Arbeitsrecht

Fachliche Unabhängigkeit eines GmbH-Geschäftsführers, Zulassung als Syndikusanwalt

Aktenzeichen  BayAGH I – 5 – 17/17

Datum:
30.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38007
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 46 Abs. 2
GmbHG § 40, § 43
AktG § 15

 

Leitsatz

1 Die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO vorgesehene Prüfung von Rechtsfragen erfordert zunächst die vollständige und sorgfältige Aufklärung und Analyse des Sachverhalts, um schließlich auf der Basis der rechtlichen Prüfung verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die in rechtlicher, tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu bewerten sind, um die Entscheidung des Auftraggebers vorzubereiten und zu ermöglichen (so auch AGH NRW BeckRS 2018, 2687 Rn. 30). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die reine Erstellung von Rechtsgutachten, welche sich nicht auf einen bestimmten Streitfall beziehen, ist nicht als anwaltliche Tätigkeit iSd § 46 BRAO zu werten (so auch AGH Hessen BeckRS 2017, 118400 Rn. 18). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Rechtsangelegenheiten Dritter werden nicht dadurch zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, dass sich dieser gegenüber den Dritten vertraglich zur Erledigung dieser Angelegenheiten verpflichtet hat (so auch AGH RhPf BeckRS 2017, 128707 Rn. 35). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Unternehmensbegriff der §§ 15 ff. AktG erfasst sämtliche rechtlich selbständigen Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, gilt also auch für die GmbH, Personengesellschaften, Einzelkaufleute, Vereine, Stiftungen oder ausländische Unternehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt. Hiervon entfallen 10.000,00 € auf den Antrag Ziffer 1) und 40.000,00 € auf den Antrag Ziffer 2) der Klage.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, § 112 c BRAO, mit der die Aufhebung von Verwaltungsakten, hier der Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 27.04.2017 begehrt wird und um eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, 112 c BRAO, mit der die Verurteilung der Beklagten zur Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt begehrt wird. Eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO bedurfte es nicht (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, Art. 15 Bay AGVwGO).
II.
Der Kläger hat die Klage auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hinsichtlich der Wohnungsbau- und Grundstücksgesellschaft im Landkreis E… mbH (Klageantrag Ziffer 1.) im Termin vor dem Bayerischen Anwaltsgerichtshof vom 30.04.2018 zurückgenommen (§ 92 Abs. 1 VwGO). Es war daher nur noch insoweit über die Klage zu entscheiden, als der Kläger die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH erstrebt. Insoweit erwies sich die Klage als unbegründet.
Gemäß § 46 a Abs. 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist streng tätigkeitsbezogen.
Für die Tätigkeit des Klägers bei der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH liegen die Voraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht vor.
Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 BRAO (hierzu unter 1).
Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich, dass er nicht für seinen Arbeitgeber, also für die F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH tätig ist (§ 46 Abs. 5 BRAO), sondern für Dritte, (hierzu unter 2).
Es kann daher dahinstehen, ob die fachliche Unabhängigkeit des Klägers vertraglich und tatsächlich durch die Regelung in § 2 der Ergänzungsvereinbarung vom 17.02.2016 hinreichend gewährleistet ist oder ob es hierzu darüber hinaus eines satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses bedarf (hierzu unter 3).
1) Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 BRAO
Das Arbeitsverhältnis des Klägers muss von den in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO kumulativ aufgelisteten Merkmalen geprägt sein, die zwingend gegeben sein müssen (Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl. 2016, § 46 BRAO Rdnr. 21).
Nach der Regelung in § 1 der Ergänzungsvereinbarung vom 17.02.2016 könnte die Tätigkeit des Klägers die Merkmale des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO erfüllen. Aus den eigenen Ausführungen des Klägers und den mit Schriftsatz vom 24.01.2017 vorgelegten Erklärungen der Mitarbeiter ergibt sich jedoch, dass die konkrete Tätigkeit des Klägers diese Merkmale nicht erfüllt.
Nicht jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, der juristisch geprägte Tätigkeiten ausübt, ist anwaltlich tätig. Die anwaltliche Tätigkeit ist geprägt durch
1. die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten,
2. die Erteilung von Rechtsrat,
3. die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen und
4. die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.
