Arbeitsrecht

Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf ein neues Arbeitsverhältnis nach Beendigung des ursprünglichen

Aktenzeichen  BayAGH III-4-13/2018

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43951
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 46 Abs. 3, § 46b Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf ein weiteres Arbeitsverhältnis (§ 46b Abs. 3 BRAO) setzt nicht voraus, dass neben dem weiteren Arbeitsverhältnis auch das der Zulassung zugrundeliegende Arbeitsverhältnis noch besteht (entgegen BGH BeckRS 2020, 11743 Rn. 10). (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Übersteigt die anwaltliche Tätigkeit nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht eine daneben ausgeübte Tätigkeit als Personalleiter deutlich, so wird das Beschäftigungsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit iSd § 46 Abs. 3 BRAO geprägt. (Rn. 73 – 74) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
V. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

I.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 4.6.2018 ist gemäß § 112 c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO die Anfechtungsklage statthaft.
Auch hinsichtlich der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde die einmonatige Klagefrist (§§ 112 c BRAO i.V.m. § 74 VwGO) gewahrt.
Die Klägerin ist gemäß § 46 a Abs. 2 Satz 3 BRAO klagebefugt. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war nicht erforderlich, Art. 15 Abs. 2 AG VwGO).
II.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg:
Mit Recht hat die Beklagte die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusanwalt auf dessen neues Arbeitsverhältnis bei der N. D. + P. GmbH auf der Grundlage von § 46 b Abs. 3 BRAO erstreckt.
Denn die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46 b Abs. 3 BRAO auf Antrag nach Maßgabe des § 46 a BRAO unter den dort genannten Voraussetzungen auf weitere Arbeitsverhältnisse zu erstrecken, wenn nach einer Zulassung nach § 46 a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden.
a) Formell rechtmäßig hat die Beklagte einen Erstreckungsbescheid auf der Grundlage des § 46 b Abs. 3 BRAO erlassen:
Der Beigeladene ist seit 17.12.2014 zum Rechtsanwalt, seit 27.8.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Der Zulassung lag seine Tätigkeit als Referent für A. e.V. zu Grunde. Dieses Arbeitsverhältnis wurde am 31.10.2017 beendet.
Gem. § 46b Abs. 3 BRAO kann, wenn nach einer Zulassung nach § 46a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen werden, auf Antrag die Zulassung auf diese Arbeitsverhältnisse erstreckt werden.
Zwar soll nach von der Klägerin zitierten Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/5201 (Entwurf eines Gestzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte), Seite 36) § 46 b Abs. 3 BRAO klarstellen, dass die Zulassung auf Antrag nur auf anwaltliche Tätigkeiten innerhalb weiterer nachträglich hinzutretender Anstellungsverhältnisse unter den dort genannten Voraussetzungen zu erstrecken sei.
Hierfür findet sich jedoch weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzessystematik Anhalt:
Denn § 46 b Abs. 3 BRAO hat lediglich zur Voraussetzung, dass zeitlich nach einer Zulassung nach § 46 a BRAO weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusanwalt aufgenommen werden.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist für eine Erstreckung nicht erforderlich, dass diese Arbeitsverhältnisse neben dem der Zulassung zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis bestehen.
Der Beigeladene hat vorliegend während seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit beim A. e.V. ein weiteres Arbeitsverhältnis als Syndikusrechtsanwalt bei der N.D.+ P. GmbH aufgenommen.
Eine Erstreckung der Zulassung auf die neue Tätigkeit war auch deshalb möglich, weil ein Grund, die bestehende Zulassung gem. § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO nach Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses zu widerrufen, weil die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nach Aufnahme der neuen Arbeitstätigkeit nicht mehr den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprochen hätten, zu keinem Zeitpunkt vorlag:
Der Beigeladene war nämlich durchgängig als Syndikusanwalt, zunächst bis 31.10.2017 beim A. e.V., sodann ab 01.10.2017 bei der N. D.+ P. GmbH beschäftigt .
Für die Frage des Widerrufs der Zulassung als Syndikusanwalt auf der Grundlage des § 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO kommt es auf die Fortdauer der Voraussetzungen des § 46 BRAO an, sodass kein Widerruf erfolgt, wenn -wie hierdie Zulassungsvoraussetzungen durchgehend, mithin auch im neuen Anstellungsverhältnis fortbestehen.
Im Übrigen erscheint es auch unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung vorzugswürdig, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Erstreckungsbescheid anstatt eines Widerrufsbescheides mit anschließender Neuzulassungsprüfung ausreichen zu lassen, vgl. AnwGH NRW, Az.: 1 AGH 62/17, Urteil vom 29.06.2018.
b) Der Erstreckungsbescheid ist auch materiell rechtsmäßig, denn die Tätigkeit des Beigeladenen bei der N. D. + P. GmbH entspricht den Anforderungen des § 46 a BRAO, insbesondere des § 46 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO:
Denn der Beigeladene ist Angestellter der N. D. + P. GmbH, mithin einer anderen als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Stelle.
