Aktenzeichen AN 1 K 15.01774
Leitsatz
Nach Art. 24 Abs. 4 BayRKG können für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststelle aus besonderem dienstlichen Anlass die notwendigen Fahrtkosten erstattet werden. Ein solcher besonderer Anlass liegt nicht vor, wenn der stellvertretende Leiter eines Kommissariats in dieser Eigenschaft alarmiert und tätig wird, weil der eigentlich zuständige Sachbearbeiter nicht erreichbar ist. Unerheblich ist, ob der Einsatz außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit anfällt oder plötzlich und unvorhersehbar ist. (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 1 K 15.01774
Im Namen des Volkes
Urteil
2. Februar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 1335
Hauptpunkte: Erstattung von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte, Besonderer dienstlicher Anlass (hier verneint)
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…
– Kläger –
bevollmächtigt: …
gegen
Freistaat Bayern
vertreten durch: Landesamt für Finanzen, …
– Beklagter –
wegen Beamtenrechts: Erstattung von Reisekosten
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Burgdorf den Richter am Verwaltungsgericht Opitsch den RichterBrandl-Michel und durch den ehrenamtlichen Richter … und die ehrenamtliche Richterin… aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. Februar 2016 am 2. Februar 2016 folgendes
Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am … 1960 geborene Kläger steht als Beamter (Kriminalhauptkommissar – BesGr. A 12) beim Polizeipräsidium … (Kriminalfachdezernat 3, Kommissariat 36) in … im Dienst des Beklagten. Er ist Sachbearbeiter im Kommissariat 36 und seit dem 1. November 2011 zugleich dessen stellvertretender Leiter.
Der Aufgabenbereich des Kommissariats 36 umfasst die Bereiche der klassischen regionalen EDV-Beweismittelsicherung und Auswertung (Auswertung von Computern, Festplatten, Netzwerken, Datenträgern), der mobilen Geräte (Auswertung von Mobiltelefonen, Smartphones, Tablets, Navigationsgeräte usw.) und der Medienauswertung (Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen). Jeder Mitarbeiter ist einem der Bereiche zugeordnet und arbeitet vorwiegend bis ausschließlich in diesem; im täglichen Dienstbetrieb kommt es vereinzelt zu Überschneidungen und Doppelzuständigkeiten. Der Kläger ist Mitarbeiter im Bereich der klassischen regionalen EDV-Beweismittelsicherung und Auswertung („RBA“), er ist aber auch in der Lage, einfach gelagerte Fälle aus den Bereichen der mobilen Geräte und der Medienauswertung zu bearbeiten. Im Kommissariat 36 ist kein Bereitschaftsdienst angeordnet (vgl. Schreiben des Leiters des Kriminalfachdezernats 3 vom 24.4.2015 und vom 17.8.2015).
Mit Formblatt vom 2. Februar 2015 beantragte der Kläger nachträglich die Genehmigung für eine am 1. Februar 2015 (Sonntag) in der Zeit von 3:30 Uhr (Reisebeginn) bis 8:30 Uhr (Reiseende) von seiner Wohnung zu seiner Dienststelle (…; Entfernung Hin- und Rückfahrt: 108 km) mit dem eigenen Kraftfahrzeug aus triftigen Gründen durchgeführte Reise als Dienstreise. Zweck der Reise sei die Sicherung von Daten aus Videoaufzeichnungen in einer U-Bahn-Station in … nach einem Tötungsdelikt gewesen; er sei hierfür angefordert worden.
Mit E-Mail vom 5. Februar 2015 ohne Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Antrag abgelehnt.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 23. März 2015 an das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – legte der Kläger gegen die Entscheidung vom 5. Februar 2015 Widerspruch ein:
Der Anspruch des Klägers folge aus Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 und Art. 24 Abs. 4 BayRKG (Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte aus besonderem dienstlichen Anlass).
