 4 S. 3 SG ist im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG dahingehend auszulegen, dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten muss, der ihm aus dem genossenen Studium für sein weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar ist bei einem früheren Soldaten eine besondere Härte dann anzunehmen, wenn er einen Teil des Ausbildungsgeldes bereits “abgedient” hat, so dass der Rückforderungsbetrag insoweit zu reduzieren ist. Dies gilt aber nur dann, wenn der ehemalige Soldat nach Abschluss seiner Fachausbildung oder seines Studiums mit den erworbenen Kenntnissen dem Dienstherrn noch für einen Zeitraum uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO analog.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Der Bescheid des BAPersBw vom 4. Dezember 2014 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 21. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erstattung ist § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SG. Nach diesen Vorschriften muss ein Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt. Unter den gleichen Voraussetzungen muss ein früherer Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes das ihm als Sanitätsoffizier-Anwärter gewährte Ausbildungsgeld erstatten.
Es bestehen insbesondere keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlage.
Auf der Grundlage der bundesverfassungs- und bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt kein Verstoß des § 56 Abs. 4 SG gegen das Alimentationsprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG vor (BVerwG, B. v. 22.9.2016 – 2 B 25.15 – Buchholz 449 § 56 SG Nr. 5, m.w.N.). Auf einen solchen Verstoß kommt es vorliegend aber gar nicht an, da sich ein Berufssoldat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf das Alimentationsprinzip berufen kann. Das Alimentationsprinzip ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Allerdings gilt Art. 33 Abs. 5 GG nicht für das Soldatenverhältnis; diese Bestimmung enthält weder nach Entstehungsgeschichte noch nach Sinn und Zweck eine institutionelle Garantie des Berufssoldatentums. Vermögenswerte subjektiv öffentliche Rechte auf alimentationsähnliche Leistungen der Soldaten können sich auf verfassungsrechtlicher Ebene aber aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ergeben (BVerfG, U. v. 26.2.1954 – 1 BvR 371/52 – BVerfGE 3, 288; B. v. 7.5.1963 – 2 BvR 481/60 – BVerfGE 16, 94; B. v. 22.6.1971 – 2 BvL 10/69 – BVerfGE 31, 212; vgl. auch BVerwG, U. v. 10.10.2013 – 5 C 29.12 – BVerwGE 148, 116; U. v. 19.11.2015 – 2 C 48.13 – ZBR 2016, 261).
Es ist aber auch kein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG gegeben. Da das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit entsprechend der eingegangenen Verpflichtung andauern soll, kann der Dienstherr, der einem Zeitsoldaten im dienstlichen Interesse eine kostspielige Fachausbildung gewährt hat, grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm der Soldat die erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten bis zum Ende der Verpflichtungszeit zur Verfügung stellen wird. Wenn der Zeitsoldat aufgrund eigenen Entschlusses aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, stellen für ihn die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet hat. Diese Lage fordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber durch die Normierung eines Erstattungsanspruchs umgesetzt hat (BVerwG, U. v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – Buchholz 449 § 56 SG Nr. 3 Rn. 14; U. v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – Buchholz 449 § 56 SG Nr. 1 Rn. 14, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, B. v. 22.10.1975 – 2 BvL 51/71 und 10/14/73 – BVerfGE 39, 128). Gleiches gilt für die Rückforderung von Ausbildungsgeld. Wenn ein Anwärter zunächst diese „Vorleistungen“ des Dienstherrn in Anspruch nimmt und auch weiß, dass er zur Zurückzahlung des Ausbildungsgeldes verpflichtet ist, wenn er nach dem Studium dem Dienstherrn nicht oder nicht im vereinbarten Umfang zur Dienstleistung zur Verfügung steht, dann verstößt es nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG oder gegen andere Verfassungsbestimmungen, wenn der Dienstherr in einem solchen Fall das Ausbildungsgeld zurückfordert. Dementsprechend wurden in der Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts bislang keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Rückforderung von Ausbildungsgeld erhoben (vgl. zu alldem BVerwG, B. v. 22.9.2016 – 2 B 22.15 – Buchholz 310 § 133 (nF) VwGO Nr. 108, m.w.N.).
Es ist auch nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, dass die Dienstpflichten eines Sanitätsoffizier-Anwärters während des Studiums einen Alimentationsanspruch auslösen würden.