Die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO vorgesehene Prüfung von Rechtsfragen erfordert zunächst die vollständige und sorgfältige Aufklärung und Analyse des Sachverhalts, um schließlich auf der Basis der rechtlichen Prüfung verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die in rechtlicher, tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu bewerten sind, um die Entscheidung des Auftraggebers vorzubereiten und zu ermöglichen (AGH Hamm, Urteil vom 22.02.2018 – 1 AGH 83/16 – AnwBl. 2018, 298 Rdnr. 35, vgl. amtl. Begründung zu § 46 Abs. 3 BRAO-E BT-Drs. 18/5201). Der Rechtsanwalt bearbeitet den ihm unterbreiteten Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht somit umfassend. Daran fehlt es hier. Nach den Ausführungen des Klägers steht er den Mitarbeitern als Ansprechpartner in juristischen Fragen zur Verfügung und erteilt diesen Rechtsauskünfte; die Mitarbeiter sind aber in der Bearbeitung ihrer Aufgaben selbständig und führen auch den Schriftverkehr in eigener Verantwortung. Dies ergibt sich auch aus den mit Schriftsatz vom 24.01.2017 vorgelegten Erklärungen der Mitarbeiter vom 20.01.2017. Danach erteilt der Kläger den Mitarbeitern in juristischen Fragen Auskunft, in der Erledigung ihrer Aufgaben handeln die Mitarbeiter aber eigenverantwortlich und führen auch den Schriftverkehr in eigener Verantwortung.
Die Tätigkeit des Klägers ist mithin die eines Juristen, nicht aber die eines Anwalts. Sie ist auf die Klärung von Rechtsfragen gerichtet, die durch die Mitarbeiter an ihn herangetragen werden. Aus den Ausführungen des Klägers in der Klage und den Bestätigungen der Mitarbeiter ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger die vollständige Aufklärung und Analyse des Sachverhalts durchführt, um auf der Basis der rechtlichen Prüfung verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten und dass er diese in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bewertet, um die Entscheidung des Auftraggebers vorzubereiten und zu ermöglichen (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO).
Soweit der Kläger in seiner Tätigkeitsbeschreibung anführt, dass die Erstellung von Gutachten zu seinen Aufgaben gehört, erfüllt dies nicht ohne weiteres die Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit. Die reine Erstellung von Rechtsgutachten, welche sich nicht auf einen bestimmten Streitfall beziehen, ist nicht als anwaltliche Tätigkeit zu werten (AGH Frankfurt/Main, Urteil vom 08.05.2017 – 1 AGH 14/16 – AnwBl 2017, 1002). Dass der Kläger in konkreten Streitfällen Rechtsgutachten erstellt, ergibt sich aus den Angaben des Klägers in seiner Tätigkeitsbeschreibung nicht.
2) Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, § 46 Abs. 5 BRAO
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er für seinen Arbeitgeber, also die F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH tätig wird, § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Aus den Ausführungen des Klägers und den vorgelegten Organigrammen ergibt sich vielmehr, dass der Kläger nicht in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers, sondern in Rechtsangelegenheiten Dritter tätig wird.
Der Syndikusrechtsanwalt darf grundsätzlich nur in Angelegenheiten seines Arbeitgebers beraten und vertreten. Dies bedeutet, dass er von der Beratung und Vertretung anderer Personen oder Unternehmen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO).
Die F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH ist nach den Angaben des Klägers die Verwalterin des Vermögens der F… Wohltätigkeitsstiftung E… Diese ist dem mit Schriftsatz vom 24.01.2017 vorgelegten Organigramm zufolge Muttergesellschaft der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH. Dem Organigramm und den Angaben des Klägers zufolge bestehen Geschäftsbesorgungsverträge
-zwischen der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH und der F… Wohltätigkeitsstiftung E…,
-zwischen der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH und der Wohnungsbau- und Grundstücksgesellschaft im Landkreis E… mbH und
-zwischen der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH und den Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs),
aufgrund derer die F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH für den jeweiligen Vertragspartner tätig wird. Dies ergibt sich auch aus den Angaben des Klägers, z.B. aus dem Schreiben vom 14.01.2016 (Anlage K 3), in dem der Kläger mitteilt, dass die F… Stiftungs-Verwaltungsgesellschaft aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages die Geschäfte der F… Wohltätigkeitsstiftung E… führe. Mit dem als Anlage K 7 vorgelegten Schreiben vom 06.07.2016 teilt der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung und Verwaltungsratsvorsitzende der F… Wohltätigkeitsstiftung E…, Landrat Martin B…, mit: „Herr V… nimmt in seiner Funktion auch die rechtliche Vertretung in sämtlichen Rechtsangelegenheiten für die F… Wohltätigkeitsstiftung E… wahr“.