Aus der Stellungnahme des Leiters des Kriminalfachdezernats 3 vom 24. April 2015 geht zusammengefasst folgendes hervor:
Im Falle einer Sofortauswertung außerhalb der Regelarbeitszeit rufe der Kriminaldauerdienst … den Leiter des Kommissariats 36 oder dessen Vertreter an und bitte, einen fachkundigen Mitarbeiter zu alarmieren und zum Einsatzort zu entsenden. Diese Verfahrensweise habe sich gut bewährt, weil der Kommissariatsleiter wisse, welcher seiner Mitarbeiter die jeweils notwendige Fachkompetenz habe und wer erreichbar (also nicht im Urlaub oder krank) sei.
Je nach Einzelfall führen die alarmierten Kräfte dann mit ihrem Kraftfahrzeug entweder direkt zum Einsatzort, meistens aber zunächst zur eigenen Dienststelle, um das notwendige Equipment aufzunehmen oder den Auftrag von dort aus zu erledigen. Nach erfolgter Unterstützungsleistung (i.d.R.: Übergabe der gesicherten Daten) fahre der Mitarbeiter nach Hause.
Die Arbeitszeitaufschreibung erfolge großzügig; als Dienstzeit zähle der Zeitpunkt der Alarmierung bis zur Rückkehr nach Hause. Derartige Alarmmeldungen seien über das Kommissariat 36 hinaus bei den kriminalpolizeilichen Dienststellen seit jeher üblich und allgemein akzeptiert. Wenngleich keine Statistiken vorlägen, könne gesagt werden, dass innerhalb der … Kripo Alarmierungsfälle mehrfach pro Monat zu verzeichnen seien. Allerdings sei kein Fall bekannt, bei dem die alarmierten Kräfte die Reisekostenerstattung für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle beantragt hätten. Reisekosten gingen zulasten des Budgets der Beschäftigungsdienststelle, im Falle des Klägers also zulasten des Budgets des Kriminalfachdezernats 3.
Die beantragte Reisekostenerstattung sei abzulehnen. Es gehöre zu den allgemeinen Dienstpflichten des Beamten, jederzeit den ordnungsgemäßen Dienstantritt bei seiner Dienststelle zu gewährleisten. Für dann notwendige Dienstreisen oder Einzelfahrten stünden Dienstfahrzeuge zur Verfügung. Es gehöre zu den Pflichten des Beamten, bei Bedarf auch bei außerplanmäßigen Ereignissen außerhalb der üblichen Bürozeiten zur Dienststelle zu kommen. Hierbei entstehende Überstunden würden üblicherweise in Freizeit vergütet, so dass sich dann beim Überstundenabbau auch die Fahrtaufwendungen wieder kompensierten. Die Sicherung und Auswertung von Videoaufzeichnungen gehöre zu den originären Aufgaben des Kommissariats 36, weswegen ein „besonderer Anlass“ verneint worden sei (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 24.5.2004, 23 L 1501/04).
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 6. Juli 2015 bat der Kläger, den Widerspruch vom 23. März 2015 in einen Antrag auf Gewährung von Reisekostenerstattung entsprechend Art. 24 BayRKG für die Fahrt vom 1. Februar 2015 vom Wohnort zum Dienstort umzudeuten.