Eine Alimentationspflicht steht Pflichten des Empfängers der Alimentation nicht in einer Weise gegenüber, in der sich Leistung und Gegenleistung im entgeltlichen Arbeits- und Angestelltenvertrag gegenüberstehen (vgl. BVerfG, B. v. 30.3.1977- 2 BvR 1039/75, 2 BvR 1045/75 – BVerfGE 44, 249). Die Klägerin führt insoweit im Wesentlichen aus, dass der Sanitätsoffizier-Anwärter die Pflicht habe, an der zugewiesenen Hochschule zu studieren, einen Studienablaufplan vorzulegen, die Famulaturen an Einrichtungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr abzuleisten und Befehlen zu folgen. Ein Wechsel der Studienfachrichtung sei grundsätzlich nicht möglich, ein Studienortwechsel stehe unter Genehmigungsvorbehalt und der Dienstherr könne untersagen, Teile der Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Zudem unterstehe ein Sanitätsoffizier-Anwärter weiterhin der militärischen Verfügungsgewalt und könne jederzeit ohne Aufhebung der Beurlaubung oder nach deren Widerruf zu Dienstleistungen herangezogen werden. Schließlich müsse er einen einmonatigen Offizierlehrgang, Truppenpraktika und Sporttests absolvieren.
Für diese Dienstpflichten ist etwa nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster größtenteils schon nicht erkennbar, dass durch deren Erfüllung eine Leistung gerade dem Dienstherrn gegenüber erbracht würde. Die Erfüllung dieser Dienstpflichten ermöglicht es dem Dienstherrn vielmehr lediglich, den Verlauf des Studiums zu überprüfen und bei Bedarf steuernd einzugreifen. Damit sind sie Ausdruck des Umstands, dass die Sanitätsoffizier-Anwärter – insoweit einem Stipendium vergleichbar – eine Vollfinanzierung ihres Studiums aus öffentlichen Mitteln erhalten, nämlich vermittels des Ausbildungsgeldes (OVG Münster, U. v. 20.7.2016 – 1 A 795/14 – juris).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Soldaten auf Zeit in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes und einem früheren Soldaten auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, ebenfalls nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B. v. 22.9.2016 – a.a.O.) unterscheiden sich zum Studium außerhalb der Bundeswehr beurlaubte Sanitätsoffizier-Anwärter von innerhalb der Bundeswehr studierenden Soldaten hinsichtlich ihres Status und ihrer Dienstpflichten sowie hinsichtlich der ihnen gewährten Leistungen und der von ihnen verursachten Kosten. Es ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG möglicherweise sogar geboten, liegt aber in jedem Fall im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er einen Ausgleich für enttäuschte Erwartungen des Dienstherrn hinsichtlich der Dauer der einem Studium folgenden Dienstzeit über die Rückforderung des insoweit allein in Betracht kommenden Ausbildungsgeldes regelt (zu alldem BVerwG, B. v. 22.9.2016 – a.a.O.).
Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Soldatengesetz die anerkannten Kriegsdienstverweigerer, nicht aber die wegen Dienstunfähigkeit entlassenen (§ 55 Abs. 2 SG) aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Soldaten zur Erstattung von Ausbildungsgeld heranzieht. Zwischen den Personengruppen bestehen Unterschiede, die ein solches Gewicht haben, dass sie die unterschiedliche Rechtsfolge rechtfertigen. Das Ausscheiden der Soldaten, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, beruht auf der Initiative dieser Soldaten (vgl. § 2 Abs. 2 KDVNG); ihre Entlassung gilt gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbsatz 2 SG als Entlassung auf eigenen Antrag. Soldaten, die als anerkannte Kriegsdienstverweigerer aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschieden sind, werden außerdem eher eine Beschäftigung finden, in der sie die erworbenen Fachkenntnisse verwerten können. Demgegenüber sind die Soldaten, die dienstunfähig geworden sind oder ihre Rechtsstellung wegen gerichtlicher Verurteilung verloren haben, ohne einen darauf gerichteten Antrag aus dem Soldatenverhältnis ausgeschieden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie als gesundheitlich eingeschränkte eine der Fachausbildung entsprechende Beschäftigung finden und Gelegenheit haben, in ihrem weiteren Berufsleben die in der Fachausbildung erworbenen Fähigkeiten anzuwenden, ist weitaus geringer (zu alldem vgl. BVerwG, U. v. 30.3.2006 – a.a.O.).
Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SG sind vorliegend erfüllt. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbsatz 2 SG gilt eine Entlassung, die – wie vorliegend im Falle der Klägerin – auf einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beruht, als Entlassung auf eigenen Antrag. Die militärische Ausbildung war hier auch mit einem Studium verbunden, da die Klägerin entsprechend ihrer vorgesehenen Verwendung als Sanitätsoffizier zum Studium der Humanmedizin beurlaubt worden war. Der Klägerin wurde Ausbildungsgeld in Höhe von 141.422,34 € ausbezahlt. Damit besteht jedenfalls dem Grunde nach die Verpflichtung zur Erstattung des entstandenen Ausbildungsgeldes.
Nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Erstattungsverpflichtung, der sich – wie im vorliegenden Fall – ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassener Soldat gegenübersieht, eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG begründet, die den Dienstherrn nach dieser Vorschrift zu Ermessenerwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich des Ausbildungsgeldes zwingt. Einem Soldaten, der – wie die Klägerin – eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen hat, kann wegen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Rechtes der Kriegsdienstverweigerung in Art. 4 Abs. 3 GG nicht zugemutet werden, auf den für die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erforderlichen Antrag allein deshalb zu verzichten sowie weiterhin im Wehrverhältnis zu verbleiben und dabei seinem Gewissen zuwiderzuhandeln, um der andernfalls drohenden Erstattungsverpflichtung zu entgehen (vgl. nur BVerwG, U. v. 30.3.2006 – a.a.O.).
Bei der Entscheidung über die Frage, inwieweit auf den Erstattungsbetrag von maximal 141.422,34 € ganz oder teilweise zu verzichten ist, hat die Beklagte mit den von ihr vorgenommenen Erwägungen bezüglich des zurückgeforderten Betrages von 55.570,76 € auch ermessensfehlerfrei gehandelt.
§ 56 Abs. 4 Satz 3 GG ist im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG dahingehend auszulegen, dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten muss, der ihm aus dem genossenen Studium für sein weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben ist. Diese Reduzierung führt zu dem Betrag, den der Soldat dadurch erspart hat, dass die Beklagte den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten finanziert hat, die ihm im weiteren Berufsleben von Nutzen sind. Der Soldat muss also das Ausbildungsgeld (nur) in Höhe des durch das Studium erlangten Vorteils erstatten. Diese Beschränkung des zu erstattenden Ausbildungsgeldes auf den erlangten Vorteil stellt sicher, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung eines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abschreckt. Die Abschöpfung lediglich des durch das Studium erworbenen Vorteils führt nämlich zu keiner Einbuße an Vermögensgütern, über die der ehemalige Soldat unabhängig von dem Wehrdienstverhältnis verfügt. Der Vorteilsausgleich stellt nur die Situation wieder her, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestand, bevor der Soldat das Studium absolviert hat. Mehr soll und darf bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes nicht abgeschöpft werden. Der erlangte Vorteil besteht dabei in Höhe derjenigen Aufwendungen, die der Soldat dadurch erspart hat, dass er das Studium nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen (vgl. zu alldem BVerwG, U. v. 30.3.2006 – a.a.O.). Der Vorteil einer Ausbildung besteht dabei in der Ersparnis von Aufwendungen, nicht in der Aussicht auf künftige oder fiktive Einnahmen (BVerwG, U. v. 28.10.2015 – 2 C 40/13 – juris). Maßgeblich ist dabei eine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise. Die Bemessung des abzuschöpfenden Vermögensvorteils kann insofern auch nicht von hypothetischen Umständen abhängig gemacht werden, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (BVerwG, U. v. 28.10.2015 – a.a.O.).
Diesen Grundsätzen hat die Beklagte Rechnung getragen. Sie hat ihrer Forderung nicht das tatsächlich entstandene Ausbildungsgeld zu Grunde gelegt, sondern den Erstattungsbetrag in Ausübung des Ermessens im Rahmen des Vorteilsausgleichs pauschalierend unter Anwendung der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ (20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung, 2013, S. 254, abrufbar unter: http://www.studentenwerke.de/sites/default/files/01_20-SE-Hauptbericht.pdf) ermittelt. Rechtliche Bedenken gegen diese generalisierende und pauschalierende Ermittlung der ersparten Aufwendungen bestehen nicht (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 30.3.2006 – a.a.O). Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die Bestimmung der Höhe der Lebenshaltungskosten eines Studenten nicht auf den Höchstsatz der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz abgestellt hat. Zwar lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Umfang der während der notwendigen Dauer der Ausbildung ersparten Lebenshaltungskosten notfalls anhand vergleichender Betrachtung der Fördersätze ermitteln, die das Bundesausbildungsförderungsgesetz vorsieht (BVerwG, U. v. 30.3.2006 – a.a.O.). Die pauschalierende Annahme der monatlichen Aufwendungen für Lebensunterhalt, Studiengebühren und Lernmittel nach der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks erweist sich aber ebenfalls als angemessen. So ermittelt die aktuell vorliegende Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks einen durchschnittlichen Bedarf studentischer Lebenshaltung in Höhe von 739,00 € (nicht 738,00 €, wie die Beklagte fehlerhaft, aber zu Gunsten der Klägerin annimmt) für das Jahr 2006, 757,00 € für das Jahr 2009 sowie 794,00 € für das Jahr 2012. Dass diese Zahlen nicht sämtliche individuelle Lebenslagen der Studenten in der Bundesrepublik widerspiegeln, versteht sich dabei von selbst. Insbesondere die Ausgaben für Miete dürften regional stark voneinander abweichen. Darauf kommt es angesichts der im Rahmen der Ermessensausübung zulässigen generalisierenden und pauschalierenden Betrachtung jedoch nicht an.