Rechtsanwälte, die bei anderen als den in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften ihren Beruf als Rechtsanwalt ausüben, sind Syndikusanwälte, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind, § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Eine anwaltliche Tätigkeit liegt vor, wenn der Beigeladene fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig ist und seine Tätigkeit durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1-4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt ist.
Durch das Tatbestandsmerkmal der Prägung soll hierbei sichergestellt werden, dass der ganz eindeutige Schwerpunkt der im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten und der bestehenden vertraglichen Leistungspflichten im anwaltlichen Bereich liegt.
Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten, § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO.
Die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung hat sich auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zu beschränken, § 46 Abs. 5 BRAO.
Diese Voraussetzungen sind im Fall des Beigeladenen erfüllt:
Nach dem Anstellungsvertrag vom 20.6.2017 nebst Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom gleichen Tag, die den Anstellungsvertrag konkretisiert, ist der Beigeladene fachlich unabhängig und eigenverantwortlich tätig, prüft Rechtsfragen einschließlich der Sachverhaltsaufklärung und erarbeitet und bewertet Lösungsmöglichkeiten. Weiter erteilt er Rechtsrat. Verhandlungen führt er selbständig. Er tritt für das Unternehmen nach außen verantwortlich auf.
Gerichtliche und anwaltliche Korrespondenz zeichnet er allein und eigenverantwortlich. Dies gilt auch für das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen – etwa bei Vergleichsverhandlungen. Die Zeichnung wird nicht durch den Zusatz „i.V.“ begleitet. Wertgrenzen für die Zeichnung gelten nicht.
Insoweit der Beigeladene vorträgt, seine nichtanwaltliche Tätigkeit nehme lediglich 30% seiner Aufgaben in Anspruch, ist festzustellen, dass eine entsprechende Gewichtung sich bereits in der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung vom 20.06.2017 findet.
Die Anhörung des Beigeladenen stützt dessen Vortrag:
Er ist derzeit schwerpunktmäßig mit der Umsetzung eines Reorganisationskonzeptes betraut.
Dies umfasst die Betreuung arbeitsgerichtlicher Verfahren, die individuelle Anpassung von Arbeitsverträgen, die selbständige Durchführung von Verhandlungen mit dem Betriebsrat insbesondere bezüglich arbeitszeitrechtlicher Themen und den Kontakt mit der Aufsichtsbehörde.
Der Beigeladene führt auch Mitarbeitergespräche zu arbeits- und tarifrechtlichen Fragestellungen.
Darüber hinaus ist der Beigeladene auch außerhalb arbeitsrechtlicher Bezüge für seinen Arbeitgeber juristisch tätig:
So betreut er beispielsweise eine abwasserrechtliche Problematik und ein handelsrechtliches Verfahren.
Die Leitung der Personalabteilung beschränkt sich auf kurze Impulse zwischen Tür und Angel. Bezüglich des Personalcontrollings nimmt er lediglich Kennzahlen zur Kenntnis, die er dann zur Grundlage seiner Entscheidungen macht.
Weitere Projekte neben der Reorganisation und der Minderung des hohen Krankenstandes gibt es nicht.
Die Grundlage für die Organisation der Personalprozesse hat er bisher einmal redaktionell überarbeitet.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hält der Senat angesichts der vom Beigeladenen arbeitsvertraglich auszuübenden nichtanwaltlichen Tätigkeiten im Vergleich mit dem umfangreichen anwaltlichen Aufgabenbereich des Beigeladenen zur rechtlichen Beratung und Vertretung seines Arbeitgebers einen Tätigkeitsanteil von 30% für plausibel. Dies auch deshalb, weil der Beigeladene unwidersprochen vorgetragen hat, die Themenkomplexe Entgeltabrechnung, betriebliche Altersversorgung und Personalentwicklung werde durch die Konzernmutter abgebildet, ein Personalbudget existiere nicht.
Mag auch die Erstellung eines Leitfadens für ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, wie die Klägerin mit Recht einwendet, keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 BRAO sein, so hat doch diese Tätigkeit nach den nachvollziehbaren Angaben des Beigeladenen lediglich einnmalig drei Zeitstunden in Anspruch genommen.
Letztlich kann dahinstehen, ob die prozentuale Einschätzung des Beigeladenen hinsichtlich 70% anwaltlicher Tätigkeit und 30% nichtanwaltlicher Tätigkeit genau zutrifft. Der Senat hat jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht die daneben ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen als Personalleiter jedenfalls deutlich übersteigt.
Das Beschäftigungsverhältnis wird damit durch die anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO geprägt.
Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung fußt auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO:
Nachdem der Beigeladene mit Antragstellung das Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat, erscheint es billig, der Klägerin als unterliegender Partei auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG.
Der Senat hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die -soweit ersichtlich- noch nicht vom Bundesgerichtshof geklärte Frage zugelassen, ob eine Erstreckung der Zulassung als Syndikusanwalt nach § 46 b Abs. 3 BRAO möglich ist, wenn das frühere Arbeitsverhältnis bei Erstreckungsantragstellung bereits beendet ist, §§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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