Mit Bescheid des Landesamts für Finanzen – Bearbeitungsstelle … – Reisekostenabrechnung – vom 8. Juli 2015 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Reisekostenerstattung für die Dienstreise vom 1. Februar 2015 unter Verweis auf die Stellungnahme des Dienstvorgesetzten des Klägers vom 24. April 2015 mangels Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 24 Abs. 4 BayRKG ab.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 3. August 2015 legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 17. August 2015 nahm der Leiter des Kriminalfachdezernats 3 ergänzend im Wesentlichen wie folgt Stellung:
Der Kläger sei seit jeher Mitarbeiter im Bereich der „klassischen RBA“ und mit dieser Materie bestens vertraut. Aufgrund seiner langen Zugehörigkeit zum Kommissariat 36, seinem Engagement und seinem vielseitigen Interesse sei er auch in der Lage, einfach gelagerte Fälle aus dem Bereich der „mobilen Geräte“ und Datensicherungen aus dem Bereich „Medienauswertung“ erfolgreich zu bearbeiten. Während die beiden Auswertebereiche „klassische RBA“ und „mobile Geräte“ ein sehr spezialisiertes und tiefes Fachwissen erforderten (Informatikstudium bzw. umfangreiche mehrjährige innerdienstliche Aus- und Fortbildung) sei der Bereich „Medienauswertung“ insgesamt als nicht zu kompliziert und aufwändig zu bezeichnen. Er fordere allerdings durchaus technisches und fachliches Verständnis und intensive Einarbeitung. Eine erfolgreiche Sicherung könne aber u. U. auch mit relativ einfachen Maßnahmen erreicht werden. Für die Sicherung von Videoaufzeichnungen der VAG (z. B. U-Bahnhöfe) bestehe in den Räumen des Kommissariats 36 ein direkter EDV-Zugriff auf den Server der Betreibergesellschaft. Durch entsprechende Anwenderkenntnisse und mit Hilfe der vor Ort aufliegenden schriftlichen
Arbeitsanleitungen könnten relevante Sequenzen vor den meisten Mitarbeitern des Kommissariats 36 gesichert werden.
Der Kläger sei nicht nur Sachbearbeiter im Bereich der „klassischen RBA“ sondern seit dem
1. November 2011 zugleich stellvertretender Leiter des Kommissariats 36. In dieser Eigenschaft sei er am 1. Februar 2015 auch alarmiert worden. Die übliche Verfahrensweise bei der Alarmierung von Fachkräften ohne Bereitschaftsdienst bestehe darin, den Kommissariatsleiter oder seinen Vertreter anzurufen. Diese Führungskräfte hätten die Kenntnis, welcher ihrer Mitarbeiter für welche Aufgabe geeignet und wer aktuell erreichbar sei. Je nach Fallgestaltung werde dann ein entsprechender Fachmann alarmiert. Der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Führungskraft angerufen worden. Angesichts der konkreten Sachverhaltsschilderung habe er entschieden, diese Aufgabe selbst übernehmen zu können und sein Kommen zugesagt. Er habe darauf verzichtet, einen Mitarbeiter aus dem Bereich der „Medienauswertung“ zu verständigen. Diese Vorgehensweise sei durchaus üblich und nicht zu beanstanden. Aus dem Verhalten folge aber zwingend, dass der Kläger sich über die anstehende Aufgabe und sein erfolgreiches Handlungsvermögen im Klaren gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – vom 11. September 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Dienstreisende hätten grundsätzlich Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung dienstlich veranlasster Mehraufwendungen, wobei Art und Umfang ausschließlich das BayRKG bestimme (Art. 3 Abs. 1 BayRKG). Das BayRKG gehe davon aus, dass Aufwendungen für die Fahrt von der Wohnung zur Dienst- oder Arbeitsstätte grundsätzlich dem Beamten zur Last fielen und nicht vom Dienstherrn zu tragen seien, weil sie einen privaten Anlass hätten, der aus der Wahl der Wohnung resultiere. Gemäß Art. 24 Abs. 4 BayRKG könnten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte die entstandenen notwendigen Fahrtkosten nur dann erstattet werden, wenn die Fahrt aus besonderem dienstlichen Anlass erfolge.
Es handle sich hierbei um eine Koppelungsvorschrift insoweit, als es bei der Ausgestaltung der Regelungen der konkreten Ermessensausübung um die Gleichbehandlung von Fahrtkosten aus unterschiedlichen besonderen dienstlichen Anlässen heraus gehe. Zur Konkretisierung dieser Regelung habe das Bayerische Staatsministerium der Finanzen mit Bekanntmachung vom 10. Mai 2002 (FMBl. S. 235) in Gestalt der VV-BayRKG Verwaltungsvorschriften erlassen. Ein besonderer dienstlicher Anlass sei demnach dann anzunehmen, wenn Beamte Dienstaufgaben wahrnähmen, die nach Anlass und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgingen, den sie im Rahmen ihrer allgemeinen Dienstpflicht zu erfüllen hätten (vgl. Nr. 24.6 VV-BayRKG, Kommentar Uttlinger/Saller zu Art. 24 Abs. 4 BayRKG, Rz. 30).