Die Beklagte hat zu Recht Vermögensvorteile im Zusammenhang mit einem zivilen Studium wie einen Anspruch auf Kindergeld, Leistungen nach dem BAföG und einen Anspruch auf Unterhalt gegen die Eltern nicht berücksichtigt (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.2015 – 2 C 40/13 – unter Aufhebung von OVG Münster, U. v. 22.8.2013 – 1 S 2278/11 – juris). Diese Leistungen, die womöglich erbracht worden wären, wenn ein Soldatenverhältnis auf Zeit nicht bestanden hätte, hängen von Voraussetzungen ab, deren Vorliegen ungewiss ist. Die Klägerin wäre auch selbst ohnehin nicht Anspruchsinhaberin eines Kindergeldanspruchs gewesen, sondern ihre Eltern oder sonstige Kindergeldberechtigte. Es ist auch – trotz eines Abiturnotendurchschnitts von 1,2 nicht einmal gewiss, dass die Klägerin überhaupt einen Studienplatz für Medizin erhalten hätte. Die durch § 56 Abs. 4 Satz 1 SG statuierte Erstattungspflicht kann nicht von hypothetischen Umständen eines alternativen Lebens- oder Ausbildungsweges abhängig gemacht werden, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (zu alldem vgl. BVerwG, U. v. 12.4.2017 – 2 C 14.16 – juris, m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Erstattungsbetrag nicht deshalb zu reduzieren, weil sie nicht die von ihr gewünschte Spezialisierung im HNO-Bereich wählen konnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es alleine darauf an, ob das Studium der Humanmedizin für das weitere Berufsleben der Klägerin einen realen geldwerten Vorteil darstellt. Da die Klägerin mit dieser Ausbildung den Beruf der Ärztin ausüben kann, ist ihr ein realer und nachprüfbarer geldwerter Vorteil verblieben.
Die Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der von der Klägerin nach Abschluss ihres Studiums abgeleistete Dienst vom 19. November 2012 bis 28. Juni 2013 nicht im Rahmen der Härtefallregelung berücksichtigt worden ist.
Zwar ist bei einem früheren Soldaten eine besondere Härte dann anzunehmen, wenn er einen Teil des Ausbildungsgeldes bereits „abgedient“ hat, so dass der Rückforderungsbetrag insoweit zu reduzieren ist. Dies gilt aber nur dann, wenn der ehemalige Soldat nach Abschluss seiner Fachausbildung oder seines Studiums mit den erworbenen Kenntnissen dem Dienstherrn noch für einen Zeitraum uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat (VG Bayreuth, U. v. 9.5.2017 – B 5 K 16.240 – juris, m.w.N.). Die Auffassung, dass die bereits abgeleistete Dienstzeit in jedem Falle zu einer verhältnismäßigen Minderung des Erstattungsbetrages führen muss, findet schon im Wortlaut des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG oder im Sinn und Zweck der Vorschrift oder ihrer Entstehungsgeschichte keine Stütze (OVG NRW, U. v. 30.9.1999 – 12 A 1828/98 – juris, m.w.N.). Der Gesichtspunkt der Abdienzeit kann bei einem Kriegsdienstverweigerer nur insoweit eine Rolle spielen, als der dadurch veranlasste Abschlag von dem tatsächlichen Ausbildungsgeld zu einem noch niedrigeren Betrag führen würde als der vom Gedanken des Vorteilsausgleichs geprägte besondere Mindestansatz in Höhe der fiktiven Kosten einer gleichwertigen Ausbildung außerhalb der Bundeswehr. Diese Günstigerprüfung auf der Ebene des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG ist immer durchzuführen, wurde im vorliegenden Fall von der Beklagten aber in den angefochtenen Bescheiden zu Recht kommentarlos übergangen, weil angesichts des kurzen Zeitraums zwischen der Beendigung des Studiums und dem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis offensichtlich ist, dass die Vergleichsberechnung auf der Basis der Erstattung des tatsächlichen Ausbildungsgeldes unter Abzug der Abdienquote zu einem für die Klägerin weitaus ungünstigeren Ergebnis führen würde.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Billigem Ermessen entspräche es, die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin bei Fortsetzung des Verfahrens insoweit voraussichtlich obsiegt hätte. Da die Beklagte angesichts des ursprünglichen Klagegegenstandes aber nur zu einem geringen Teil unterlegen wäre, beruht die Kostenentscheidung insgesamt auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.