Soweit der Kläger aufgrund von Geschäftsbesorgungsverträgen seines Arbeitgebers mit Dritten Rechtsangelegenheiten Dritter wahrnimmt, wird der Kläger nicht in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers, sondern in Rechtsangelegenheiten Dritter tätig. Die Rechtsangelegenheiten Dritter werden nicht dadurch zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, dass sich die F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH gegenüber den Dritten vertraglich zur Erledigung dieser Angelegenheiten verpflichtet hat (Löwe AnwBl 2017, 1191; AGH Koblenz, Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16 – NJW-Spezial 2017, 703 Rdnrn. 39 ff.). Demgegenüber vertritt Michael Kleine-Cosack die Auffassung, dass auch die Beratung von Dritten zu den Befugnissen des Syndikusrechtsanwaltes gehöre (AnwBl 2017, 702, 708). Dem ist Löwe zu Recht entgegen getreten. Löwe führt zu Recht aus, dass die Angelegenheiten von Dritten nicht dadurch zu Angelegenheiten des Arbeitgebers werden, dass sich der Arbeitgeber vertraglich zur Erledigung dieser Angelegenheiten verpflichtet. Auch bei niedergelassenen Rechtsanwälten würden die Angelegenheiten der Mandanten nicht zu Angelegenheiten des Rechtsanwalts, wenn der Rechtsanwalt ein Mandat für den Mandanten bearbeite. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Auch der Kläger nimmt aufgrund seines Arbeitsvertrages mit der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH gemäß den Geschäftsbesorgungsverträgen Rechtsangelegenheiten Dritter wahr, nicht Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers.
Das Vorliegen eines der in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO geregelten Ausnahmefälle wurde nur teilweise dargetan, nämlich soweit es sich um die Tätigkeit des Klägers für die F… Wohltätigkeitsstiftung Erding handelt. Die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers umfassen auch Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne des § 15 AktG (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BRAO). Die Vorschrift des § 15 AktG gilt nicht nur für das Aktienrecht, sondern für alle Arten von Unternehmensverbindungen, da die §§ 15-19 AktG im Gegensatz zu den §§ 291 ff. AktG nicht voraussetzen, dass Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien beteiligt sind, sondern nur die Beteiligung von Unternehmen erfordern. Der Unternehmensbegriff der §§ 15 ff. AktG erfasst daher sämtliche rechtlich selbständigen Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, gilt also auch für die GmbH, Personengesellschaften, Einzelkaufleute, Vereine, Stiftungen oder ausländische Unternehmen (Solveen in Hölters, Aktiengesetz, 3. Aufl., § 15 Rdnr. 1).
Verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 AktG sind u.a. im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§§ 15, 16 AktG). Aus dem vorgelegten Organigramm und den Ausführungen des Klägers im Schreiben vom 24.01.2017 ergibt sich, dass die F… Wohltätigkeitsstiftung Erding zu 100 % Gesellschafterin und Muttergesellschaft der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH ist. Insofern findet eine Tätigkeit durch die Tochtergesellschaft für die Muttergesellschaft statt. Insoweit, d.h. soweit es sich um Rechtsangelegenheiten der F… Wohltätigkeitsstiftung Erding handelt, ist eine Tätigkeit für Dritte nach § 46 Abs. 5 Nr. 1 BRAO i.V.m. §§ 15, 16 Abs. 1 AktG ausnahmsweise zulässig. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Tätigkeit für die Wohnungsbau- und Grundstücksgesellschaft im Landkreis E… und hinsichtlich der WEG-Verwaltung geht aus den Ausführungen des Klägers nicht hervor, dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BRAO, 15 AktG erfüllt sind. Die Voraussetzungen der weiteren Ausnahmeregelungen in § 46 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 BRAO liegen ebenfalls nicht vor.
3) Fachliche Unabhängigkeit, § 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO
Gemäß § 46 Abs. 3 und 4 BRAO muss das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten geprägt sein. Eine fachlich unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten (§ 46 Abs. 4 BRAO).