Entscheidend sei hier, dass die Dienstaufgabe nicht nach Anlass über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgegangen sei. Die Sicherung und Auswertung von Videoaufzeichnungen sei eine der Aufgaben des Kommissariats 36. Zwar gebe es im Kommissariat 36 spezialisierte Mitarbeiter in drei Arbeitsbereichen (klassische RBA, mobile Geräte, Medienauswertung), allerdings komme es im täglichen Dienstbetrieb zu Überschneidungen und Doppelzuständigkeiten. Der Kläger sei nicht nur Sachbearbeiter im Bereich der „klassischen RBA“ sondern seit 2011 zugleich stellvertretender Leiter des Kommissariats 36 und somit mit der Sicherung von Videoaufzeichnungen vertraut.
Der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Führungskraft angerufen worden und habe darauf entschieden, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Er habe darauf verzichtet, einen Mitarbeiter aus dem Bereich der „Medienauswertung“ zu verständigen und sei sich somit über die anstehende Aufgabe und sein erfolgreiches Handlungsvermögen im Klaren gewesen. Die Fahrt zum Dienstort habe daher ihre Ursache gerade in der besonderen dienstlichen Aufgabenstellung des Beamten gehabt und sich zwangsläufig hieraus ergeben. Die Fahrt habe damit der regulären Erfüllung der allgemeinen dienstlichen Aufgaben gedient. Selbst wenn im Einzelfall noch spezialisierte Mitarbeiter vorhanden wären, rechtfertige dies aber ohnehin nicht die Annahme, dass dann zwangsläufig anlassbezogene Dienstaufgaben über die allgemeine Dienstpflicht hinaus wahrzunehmen seien.
Ergänzend werde auf die dienstlichen Stellungnahmen des Kriminalfachdezernats 3 vom 24. April 2015 sowie vom 17. August 2015 verwiesen, die ausdrücklich ebenfalls Bestandteil des Widerspruchsbescheids seien.
Da der Fahrt kein besonderer dienstlicher Anlass zugrunde gelegen habe, sei die Ablehnung der Reisekostenerstattung damit rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
Mit einem am 8. Oktober 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Oktober 2015 erhob der Kläger Klage.
Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen.
Der Auffassung des Beklagten könne nicht gefolgt werden.
Die allgemeinen Aufgaben des Kommissariats 36 bestünden aus den drei Kernbereichen Mobile Device (Mobiltelefone und Tablets), klassische RBA-Aufgaben (Auswertung von Computeranlagen bis mittlerer Datentechnik) und Videosicherung (öffentliche Wege und Plätze, VAG-Bereich und privater Bereich).
Für jeden dieser Kernbereiche seien speziell ausgebildete Beamte/Angestellte eingesetzt. Der Kläger selbst sei im Bereich „klassische RBA-Aufgaben“ tätig, d. h., er werde im PC-Bereich eingesetzt. Zwischen den drei Bereichen finde eine strikte Trennung statt. Dies ergebe sich beispielsweise daraus, dass in den einzelnen Tätigkeitsgebieten die Fort- und Weiterbildungseinheiten streng voneinander getrennt würden. Für die Sicherung von Videoaufnahmen seien im laufenden Dienstbetrieb vier namentlich benannte Beamte/Angestellte vorgesehen.
Am 1. Februar 2015 habe keiner der namentlich bestimmten Beamten/Angestellten zur Verfügung gestanden. Der Kläger habe daher den Einsatz übernommen, nachdem er vom Vorgesetzten in dieser Nacht angefordert worden sei. Er sei nach Nürnberg gefahren, um die Videosequenzen sichern. Erst nach mehreren Versuchen sei es ihm dies gelungen, da diese Tätigkeit nicht zu seinem Aufgabenbereich gehöre. Zu berücksichtigen sei dabei, dass in der Nacht der Leiter des Kriminaldauerdienstes (K3) Vorgesetzter des Klägers und damit des Kommissariats K 36 sei. Insoweit habe entgegen den Ausführungen des Dezernatsleiters vom 17. August 2015 keine Möglichkeit bestanden, selbst zu entscheiden, ob er die Aufgabe übernehmen könne. Der Kläger sei insoweit auch nicht in seiner Eigenschaft als Führungskraft angerufen worden. Es habe insoweit für den Kläger keine Möglichkeit der Entscheidungsfreiheit bestanden. Der Kläger habe sich nicht „aufgedrängt“, sondern gezwungen gesehen, der dienstlichen Aufforderung nachzukommen.
Es sei im Rahmen von Art. 24 Abs. 4 BayRKG auf die individuellen Besonderheiten des Beamten abzustellen. Es sei zu prüfen, ob der Kläger Aufgaben wahrgenommen habe, die er im normalen Betrieb nicht wahrnehme. Dies sei vorliegend der Fall. Es möge zwar sein, dass im Kommissariat 36 die Speicherung und Sicherung von Videosequenzen zu den dienstlichen Aufgaben gehöre. Es komme aber auf die individuellen Aufgaben des einzelnen Beamten an, da anderenfalls keine Prüfung erfolgen könne, ob es sich um normale Dienstaufgaben handle. Es sei auf den einzelnen Beamten abzustellen, da es um eine Erstattung seiner Mehraufwendungen gehe. Ohne diese Einschränkung bestünde andernfalls für den Dienstherrn die Möglichkeit, die Strukturierung so weit zu fassen, dass es zum normalen Dienstbetrieb zähle. Zu beachten sei auch, dass im Bereich des Kommissariats 36 keine Rufbereitschaft geregelt sei. Anhand dessen werde deutlich, dass der Einsatz des Klägers außerhalb der Regeldienstzeiten stattgefunden habe. Festzuhalten sei aufgrund der o.g. Umstände, dass der Kläger Aufgaben wahrgenommen habe, die außerhalb seines normalen Zuständigkeitsbereichs gelegen hätten. Zudem habe ein besonderer dienstlicher Anlass zugrunde gelegen. Der Kläger hätte die Fahrt ansonsten normalerweise nicht unternommen.
Nach alledem sei aufgrund dieser Umstände festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 4 BayRKG vorlägen und der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten habe.
Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – vom 7. Dezember 2015,
die Klage abzuweisen.
Die Vorschrift des Art. 24 Abs. 4 BayRKG gebe dem Kläger keinen Anspruch auf Erstattung.
Mit der Formulierung „können erstattet werden“ stelle das Gesetz die Entscheidung in das Ermessen der zuständigen Behörde. Das Gericht könne folglich allenfalls ein sogenanntes Bescheidungsurteil im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO erlassen.