a) Der Geschäftsführer einer GmbH leitet diese nicht in eigener Verantwortung. Die Gesellschafterversammlung kann vielmehr den Geschäftsführern in allen Bereichen der Unternehmensleitung Weisungen erteilen (Grundsatz der Weisungsabhängigkeit, § 37 Abs. 1 GmbHG). Den Geschäftsführern ist die Pflicht auferlegt, diese Weisungen auszuführen (Grundsatz der Folgepflicht, vgl. Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rdnr. 37 und § 35 Rdnr. 202). Eine Ausnahme gilt nur für gesetzwidrige Weisungen. In § 2 der Vereinbarung vom 17.02.2016 zwischen der F… Stiftungs- und Verwaltungs GmbH und dem Kläger wurde zwar festgehalten, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig arbeitet und keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Regelungen im Anstellungsvertrag, die von dispositivem Gesetzesrecht abweichen, sind zwar schuldrechtlich wirksam (Beispiel: Freistellung des Geschäftsführers von Gesellschafterweisungen); das Organisationsrecht der Gesellschaft, das sich neben der Satzung aus dem (dispositiven) Gesetzesrecht ergibt, hat aber Vorrang. Im Beispielsfall sind die Gesellschafter demnach nicht daran gehindert, dennoch Weisungen zu erteilen; eine vom gesetzlichen Leitbild abweichende Weisungsfreiheit erfordert eine Verankerung im Gesellschaftsvertrag (Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 35 Rdnr. 303). Erforderlich ist hierzu eine Satzungsänderung (Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rdnr. 66). Der Kläger hat im Termin vom 30.04.2018 auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Satzung der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH die Freistellung des Geschäftsführers von Weisungen vorsieht, erklärt, er könne dies nicht sagen. Er meine, dass die Satzung diesbezüglich eventuell keine Regelungen beinhalte (Seite 3 des Protokolls vom 30.04.2018).
b) Nach einer Entscheidung des AGH Hamm (Urteil vom 16.03.2017, 1 AGH 26/16, BRAK-Mitt. 2017, 137) indiziert die Tätigkeit eines Juristen als GmbH-Geschäftsführer noch keine Zweifel an dessen fachlicher Unabhängigkeit. Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers einer GmbH stehe einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht entgegen. Der AGH Hamm hat es als ausreichend angesehen, dass die fachliche Unabhängigkeit im Arbeitsvertrag vertraglich gewährleistet ist. Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO müsse die fachliche Unabhängigkeit nicht nur vertraglich, sondern auch tatsächlich gewährleistet werden. Sie müsse also tatsächlich im Rahmen des Anstellungsverhältnisses gelebt werden. Die Tätigkeit als Geschäftsführer als solche indiziere aber noch keine Zweifel an der Unabhängigkeit, weil es auch die Rechtsanwalts – GmbH gebe, in der der Rechtsanwalt dieselben Pflichten zu erfüllen habe (AGH Hamm Urteil vom 16.03.2017 1 AGH 26/16, BRAK-Mitt. 2017, 137, Rdnr. 31).
c) Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung erfordert die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt keinen Ausschluss jeglichen Weisungsrechts eines Arbeitgebers. Auch der selbständige Rechtsanwalt sei nämlich nicht völlig weisungsfrei, sondern im Rahmen des Mandatsverhältnisses an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden. Aus dem Arbeitsvertrag eines Syndikusrechtsanwalts habe sich jedoch, um die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO zu erfüllen, zu ergeben, dass der Arbeitgeber in fachlichen Angelegenheiten weder ein allgemeines noch ein konkretes Weisungsrecht ausüben darf, da ohne eine solche Regelung der allgemeine Grundsatz eines umfassenden Direktionsrechts des Arbeitgebers gelten würde. § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO sehe insoweit vor, dass die fachliche Unabhängigkeit vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten sei, d.h. die Unabhängigkeit müsse sowohl Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung sein als auch tatsächlich im Rahmen des Anstellungsverhältnisses gelebt werden (Träger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 46 BRAO zu § 46 BRAO-E Rdnr. 33; Hartung in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 46 BRAO Rdnr. 31).
d) Mit der Problematik, ob zur Sicherstellung der fachlichen Unabhängigkeit eines GmbH-Geschäftsführers eine Regelung im Arbeitsvertrag genügt oder ob es darüber hinaus einer Satzungsänderung im Gesellschaftsvertrag bedarf, befassen sich weder der AGH Hamm noch die unter b) zitierte Literaturstelle. Es kann letztlich dahinstehen, ob die fachliche Unabhängigkeit des Geschäftsführers einer GmbH durch einen satzungsändernden Gesellschafterbeschluss sicherzustellen ist oder ob die Regelung im Arbeitsvertrag (hier in § 2 der Zusatzvereinbarung vom 17.02.2016) ausreichend ist, denn es fehlt nach den obigen Ausführungen jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und Abs. 3, 155 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG festgesetzt. Aufgrund der Ausführungen des Klägers zu den Umsätzen und der Größe der Wohnungsbaugesellschaft im Landkreis E… mbH auf der einen Seite und der F… Stiftungs-Verwaltungs GmbH auf der anderen Seite wurde der Streitwert für den Antrag zu Ziffer 1) auf 10.000,00 € und der Streitwert des Antrages zu Ziffer 2) auf 40.000,00 € festgesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben (§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO). Es handelt sich hier um die Entscheidung eines Einzelfalles, deren Bedeutung nicht über den entschiedenen Fall hinausreicht. Die oben unter II. Ziffer 3) behandelte Rechtsfrage ist letztlich nicht entscheidungserheblich.

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