Für die Fahrt am 1. Februar 2015 fehle jedoch bereits ein besonderer dienstlicher Anlass i. S. d. Art. 24 Abs. 4 BayRKG. Nach Nr. 24.6 VV-RKG liege ein besonderer dienstlicher Anlass vor, wenn ein Beamter Dienstaufgaben wahrnehme, die nach Anlass und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgingen, den er im Rahmen seiner allgemeinen Dienstpflicht zu erfüllen habe. Dem Kläger sei zugestanden, dass er die Fahrt am 1. Februar 2015 außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt habe und die Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen nicht zum Bereich der klassischen regionalen EDV-Beweismittelsicherung und- Auswertung (Auswertung von Computern, Festplatten, Netzwerken, Datenträgern) im Kommissariat 36 gehöre, in dem der Kläger tätig sei. Diese Tatsachen änderten jedoch nichts am fehlenden „besonderen“ dienstlichen Anlass. Nach den Ausführungen des Leiters des Kriminalfachdezernats 3 sei im Kommissariat 36 kein Bereitschaftsdienst angeordnet. Bei der Notwendigkeit einer sofortigen Medienauswertung (Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen) rufe der Kriminaldauerdienst … den Leiter des Kommissariats 36 oder dessen Vertreter an und bitte, einen fachkundigen Mitarbeiter zu alarmieren; denn der Leiter des Kommissariats 36 und sein Vertreter wüssten, welcher der Mitarbeiter die jeweils notwendigen Fachkenntnisse habe und erreichbar sei. Aufgrund dieser Organisation im Kriminalfachdezernat 3 und im Kommissariat 36 gehöre es zu den regelmäßigen Dienstaufgaben eines jeden Angehörigen des Kommissariats 36, bei Notwendigkeit einer sofortigen Medienauswertung, diese Aufgabe wahrzunehmen. Es könne gleichsam jeden der Angehörigen des Kommissariats 36 „treffen“. Daher komme den Argumenten in der Klagebegründung, für die sofortige Medienauswertung (Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen) am 1. Februar 2015 habe kein anderer der vier Mitarbeiter zur Verfügung gestanden und der Leiter des Kriminaldauerdienstes … sei in der Nacht Vorgesetzter des Klägers gewesen, kein Gewicht zu.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Januar 2016 beantragte der Kläger,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2015 zu verpflichten, dem Kläger Reisekostenvergütung für die Fahrt am 1. Februar 2015 von seinem Wohnort zur Dienststelle zu gewähren, sowie den Nachzahlungsbetrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2015 über den Antrag des Klägers auf Erstattung von Reisekostenvergütung für die Fahrt am 1. Februar 2015 von seinem Wohnsitz zur Dienststelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Ergänzend ließ er folgendes vortragen:
Soweit von der Gegenseite darauf abgestellt worden sei, dass kein besonderer dienstlicher Anlass vorgelegen habe, sei dem nicht zuzustimmen. Es habe sich bei der Fahrt am 1. Februar 2015 nicht um einen Anlass und Zeitpunkt gehandelt, der zu der zum regelmäßigen Aufgabenbereich des Klägers gehörenden Dienstpflichterfüllung zähle. Insbesondere zum „Zeitpunkt“ sei festzustellen, dass es nicht zum regelmäßigen Aufgabenbereich des Klägers gehöre, zu dieser Zeit zur Verfügung zu stehen.
In der mündlichen Verhandlung stellte der Klägerbevollmächtigte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 7. Januar 2016. Zugleich beantragte er, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Aktenheftung des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Landesamts für Finanzen – Bearbeitungsstelle … –
Reisekostenabrechnung – vom 8. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – vom 11. September 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Erstattung von Reisekosten für die am 1. Februar 2015 von seinem Wohnort zur Dienststelle unternommene Fahrt ist Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Art. 24 Abs. 4 des Bayerischen Reisekostengesetzes – BayRKG – vom 24. April 2001 in der zuletzt am 20. Dezember 2011 geänderten Fassung.
Nach Art. 24 Abs. 4 BayRKG können für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststelle aus besonderem dienstlichen Anlass die entstandenen notwendigen Fahrtkosten erstattet werden.
Ein besonderer dienstlicher Anlass i. S. d. Art. 24 Abs. 4 BayRKG für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte liegt nach Nr. 24.6 der vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen am 10. Mai 2002 erlassenen und das Ermessen der Behörde nach Art. 3 Abs. 1 GG bindenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BayRKG (VV-RKG) dann vor, wenn Beamte Dienstaufgaben wahrnehmen, die nach Anlass und Zeitpunkt über den regelmäßigen Aufgabenbereich hinausgehen, den sie im Rahmen ihrer allgemeinen Dienstpflicht zu erfüllen haben (Satz 1). Dabei ist es unbeachtlich, ob die wahrgenommene dienstliche Tätlichkeit plötzlich und unvorhergesehen erfolgt oder auf bereits festgelegter Diensteinteilung beruht (Satz 2).
Im vorliegenden Fall fehlt es an einem besonderen dienstlichen Anlass i. S. d. Art. 24 Abs. 4 BayRKG i. V. m. Nr. 24.6 VV-RKG.
Zwar hat der Kläger die streitgegenständliche Fahrt zum Dienstort am 1. Februar 2015, einem Sonntag, in der Zeit von 3:30 Uhr bis 8:30 Uhr und damit unzweifelhaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt. Auch gehört der Zweck dieser Fahrt, nämlich die Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen nicht zum eigentlichen Tätigkeitsbereich des Klägers im Kommissariat 36 (Auswertung von Computern, Festplatten, Netzwerk, Datenträgern – „klassische RBA“). All dies verleiht der Fahrt vom 1. Februar 2015 jedoch noch nicht den Charakter einer Fahrt aus besonderem dienstlichen Anlass i. S. d. Art. 24 Abs. 4 BayRKG i. V. m. Nr. 24.6 VV-RKG.
Denn nach Auffassung der Kammer ist vorliegend maßgeblich darauf abzustellen, dass der Kläger seit dem 1. November 2011 stellvertretender Leiter des Kommissariats 36 ist und in dieser Eigenschaft am 1. Februar 2015 auch alarmiert wurde (vgl. Stellungnahme des Leiters des Kriminalfachdezernats 3 vom 17. August 2015). Somit wurde der Kläger gerade nicht als – eigentlich unzuständiger – Sachbearbeiter im Bereich Medienauswertung (Sicherung von Video- und Notrufaufzeichnungen), sondern explizit in seiner Eigenschaft als Führungskraft angerufen. Der Kläger hat gerade in seiner Funktion als stellvertretender Leiter des Kommissariats 36 und mangels Erreichbarkeit des Dienststellenleiters und der entsprechenden nach ihren Dienstaufgaben für die Medienauswertung zuständigen Sachbearbeiter eigenverantwortlich entschieden, die Aufgabe der Medienauswertung selbst zu übernehmen und sein Kommen zugesagt. Mit dieser Vorgehensweise hat der Kläger jedoch ihm originär obliegende Aufgaben wahrgenommen, die innerhalb seines allgemeinen Zuständigkeitsbereichs als des für die Einteilung der Mitarbeiter bei einem (außerplanmäßigen) Außeneinsatz verantwortlichen (stellvertretenden) Kommissariatsleiters und damit im Rahmen seiner allgemeinen Dienstpflicht (vgl. Nr. 24.6 VV-RKG) liegen und den regulär von ihm zu erfüllenden Dienstgeschäften zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.1981). Hierbei ist es unbeachtlich, dass die genannten vom Kläger wahrgenommenen dienstlichen Tätigkeiten plötzlich und unvorhergesehen aufgrund eines am 1. Februar 2015 in … stattgefundenen Tötungsdelikts erfolgten (vgl. Nr. 24.6 Satz 2 VV-RKG). Ebenso ist es ohne Belang, dass, wie vom Kläger vorgetragen, der Leiter des Kriminaldauerdienstes … außerhalb der normalen Dienststunden am 1. Februar 2015 Vorgesetzter des Klägers war, da der Kläger, wie oben dargelegt, bei der Selbstübernahme der Aufgabe „Medienauswertung“ in seiner Eigenschaft als Mitglied der Leitungsebene des Kommissariats 36 und damit im Rahmen seiner allgemeinen Dienstpflicht gehandelt hat.
Nach alledem bestand für die Dienstfahrt des Klägers vom 1. Februar 2015 kein besonderer dienstlicher Anlass i. S. d. Art. 24 Abs. 4 BayRKG, so dass eine Erstattung der dabei entstandenen notwendigen Fahrtkosten (108 x 0,35 EUR = 37,80 EUR) nicht in Betracht kommt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die nur einzelfallbezogene Anwendung von bereits grundsätzlich Geklärtem hierfür nicht ausreicht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., Rn. 38 zu § 124). Vorliegend stand nur die Frage nach dem in Einzelfall vorliegenden besonderen dienstlichen Anlass zur Entscheidung.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 37,80 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.